Rezension zu »Das Mädchen, das Weihnachten rettete« von Matt Haig

Das Mädchen, das Weihnachten rettete

von


Weihnachtliches · Teil der Serie »Weihnachtliches« · dtv · · Gebunden · 336 S. · ISBN 9783423281287
Sprache: de · Herkunft: gb

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Nikolas in Nöten

Rezension vom 04.11.2017 · 2 x als hilfreich bewertet · noch unkommentiert

Dass der Weihnachtsmann jedes Jahr die Menschen­kinder mit wunder­vollen Geschenken beglückt, ist uns so selbst­verständ­lich wie die Zeugnis­besche­rung zum Schul­jahres­ende. Wer hätte gedacht, dass es einmal eine düstere Zeit ohne diesen Brauch voller Wunder und Magie gab, dass der Weih­nachts­mann in Wahrheit Nikolas heißt und er aus Finn­land stammt? So etwas erfährt, wer sich auf das wunder­bare, liebe­voll gemachte Weih­nachts­buch »Das Mädchen, das Weih­nach­ten rettete« einlässt. Der briti­sche Autor Matt Haig (*1975) feuert darin nicht enden wollende Salven von witzigen, absurden, fantasie­vollen Einfällen, spannen­den Aben­teuern und wechseln­den Stimmun­gen ab. Worum es geht und wie alles ausgeht, das verrät schon der Titel. Aber der Hand­lungs­verlauf ist in seinem Einfalls­reich­tum so über­raschend, teils humor­voll, teils aktions­reich, teils bedrü­ckend, teils maka­ber, dass man bis zum Schluss am Ball bleibt. Sophie Zeitz-Venturas ausge­zeich­nete Überset­zung, die DTV jetzt recht­zeitig zum Fest vorlegt, steht dem 2016 in Groß­britan­nien erschiene­nen Original »The girl who saved Christmas« Matt Haig: »The girl who saved Christmas« bei Amazon in nichts nach.

Der achtjährigen Amelia Wishart verdanken wir, dass das Wunder Weih­nach­ten uns immer noch erfreut. Sie lebt im Jahr 1840 in London. Der Vater ist im Krieg im fernen Burma gefallen, Mutter Jane hält sich und ihr aufge­wecktes Töchter­chen als Schorn­stein­fegerin über Wasser. Doch Frau Wishart ist schwer krank. Seit sie das Bett hüten muss, nimmt Amelia ihr die müh­selige Arbeit in den engen, schmut­zigen Schloten ab. Damit verdient das Kind wenigs­tens so viel, wie die beiden für ihre dürftige Ernäh­rung und Janes wichtige Medizin benö­tigen. Bald spricht die Mutter von ihrem bevor­stehen­den Tod. Sie habe aber Vorsorge getroffen, dass Amelia nicht auf der Straße verhun­gern müsse, sondern im Arbeits­haus aufge­nommen werde.

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Eine grausame Vorstellung für das Mädchen. In ihrer Verzweif­lung schreibt sie einen Wunsch­zettel an den Weih­nachts­mann, den einzi­gen, der Wunder bewirken kann. Ihr einziger Wunsch: »dass du meine Mutter gesund machst, bevor es zu spät ist«. Schon im Jahr zuvor hatte ihr fester Glaube an den Weih­nachts­mann ein magi­sches Licht am Himmel strahlen lassen, das ihn sicher in die Gasse leitete, wo Amelia wohnt. Dann hatte er ganz uner­wartet den Strumpf, den sie an ihrem Bett aufge­hängt hatte, mit Spiel­sachen gefüllt.

Amelias Brief erreicht recht­zeitig seinen Adressa­ten im Wichtel­dorf Elfhelm, wo die Vorberei­tungen auf Hochtouren laufen. Selbst Nacht­schichten werden eingelegt, um letzte Produktions­schwierig­keiten zu beheben, damit all die Spiel­sachen im »uner­schöpf­lichen Sack« verstaut und auf den Rentier­schlitten geschafft werden können.

Doch niemand hat mit der Niedertracht der Trolle gerech­net. Das sind riesige, hässliche Wesen, unter­schied­lich groß und schauer­lich anzu­sehen, denn mancher hat zwei Köpfe, ein anderer nur ein Auge, das er aber, um damit besser um die Ecke schauen zu können, aus der Augen­höhle nehmen kann. Dieses Lumpen­pack haust in einem Gewirr unter­irdi­scher Höhlen, babbelt dumm­dreist mit hessi­schem Zungen­schlag und ernährt sich von gebratenen Ziegen. (Zur Not würden sie auch eins der Wichtelchen verspeisen, obwohl die nicht sonderlich nahrhaft sind.) Befallen von einem mysteriösen Wahn, über den nicht einmal das Standard­werk »Voll­ständige Troll­pedie« Auskunft zu geben weiß, reißen sie die Erde auf, tauchen aus allen Boden­spalten auf, werfen mit Fels­brocken um sich, stampfen mit ihren unför­migen Füßen eine Art Schuh­plattler. In einer Aktion, die selbst Väter­chen Wodol, den Wichtel mit dem größten Wort­schatz und Heraus­geber der Troll-Zeitung »Der Tages­schnee«, nach Worten ringen lässt (»Ein ... ein ... Mega-Giga-Popelplex!«), fallen die Monster über Elfhelm her, zerstören es und versenken die Trümmer im Erd­boden. Weih­nachten wird ausfallen müssen.

