Rezension zu »Corruption« von Don Winslow

Corruption

von


Thriller · Droemer · · Gebunden · 542 S. · ISBN 9783426281680
Sprache: de · Herkunft: us

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Alles schlecht

Rezension vom 04.08.2017 · noch unbewertet · noch unkommentiert

Keinen Lichtblick gönnt uns Don Winslow, einer der Kings unter den zeit­genössi­schen Thriller-Autoren, in seinem neues­ten Roman. Über fünf­hundert Seiten seziert er das US-Gesell­schafts­system und findet nichts als durch und durch korrum­pierte und kriminelle Existenzen. Im Mittel­punkt steht ein »Hero-Cop« in der Elite­truppe des NYPD, aber sauber ist nicht einmal der.

Dabei wollte Denny Malone, der Protagonist, doch »immer ein guter Cop sein«. Er hat das »beschis­sene New York geliebt«. Als er jedoch nach acht­zehn leiden­schaftlich engagier­ten Dienst­jahren abtritt, muss er fest­stellen, dass die »faule Stelle in der Seele dieser Stadt« ganz oben an den Schalt­zentra­len der Macht zu finden ist und die Korrup­testen sicher wie nie zuvor im Sattel sitzen. Freilich hat er sich inzwi­schen selbst in den Fängen des Bösen verstrickt. Langsam ist er in die Falle hinein­geschlid­dert: erst ein spen­dierter Kaffee, dann eine Einla­dung ins Restau­rant, mal ein gespon­serter Bordell­besuch, hier ein bisschen Dope, dort ein Hundert-Dollar-Schein, bis er schließ­lich »eine rote Linie« über­schritten hatte, ein »dirty Cop« geworden war und seinen Preis dafür bezahlen muss.

Aber Malone ist keiner, der kampflos aufgibt. In der drama­tischen Schluss­szene des Romans tritt er denen gegen­über, die die Haupt­verant­wor­tung tragen, sich ihr jedoch ent­ziehen und sich niemals recht­fertigen müssen. In einem Penthouse ist die ganze Bande versam­melt, um über ihn zu richten – Vertreter des FBI, der Justiz, der Politik und Im­mobilien­haie. Jahre­lang ist er ihnen zu Diensten gewesen. Die Details der »Drecks­arbeit«, bei der er oft genug sein Leben riskierte, haben die Herr­schaften indes nie interessiert. Ob es seine Wider­sacher beein­druckt, wenn er ihnen jetzt den Spiegel vorhält? Eine Hand wäscht die andere, und alle werden auf irgend­eine krumme Weise betei­ligt, damit sie Weichen stellen, passende Urteile fällen oder einfach weg­schauen, wenn Geld gewaschen, Drogen gehan­delt, Waffen verkauft, Immo­bilien in Slums zu Best­preisen errichtet werden sollen.

Bis es zu diesem Showdown kommt, begleiten wir Malone bei seiner täglichen Arbeit. Er ist einer von 38.000 New Yorker Cops; aller­dings gehören er und seine Team­kollegen Russo, Billy O und Big Monty zu den »Besten der Besten«. Sie sind »hoch­deko­rierte Profis«, die als Spezial­ein­hei­ten in den diffizilen Zentren des nörd­lichen Man­hattan die Herr­schaft der Drogen­gangs brechen und für Frieden zwischen den sich gegen­seitig hassen­den Ethnien und rivalisie­renden Gruppie­rungen sorgen sollen. Unter­stützt von undercover arbeiten­den Detec­tives, bezahlten Junkies und zivilen Spitzeln kennt die Truppe jede Straße, jeden Wohn­block, jeden Clan, jeden Mafia-Boss und greift gnaden­los und mit aller Härte durch.

Den Gipfel ihrer Erfolge erreichen die vier Männer mit der spektaku­lären Erstür­mung eines Heroin­labors, wobei ihnen eine sagen­hafte Menge Drogen in die Hände fällt. Politik und Medien feiern die Helden und ihren (sauer ver­dienten) Sieg. Aber Malone, als »King der Kings« verehrt, hat einen Fehler gemacht ...

