Rezension zu »Schattengrünes Tal« von Kristina Hauff

Schattengrünes Tal

von


Das Schwarzwald-Hotel »Zum alten Forsthaus« hat seine Attraktivität längst verloren. Die Strukturen des Anwesens wie auch der Besitzerfamilie sind nach vier Generationen allzu strapaziert, die Ressourcen erschöpft. Was in aller Welt motiviert also eine fremde Dame, ausgerechnet hier logieren zu wollen?
Belletristik · hanserblau · · 304 S. · ISBN 9783446284289
Sprache: de · Herkunft: de

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Glanz von gestern

Rezension vom 17.10.2025 · noch unbewertet · noch unkommentiert

Die Schriftstellerin Kristina Hauff wurde am Niederrhein geboren. Während ihre ersten beiden Romane im Norden spielen (»Unter Wasser Nacht« im Wendland; »In blaukalter Tiefe« in Schweden), wählt sie für ihr neues Werk ein Setting im tiefen Süden Deutschlands, wo sich ja auch Dramen abspielen können.

Der Schwarzwald ist nach wie vor eine beliebte Urlaubs­region, wenn­gleich auch seine Hotel­lerie und Gastro­nomie von den Corona-Maß­nah­men nach­haltig gebeu­telt wurden. Doch darum geht es hier nicht – der Nieder­gang des Tradi­tions­hotels »Zum alten Forst­haus« in Herzogs­bronn ist haus­gemacht. (Das Dorf ist fiktiv wie die Her­berge, aber wohl irgend­wo im Chris­tophs­tal bei Freuden­stadt zu vermuten, denn dort hat die Autorin für ihren Roman recher­chiert.)

Generationen von Familien haben hier ihren Urlaub verbracht, seit Carl, der Patriarch, das Hotel von seinen Eltern über­nahm. Der macht­be­wusste Sturkopf, inzwi­schen Anfang 90, führte das Unter­nehmen mit seiner Frau Rose und zuver­lässigen Mitar­beitern durch die Jahr­zehnte. Aber mittler­weile ist Rose dement und wird in einem Senio­ren­heim behütet, und auch Carl spürt das Alter. Außer­dem kann er die Augen nicht davor ver­schlie­ßen, dass der Zahn der Zeit seit Länge­rem an seinem Haus nagt. Moder­nisie­rungen sind immer wieder ver­schoben worden, während die Kon­kur­renz nicht schlief, und so bevor­zugen die Touristen längst ein anderes Quartier mit schickem Neubau im schönen Tal.

Wenn es nach Carl geht, soll sein Sohn Felix den Betrieb über­nehmen, aber der geht inzwi­schen anderen Inter­essen nach und hat keine Lust mehr, abzu­warten, bis er endlich ans Ruder darf. Tochter Lisa arbeitet im Touris­mus­büro und ist rundum bestens infor­miert. Seit ein paar Jahren führt sie die Bücher des Hotels und steht bei jedem Hilfe­ruf des Vaters bereit, ganz wie es dieser für selbst­ver­ständ­lich hält. Doch ihre Reno­vie­rungs­vor­schläge lehnt er vehe­ment ab.

Lisas Ehemann Simon missfällt es seit Langem, wie seine Frau alles für ihren Vater und sein Unter­nehmen tut, ohne dass ihr En­gage­ment und ihre Kompe­tenz gewür­digt werden. Seine Bezie­hung zu ihr ist schon lange abge­kühlt. Er fühlt sich ver­nach­läs­sigt, und die Unzu­frieden­heit quält ihn. Nur bei seiner Arbeit im Forst ist er bei sich selbst, nur dort findet er Glück und öffent­liche Aner­ken­nung.

Nach der dauerhaften Erkrankung seiner Frau Rose wäre Carl ohne die tat­kräf­tige Solida­rität seiner Tochter wohl ganz auf sich allein gestellt gewesen, hätte er nicht noch eine weitere Stütze an seiner Seite. Ein­ein­halb Jahr­zehnte zuvor hatte sich Margret als Service­kraft bei ihm vorge­stellt und ihm seither treue Dienste geleis­tet. Nun ist sie 65 Jahre alt und mehr als die gute Seele des Hotels gewor­den. Ob sie wohl insge­heim Hoff­nun­gen hegt, auch privat unent­behr­lich für Carl zu werden? Lisa würde das gar nicht gut­heißen.

