Werden wir uns wiedersehen?
Juni 1941: Litauen gehört seit einem Jahr zur Sowjetunion.
Die Eltern hatten eine böse Vorahnung und alles für die Flucht vorbereitet, doch die Geheimpolizei vereitelt ihre Pläne. Mit kräftigen Faustschlägen donnern Milizionäre gegen die Haustür. Zwanzig Minuten geben sie der Mutter und ihren beiden Kindern – der fünfzehnjährigen Lina (die Ich-Erzählerin) und dem zehnjährigen Jonas -, um etwas zu packen. Der kleine Junge versteht nicht, was um ihn herum geschieht. In Schulkleidung und mit dem Ranzen auf dem Rücken hat er sich für den Tag bereit gemacht. Lina packt ihren Schreibblock und Stifte, dabei vergisst sie aber das Brot. Und Mutter betet voller Angst.
Die Kippen der Soldaten landen auf dem blanken Wohnzimmerboden, und mit ihren Hacken zertreten sie sie. Das Bild ihrer Zukunft, jetzt ausgetreten wie unnützer Dreck – das sprengt jegliche Vorstellungskraft der kleinen Familie, aber noch flackert eine kleine Flamme Hoffnung in ihnen, dass schon nicht alles so schlimm werde.
Wo steckt bloß Papa? Er ist nicht von der Arbeit nach Hause gekommen. Man hatte die Männer nämlich getrennt von Frauen und Kindern in Zügen gen Sibirien verfrachtet.
Nun liegt Lina in ihrem Zugabteil. Da stubbst der siebzehnjährige Andrius sie mit seinen Schuhspitzen an: Er weiß, dass auf dem Nachbargleis des Streckenbahnhofs ein langer Zug aus Viehwaggons mit lauter Männern darin eingefahren ist. Vielleicht ist auch Andrius' Papa darin. Leise und umsichtig – überall patrouillieren Wachposten – klettern Lina, Jonas und Andrius ins Freie, und tatsächlich finden sie in einem Abteil Linas Papa. Durch das Abortloch reicht er seinen Kindern all seine Habseligkeiten: Jacken, Hemden, Strümpfe, ein Stück Schinken und seinen goldenen Ehering, den Mutter bei Bedarf verkaufen soll. Erschüttert kehren die Kinder zu ihrem Zug zurück. Ob sie Vater jemals wiedersehen werden?
Wie viele Jahre werden sie in der Verbannung leben müssen, isoliert in einem Dorf und ganz auf sich allein gestellt?
"Und in mir der unbesiegbare Sommer" ist ein Roman über die Willkürherrschaft in einem totalitären System. Der Stalinismus ist ein erschütterndes Stück Zeitgeschichte, das weder verdrängt noch vergessen werden darf. Denn auch nach dem Zusammenbruch fast aller sozialistischen Regimes beherrschen immer noch eine ganze Menge Diktatoren ihre bemitleidenswerten Völker, die man hungern lässt, deren Menschenrechte mit Füßen getreten, die gefoltert, deportiert, gemordet werden. Dieser Roman wird uns alle – Erwachsene und Jugendliche gleichermaßen – nicht loslassen.
Absolut empfehlenswert!
Der Carlsen-Verlag empfiehlt dieses Buch für Jugendliche ab 14 Jahren.