Rezension zu »Wie Risse in der Erde« von Clare Leslie Hall

Wie Risse in der Erde

von


Beth, 17, verliebt sich in den etwas älteren Gabriel aus bestem Hause, aber halten kann sie ihn nicht. Später heiratet sie einen Farmer und wird glücklich mit ihm. Als Gabriel aus der weiten Welt ins Dorf zurückkehrt, löst ihre erneute Begegnung eine tragische Entwicklung aus.
Belletristik · Piper · · 400 S. · ISBN 9783492073349
Sprache: de · Herkunft: gb

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Spannender Kitsch

Rezension vom 04.05.2025 · noch unbewertet · noch unkommentiert

Am Anfang dieses Romans steht eine düstere Frage: »Der Farmer ist tot […]. War es ein Unfall oder war es Mord?« Vierzehn Seiten später lesen wir, dass 1969 im ehr­würdi­gen Londoner Gericht »Old Bailey« ein Prozess zu Ende geht, der diese Frage beant­worten soll. Dann wechselt das Thema erst einmal für die Vorge­schichte, doch im weiteren Verlauf der Handlung werden immer wieder Aus­schnitte aus dem Prozess­geschehen eingefügt, bis wir am Schluss die volle Wahrheit über das Vorge­fallene erfahren.

Schauplatz ist zunächst der kleine Ort Hemston in der süd­west­engli­schen Graf­schaft Dorset, Mitte der Fünf­ziger­jahre. Hier wächst in einem Farmhaus Elizabeth Kennedy (»Beth«, die Ich-Erzäh­lerin) auf. In un­mittel­barer Nähe lebt die feine und reiche Familie Wolfe auf »Meadow­lands«, ihrem groß­zügigen Anwesen. Jeden Sommer lädt man alle Dorf­be­wohner zu einem Fest. Es ist der gesell­schaft­liche Hotspot des Jahres, und jeder spitzt dort die Augen und Ohren, um nichts von dem zu verpassen, was in den Wochen danach die Gespräche beherr­schen wird.

Als Beth siebzehn ist, lernt sie bei dieser Gelegen­heit den Sohn des Hauses kennen. Gabriel ist ein Jahr älter, in edlen Tweed gewandet und »er­schre­ckend schön«, wie Beth das formu­liert. Jeden­falls ist es beim ersten Anblick des Jünglings um die Schülerin, ein »Mädchen vom Lande«, geschehen. Auch er ist von der hübschen jungen Frau angetan und lädt sie ein paar Tage später zu einem Picknick am haus­eigenen See. Und jetzt halten Sie sich fest: Romantik stellt sich ein, beide begehren einander zu küssen, es kommt zu weiteren Tête-à-Têtes und schließ­lich zu heißem [Spoiler­alarm!].

Schlag auf Schlag folgen nun noch mehr Über­raschun­gen, mit denen niemand rechnen konnte: Als der Sommer zu Ende geht, muss der junge Herr zum Studium (Oxford, what else?). Seine Karriere muss einge­tütet werden: Best­seller­autor soll er werden (ein Aus­bildungs­beruf?). Nicht zuletzt weil Frau Mama eine un­standes­ge­mäße Ver­bindung in der Familie niemals absegnen würde (über eine kurze Affäre zum Hörner­ab­sto­ßen kann man hinweg­sehen), endet die Bezie­hung zwischen Gabriel und Beth, und jeder Kontakt zwischen ihnen bricht ab. Später heiratet Gabriel eine vo­rzeig­barere junge Frau, bekommt einen Sohn mit ihr, und man zieht in die USA.

Dreizehn Jahre später (1968) ist Gabriel Wolfe frisch geschie­den und jetzt wieder in Meadow­lands einge­zogen – als Hausherr. Sein Vater ist gestorben, seine Mutter hat ein neues Leben in Austra­lien begonnen, aber mit der Rückkehr des Stamm­halters hat trotzdem niemand gerechnet. Gabriel hat seinen zehn­jährigen Sohn Leo mitge­bracht, ein sensibles Kind, das Sehnsucht nach seiner in Amerika verblie­benen Mutter hat.

Auch Beth hatte inzwischen eine neue Liebe gefunden und den Farmer Frank Johnson gehei­ratet. Gemeinsam mit Franks Bruder Jimmy be­wirt­schaf­ten sie den Hof. Obwohl die beiden einander innigst lieben, hat sie ein tragi­scher Unfall kurz vor Gabriels Rückkehr emotional aus der Bahn geworfen. Frank wird sich ewig Vorwürfe machen, dass er seinen einzigen Sohn Bobby einen Augen­blick lang unbe­auf­sich­tigt ließ und so seinen Tod ver­schul­dete.