Auf Erden sieht es nicht weniger trist aus. Amelias Mutter stirbt, und das Mädchen wird in das düstere Arbeits­haus geschafft, wo sie in der Wäscherei schuften muss. Ein Flucht­versuch scheitert. Nach einem leidvollen Jahr hat sie jegliche Hoffnung verloren. Gegen den Weih­nachts­mann, der sie so bitter im Stich ließ, hegt sie eine beson­dere Wut.

Die Wichtel haben das ganze Jahr damit verbracht, ihr Dorf wieder aufzu­bauen. Dieses Weih­nach­ten darf nichts mehr schief­gehen. Der Schlitten erstrahlt in noch schöne­rem Glanz als vor seiner Zerstörung. Kipp, der Leiter des Schlitten­zentrums, hat das Gefährt mit Kompass, Höhen­messer, Trieb­werk und Telefon tech­nisch upge­datet. Die Rentiere sind ange­spannt, der »uner­schöpf­liche Sack« ist gefüllt, und der Weih­nachts­mann startet durch auf seine weite Reise nach London, zu Amelia.

War Kipps Höhenmesser noch nicht ganz ausge­reift? Jeden­falls schießt das Rentier­gefährt mit voller Wucht durch ein riesiges Fenster eines riesigen Gebäudes und schlittert über feinen Parkett­boden, bis es vor einem Himmel­bett zum Stehen kommt. Darin erwacht von dem Getöse die erhabenste Person der Welt, Queen Victoria. Nur schwer gelingt es dem verdächtig geklei­deten Mann mit Vollbart, ihre Majestät davon zu über­zeugen, dass er kein französi­scher Atten­täter, sondern ein Abge­sandter aus Elfhelm mit einer wichtigen Mission ist. .

Kaum der drohenden Hinrichtung entgangen, erwarten den Weih­nachts­mann die nächsten Abenteuer, denn nun muss er Amelia finden. Die gilt mittler­weile als aufsässige Göre und wird, um sie Mores zu lehren und zu einem folg­samen Mädchen zu erziehen, im dunklen Keller­verließ des Arbeits­hauses gefangen gehalten. Wie kann der dicke ältere Herr dort eindringen? Zum Glück begegnet er Charles Dickens, dem Spezia­listen für die Misere armer Kinder seiner Zeit, und der hat eine tolle Idee ... Nach Amelias Befreiung und der gewal­tigen Beschen­kungs­reise zu sämt­lichen Kindern dieser Welt brodeln im Wichtel­tal immer noch die Troll-Gefahren – kurzum: Eine besinn­liche Weih­nacht erleben wir hier nicht so schnell.

Hiermit ist der Handlungsrahmen für Erwachsene auf der Suche nach einem origi­nellen Geschenk grob umrissen, und mehr wird nicht verraten, denn auch für die Großen ist es höchst amüsant, spannend und reizvoll, sich von all den kuriosen Ereig­nissen bezaubern und über­raschen zu lassen.

Je älter die Leser sind, desto größeres Vergnügen werden sie an den skurrilen Einfällen und Anspie­lungen des Autors empfinden. Köstlich die Szenen bei Hofe, die recht despek­tierlich – auch die höchsten Tiere sind nur Menschen wie du und ich – vorführen, wie die Queen und ihr deutscher Prinz­gemahl Albert mit­einan­der umgehen (übrigens durchaus im Einklang mit der historisch verbürgten Wahrheit). Intelligent der Einfall, Charles Dickens (bekannt­lich selber Verfasser einer »Weih­nachts­geschichte«) auftreten zu lassen und auf Motive seiner Bücher zu rekur­rieren.

Die Altersempfehlung – zehn bis zwölf Jahre – hat ihre Berech­tigung. Für zart­fühlende jüngere Leser mögen manche der dargebo­tenen Abenteuer starker Tobak sein. Die Trolle etwa sind bei aller Dödelig­keit und trotz ihres putzigen Dialekts miss­mutige und bös­artige Wesen. Die von Chris Mould mit feinem Strich und Liebe zum Detail gefertig­ten Schwarz-Weiß-Illustra­tionen konkre­tisieren einer­seits, was der Text evoziert, anderer­seits geben sie den gruseligen Kreaturen Gestalt und Gesicht, die ihrer­seits die Fantasie beflügeln und ein Kind verängs­tigen können. Wie in alten Märchen (deren Drastik manche Eltern heuti­gen Kindern nicht mehr zumuten wollen) erleben die Kleinen nach dem emotio­nalen Aufruhr von Miss­erfolg, Grausam­keit und Tod am Ende die Erleich­terung des glück­lichen Ausgangs: Erfolg­reich leistet die mutige Amelia Wider­stand gegen die unge­rechte Bevor­mun­dung durch die recht­haberi­schen Erwach­senen, die Bösen bekom­men so richtig eins überge­braten, und Weih­nach­ten ist, wie jeder am eigenen Leib fest­stellen kann, gerettet.


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