Ein solch kompromissloses Leben kann nur führen, wer sich ihm voll­ständig ver­schreibt. Zwar ist Malone verhei­ratet und hat zwei Kinder, insge­heim auch eine Geliebte, dunkel­häutig und drogen­abhängig. Doch seine Team­kollegen stehen ihm näher. »Für sie würde er sein Leben opfern.« Sollte einer von ihnen im Einsatz um­kommen, so haben es die Cops einander ver­sprochen, werden die anderen für seine Hinter­bliebe­nen sorgen. Mit diesem Solidaritäts­gedanken im Hinter­kopf haben sie brav fünfzig Kilo­gramm Heroin in der Asservaten­kammer abge­liefert, ohne die zwanzig weiteren Kilo­gramm zu erwäh­nen, die sie zusam­men mit einem Haufen Geld bunkern, um in Not­zeiten die Aus­bildung der Kinder oder medizi­nische Behand­lungen finan­zieren oder auch einmal Spitzel schmieren oder einen nütz­lichen Rechts­verdreher anheuern zu können.

Unvorstellbar für die verschworenen Kameraden, dass ausge­rechnet Malone, ihr Genie und Teamchef, in die Fänge des FBI gerät und zur »Ratte« wird. Aber eine über­ehr­geizige Bundes­anwältin hat ein Obser­vations­video gegen ihn in der Hand. Entweder packt er aus und nennt Namen von Cops und Richtern, die sich haben schmieren lassen, oder er wandert für Jahre ins Gefängnis.

Es versteht sich von selbst, dass die Sympathien des Autors (und damit des Lesers) Malone gehören. Dass er ein Raubein, sein Charakter gebrochen, manche Tat frag­würdig ist, tut seiner Wert­schät­zung keiner­lei Abbruch. »Wäre die Welt gerecht, wäre auch er gerecht«, so lautet die sehr schlichte Recht­ferti­gung für einen Mann, der, bewaff­net bis an die Zähne, nicht zögert, auf Menschen zu schießen. Das passt ins Weltbild vieler Ameri­kaner und zum Genre, aber ein bisschen mehr Tief­gang und Diffe­renzie­rung hätte nicht geschadet.

Ansonsten ist Don Winslows »Corruption« (»The Force« Don Winslow: »The Force« bei Amazon , über­setzt von Chris Hirte) ein stimmiger, furioser Action­thriller, der die komplexe, wider­sprüch­liche Realität der Megacity New York detailliert, spannend und wahr­schein­lich ziemlich getreu abbildet. Trotz der strengsten Gesetze des Landes gedeihen demnach der inter­natio­nale Drogen- und Waffen­handel, weil gewissen­lose Individuen und ihre gut getarnten Orga­nisatio­nen jegliche Vorschrift geschickt unter­laufen. Die auf der anderen Seite sind auch keine Engel. Da sind Polizisten, die nach Karriere, Macht oder Profit gieren, und solche, die sich nicht unter Kontrolle haben und schnell über­zogen reagieren, da ist eine Bevöl­kerung, die in verfein­dete Lager aufge­spalten, aber einig ist in ihrem Hass gegen die Cops, die ihnen erfah­rungs­gemäß immer nur Unheil statt Ordnung bringen. Besonders heiß explo­dieren die Emotio­nen, wenn ein weißer Polizist einen Farbigen erledigt.

Wie sich die Schlinge der Staatsanwältin langsam immer enger um Malones Hals legt, wie er sich bis zum Schluss windet, nicht zur »Ratte« zu werden,wie er immer wieder neue Deals aus­handelt und gleich­zeitig die Köpfe der Syndikate jagt, das erzählt der Autor rasant und raffiniert und nicht ohne gelegent­lich eine Prise süffi­santer Ironie einzu­streuen. Don Winslow ist ein Vollprofi des Thriller-Metiers. Seine Kollegen in Holly­wood brauchen nur zuzu­greifen. Winslow hat ihnen eine film­reife Vorlage geliefert.


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