Wir ahnen es: Das Schicksal führt die ehemals so stürmisch Liebenden wieder zusammen, und sie müssen fest­stellen, dass das Feuer ihres Ver­langens nie ver­loschen ist. Aller­dings wohnen, ach!, zwei Seelen in Beths Brust, und die zweite ist ihre Liebe zu Farmer Frank. Um sich mit beiden zu arran­gieren, bietet sich Beth als Tages­mutter für Leo an – eine geniale Konzept-Klatsche, die fünf Fliegen auf einen Streich glücklich macht: Leo hat wieder eine Art Mutter in der Nähe, kein klein Kind stört den Produ­zenten von Liebes­roman-Best­sellern mehr bei der Arbeit, Vater Gabriel weiß den Buben in besten Händen, Beth hat einen Ersatz für Bobby, und die beiden immer noch und wieder Liebenden haben ein Alibi, um sich zu treffen, wann immer ihnen danach ist.

Nur einer ist in diesem Win-Win-Deal gelack­meiert: Farmer Frank ist nicht glücklich über Beths neue Aufgabe, ahnt wohl auch, was da­hinter­steckt, hält aber still, viel­leicht weil ihn seine Schuld so quält. Und auch Beth ist immerhin bewusst, dass sie eine Grenze über­schreitet, wenn sie ihren Ehemann glauben lässt, nur Leo ziehe sie nach Meadow­lands.

Das Glück der beiden Hauptgewinner währt nur einen Sommer. Unge­bremst geben sie sich insgeheim ihren Emotionen und ihrer Leiden­schaft hin, fassen sogar ins Auge, eine feste Beziehung einzu­gehen. Doch bevor Beth ihre Wahl zwischen wieder aufge­flamm­ter Jugend­liebe und dem unfass­bar herzens­guten, selbst­losen Ehemann trifft, bringt eine Tragödie alles zum Einsturz.

Damit ist die eine Hälfte des Romanstoffs skizziert: die Liebes­ge­schichte zwischen Beth und Gabriel. Die massiv invol­vierte, inner­lich zer­rissene Ich-Erzäh­lerin entfaltet den gesamten Problem­kreis sehr umfang­reich und dif­feren­ziert, erörtert alle Fragen, die sich aus ihren Be­zie­hun­gen ergeben, und prüft (wenn auch nicht ganz unvor­einge­nommen) aus­führ­lich ihr Gewissen. Das bedeutet: Wir müssen viele Seiten voller Dramatik und theatra­lisch über­bor­dender Seelen­pein durch­leiden, wobei Beth keine Gefühls­regung aus­lässt: zuviel des Guten! Zusammen mit all den Klischees im Plot – einfaches Mädel verfällt reich-schön-klugem Ober­klasse­mann mit böser Mutter – und dem allzu breit ge­spreiz­ten Charakter der Protago­nistin – sowohl tüchtig-brave Bäuerin als auch heiß­blütiges Bett­hupferl als auch Ver­ehrerin roman­tischer Poesie – hat mich dieser etwas trie­fende Part einiger­maßen unter­halten, aber auch oft gelang­weilt und geärgert.

Doch da ist ja noch die geschickt und überzeugend angelegte Krimi­handlung: Wer hat den Farmer umge­bracht und warum? (Die Unfall-Option ist nicht so ernst gemeint: Ein »präziser Schuss ins Herz« hat den Mann dahin­ge­streckt, wie wir eine Zeile später lesen.) Aus der Liebes­ge­schichte schält sich nach und nach ein Kriminal­fall heraus, dessen Span­nungs­bogen stetig auf­wärts geht. Denn auch die Stück für Stück weiter­ge­führte Ge­richts­ver­hand­lung lässt mit ihren Be­fragun­gen und Aussagen kaum ahnen, was in Wahrheit im Farmhaus geschehen ist. Wir müssen uns tat­säch­lich bis zum Schluss gedulden – und werden belohnt.

»Broken Country«, verfasst von der britischen Autorin Clare Leslie Hall, wurde zeit­gleich in 31 Ländern ver­öffent­licht und von Ulrike Wasel und Klaus Timmer­manns ins Deutsche übersetzt.


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