Kolosseum - reichlich Marmor für eine Leichenhalle
Rom, September 81 n. Chr.
Lepida erhält anlässlich ihres 14. Geburtstags eine Sklavin namens Thea geschenkt. An diesem Morgen muss Thea sich in die Arme ritzen, und sie genießt das betäubende Gefühl, wenn das Blut aus ihrer Vene läuft. Zum ersten Mal besucht sie mit ihrer neuen Herrin und deren Vater Quintus die Gladiatorenkämpfe im Kolosseum, und sie fürchtet sich vor dem grausamen Spektakel.
Lepida ist eine eingebildete, dumme Zicke. Mit ihrer Schönheit blendet sie ihre Umwelt. Die Spiele sind eine willkommene Gelegenheit, um gesehen zu werden. Wird ein Senator ein Auge auf sie werfen? Eine Heirat würde ihr die Tür zu den höchsten Kreisen der römischen Gesellschaft öffnen.
Der Kaiser betritt seine Loge. Mit einem Handzeichen eröffnet er die Spiele. Die gelangweilt dreinblickenden Römer schauen sich die blutigen Tierkämpfe an. Aus ihrer Lethargie werden sie erst herausgerissen, als der Sklave Arius die Arena betritt. Mit dem Schwert, das ihm gerade von seinem Wächter gereicht wird, hackt er diesem zunächst die Hand ab, und mit zwei weiteren Hieben schickt er ihn als zuckenden Haufen Fleisch zu Boden. Die Zuschauermenge johlt, und angeheizt durch diese außergewöhnliche Tat, heben sie alle ihre Hand. Arius sehnte sich nach Verdammnis, doch nun muss er weiterleben ...
Ich bin kein ausgesprochener Fan historischer Romane. Diese Leseprobe ist - bei aller Grausamkeit - lehrreich und dadurch interessant, aber auch unterhaltsam und sogar amüsant. Wie einst die Spiele im römischen Kolosseum abliefen, weiß wohl jeder; in dieser Hinsicht bringt die Autorin nichts Neues. Aber die Atmosphäre in der Gladiatorenschule mit den Gesprächen zwischen den erschöpften Kämpfern ist irrwitzig in Szene gesetzt. Was für eine pervertierte Kameradschaft erleben wir da, wo doch beim nächsten Kampf nur einer von zweien überleben kann! "Diesem Afrikaner hast du es ja wirklich gegeben. Ich hatte einen dieser mickrigen Kleinasiaten. Kein Problem."
Neben den Gladiatoren-Protagonisten haben mich Thea und ihre Herrin besonders interessiert. Voller Arroganz lässt Lepida ihre Sklavin spüren, dass sie ein Nichts ist, dreimal weniger Wert als ihr Schmuck. Nicht schlecht gefallen würde ihr, sie hätte noch zwei nubische Sklaven, die ihr nach dem Einkauf ihre Päckchen nach Hause tragen ...
Thea hat ihren eigenen Stolz. Sie ist gebildeter als ihre Herrin, beherrscht neben Vulgärlatein auch Griechisch und Hebräisch. Welch seelischer Schmerz mag sie wohl belasten, dass sie das "Ritzen" braucht wie ein Süchtiger seine Drogen?
Ein Zusammenhang zwischen der Leseprobe und dem Romantitel "Die Hure des Kaiser" ist mir in den 30 Textseiten nicht klar geworden; so wie Lepida hier skizziert wird, hätte sie allerdings das Zeug, bei Hofe eine entsprechende Karriere hinzulegen ...
Fans historischer Romane werden Gefallen an diesem sprachlich und inhaltlich gut gestalteten Roman finden.