In das, was sich nach außen hin als Post­karten­idylle prä­sen­tiert (in deren Unter­holz es aller­dings schon ziem­lich knistert), bricht nun eine ge­heim­nis­volle Fremde namens Daniela Arnold ein – seit jeher ein gutes Rezept, mit dem Schrift­steller ihre Leser bei der Stange halten. Alle­mal kommt Rätsel­stim­mung auf, und besten­falls wird es richtig spannend, wenn ernste Gefahr droht. Woher kommt die Zuge­reiste? Auf wen oder was hat sie es abge­sehen? Wird sie zum Frie­dens­engel, zum Kata­lysa­tor, zum lachen­den Dritten, zum Brand­be­schleu­niger?

Doch keine Angst, so schlimm wird es hier nicht. Daniela löst mit geschick­tem Tak­tieren vorerst nur ein biss­chen Verwir­rung aus. Dass die Hei­zung im »alten Forst­haus« marode ist, hält sie ebenso wenig wie andere Miss­stände des Hauses davon ab, eben hier als einziger Gast ein Zimmer bezie­hen zu wollen, und das für län­gere Zeit. Die braucht sie, um sich im Hotel, im Familien­gefüge und in der Dorf­gemein­schaft zu eta­blieren und seelen­ruhig ihre Fährten auszu­legen. Bald verfallen ihrer Aus­strah­lung so unter­schied­liche Charak­tere wie Senior Carl, Lisas beste Freun­din Jo­hanna und der Kantor des Kirchen­chores. Bis Lisa merkt, wie die Dame ihre Opfer umgarnt, ist auch Simon um ihren Finger gewickelt.

Verlag, manche Kritiker und viele Käufer rühmen das Buch als »psy­cho­logi­schen Span­nungs­roman« und »Psycho­drama« mit »Gänse­haut«-Effekt. So weit möchte ich mich nicht aus dem Fenster lehnen, denn der­artige Quali­täten kann ich dem Werk nicht abge­winnen. Der Roman wirft Fragen auf, was es mit der Fremden wohl auf sich hat und wie die Hand­lung wohl weiter­gehen mag, mehr nicht.

Daniela inszeniert ein breit angelegtes Ränke­spiel, dessen grund­sätz­liche Ab­sich­ten man durchaus ahnen, nach gewissen Aktionen auch er­schlie­ßen kann. Sie stiftet viel Un­ruhe im Dorf, zündelt mit Eifer­sucht und Liebes­glut, aber weder bei dieser Heldin noch bei ihren Mit- bzw. Gegen­spielern (m/w) noch bei der litera­rischen Auf­be­rei­tung des schlich­ten Plots kann ich außer­gewöhn­liche Raffi­nesse oder schrift­stel­leri­sche Ambition ent­decken. Stil und Handlung schram­men nicht selten an Trivia­litäten entlang. Jedes Kapitel wird aus der Per­spek­tive einer der Hand­lungs­figuren erzählt, wo­durch uns zwar unter­schied­liche Ver­mutun­gen und Ein­sichten bekannt werden, anderer­seits aber auch Redun­danzen unver­meid­lich sind, wenn Vor­fälle, Streit­fragen, Empfin­dungen im Familien-, Freundes- und Be­kannten­kreis wieder­holt werden.

»Schattengrünes Tal« fließt ruhig dahin, regt uns nicht sonder­lich auf und be­helligt uns auch nicht mit inno­vativen Über­raschun­gen oder Exper­imenten. Die Autorin beherrscht ihr Metier, wir nehmen ihr ihre ambi­valenten Charak­tere mit­samt ihrer Gefühls­welt, ihren famil­iären Span­nun­gen und unge­lösten Kon­flikten ab: leicht kon­sumier­bare Unter­haltungs­ware nach be­kann­ten Mustern.

Aber gibt es nicht herbst­liche Wetter- und Gefühls­lagen, in denen man sich in genau solcher­lei Ge­schich­ten zu ver­tiefen wünscht und einfach mal in Ruhe gelassen werden will mit all den Schre­ckens­nach­richten, War­nungen und Be­leh­run­gen, mit denen uns unsere Medien täglich über­fluten?


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