Rezension zu »Weihnachtsmärchen aus Bayern« von Alfons Schweiggert

Weihnachtsmärchen aus Bayern

von


48 originelle Weihnachtsgeschichten, märchentypisch erzählt, reich an Motiven, klar in der Moral, freundlich im Menschenbild – ein Hausbuch zum Vorlesen und Für-sich-Genießen. Wer für ein paar Stunden aussteigen will, findet hier eine leise, warmherzige, vergnügte, weise Gegenwelt.
Weihnachtliches · Teil der Serie »Weihnachtliches« · Bayerland · · 151 S. · ISBN 9783892515500
Sprache: de · Herkunft: de

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Die Einsamkeit des Schneemanns

Rezension vom 17.12.2025 · noch unbewertet · noch unkommentiert

Wussten Sie eigentlich, warum es im November so viel und so schmud­delig regnet? Das kommt daher, dass die himm­lischen Weih­nachts­vor­be­rei­tun­gen schon in vollem Gange sind: Die Englein müssen all die Lichter am Firmament ab­schrub­ben, selbst die Sonnen­scheibe waschen, damit sie wieder funkeln wie neu. – In genau diese freund­liche Logik taucht Alfons Schweig­gerts Samm­lung ein.

Auf 151 Seiten mit 48 Geschichten zwischen einer und zwölf Seiten lang wird viel erzählt – und nie das Ewig­gleiche. Die Plots sind durchweg originell, zumeist noch nie gelesen. Sie tragen sich heute und »früher« zu, bis hin zu Christi Geburt, und manche blenden gar bis in die Urzeit zurück. Viele Texte nehmen über­lieferte Stoffe auf, drehen eine Schraube weiter, kombi­nieren Motive über­raschend und mit Witz. Neben weih­nacht­lichem Stamm­personal begegnen uns der alte Frost und sein Sohn, ein Osterhase, dem zu Weih­nachten lang­weilig ist, die Niko-Laus, ein »Weih­nachts­kugel­leger« und ein »Christ­baum­gurken­weih­nachts­lied«.

Wie wird erzählt? Im märchen­typischen Ton, wie er aus dem volks­tüm­lichen Erzählen vertraut ist, in sehr ge­pfleg­tem Hoch­deutsch und nur ge­legent­lich mit dialek­talen An­spie­lun­gen. Alle Szenen sind liebevoll und sorg­fältig bis in die Details ausge­staltet, und immer wieder blitzen schöne poeti­sche For­mulie­run­gen auf. Man spürt den Spaß an Bildern, am Klang, an kleinen Refrains – ohne dass je ge­schwät­zig würde, was schlicht sein soll.

Wovon wird erzählt? Von Motiven, wie sie Volks- und Kunst­märchen seit jeher tragen: gute Kinder und böse Geister, verwöhnte Prin­zes­sin­nen und hart­herzige Könige, ver­liebte Knechte und zau­bernde Feen, arme Eltern und hilf­reiche Engel, die belebte Natur, heiße Wünsche und wun­der­liche Einfälle; auch der arme Poet in der Dach­kammer fehlt nicht. Religiöse Motive klingen häufig an, und oft zeigen die Ge­schich­ten, was rich­tiges Verhalten ist und bewirkt. Andere sind einfach nur lustig.

Die Grundlinie ist ein einfaches Moralgerüst, deutlich erkenn­bar, aber ohne Holz­hammer ver­mittelt: Fleiß, Treue, Freund­schaft, Ehr­lich­keit, Nächs­ten­liebe werden gerühmt und belohnt, Faulheit, Betrug, Raffgier und Drücke­berge­rei werden getadelt und bestraft. Was kann daran falsch sein? Das vorge­stellte Menschen­bild ist idea­lis­tisch: Alle hören einander zu, denken unvor­ein­ge­nom­men mit, sind neu­gierig und wiss­be­gierig, staunen und nehmen ernst, was ihnen an merk­würdi­gen Be­geben­heiten be­rich­tet wird. Wer diese Spiel­regeln nicht be­herrscht, ist hier nicht »ver­loren«, sondern darf eben noch lernen, sich als Mit­mensch zu verhalten.

Was tun mit diesem Buch? Fast alle Ge­schich­ten verlocken dazu, sie einem auf­ge­schlos­senen Kind vor­zu­lesen, das sich seinen Sinn für das Wunder­same be­wah­ren durfte. Wer Er­ho­lung braucht von täg­lichen Nach­richten, Angst­kam­pagnen, hohlem Mate­ria­lis­mus und den un­säg­lichen Dumm­heiten unse­rer Zeit­ge­nossen, kann hier ab­tauchen, Trost und Alter­na­tiven finden. Dieses Buch entführt in eine andere Welt – in ewig alte Motivik, Stim­mun­gen und kleine Weis­heiten, selbst wenn manche Erzählung Details unseres Alltags auf­greift. Kritische Leser mögen diese Art naiver Schön­heit und warm­herziger Ernst­haftig­keit als Kitsch abtun. Zugleich ist genau das der Punkt: Natur­gesetze sind aufge­hoben, und die heutige Welt mit ihrer groß­spurigen Politik, die an den eige­nen An­sprüchen scheitert, bleibt weit ent­fernt. Für ein paar Stunden ver­misst man nichts: keinen Glüh­wein­duft, kein Lichter­ketten­ge­flim­mer, keine aufge­blase­nen Weih­nachts­männer – und schon gar kein ach so smartes Telefon.

Dass die Sammlung so gut trägt, liegt an ihrer Mischung aus Erfin­dungs­lust und Ver­traut­heit. Schweig­gert variiert arche­typi­sche Muster, ohne sie zu ver­raten, und gönnt seinen Stof­fen immer wieder kleine Iro­nien am Rand. Die Titel allein machen neu­gierig: »Die strei­ten­den Ad­vents­kerzen«, »Die Ge­schichte von der rut­schi­gen Straße«, »Die drei Weih­nachts­schätze«, »Der Christ­mensch«, »Was das trau­rige Schaf ange­richtet hat«, »Der Kobold in der Christ­baum­kerze« – und viele mehr. Man kann die Ge­schich­ten einzeln pflücken oder im Advent täglich zwei nehmen: Die Länge lädt zum Vor­lesen ein, die Pointe lässt einen lächeln, und die stille­ren Stücke bleiben als warme Er­inne­rung.

Natürlich ist das alles nicht die Welt, wie sie ist. Aber es ist eine, die etwas mit unserer zu tun hat – nicht als Kommentar, sondern als Angebot: inne­zu­halten, das Staunen zu üben, den ein­fachen Anstand ernst zu nehmen. In dieser Hinsicht wirkt das Buch ganz gegen­wärtig. Es plädiert nicht, es zeigt. Und wenn am Ende die Schnee­flocken auf einen einsamen Schnee­mann fallen, dann spürt man das kleine Ziehen, das solche Ge­schich­ten behalten: eine heitere Melan­cholie, die nicht weh tut, sondern wärmt.


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