Rezension zu »Irgendwas geht immer« von Dawn French

Irgendwas geht immer

von


Belletristik · Ullstein · · Taschenbuch · 368 S. · ISBN 9783548283777
Sprache: de · Herkunft: gb

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Irgendwas ist nicht genug

Rezension vom 02.08.2012 · 2 x als hilfreich bewertet · noch unkommentiert

Die vierköpfige Familie Battle lebt in Pangbourne, einem kleinen Kaff in der englischen Grafschaft Berkshire. Mutter Maureen ist Psychologin in der Kinder- und Jugendtherapie. Ihr Mann Denys hält sich aus allem raus, zieht sich in sein Zimmer an den Computer zurück, spielt nur eine Nebenrolle, bekommt aber am Schluss seinen großen Einsatz und avanciert zum wahren Helden und Retter in der Not. Tochter Dora sehnt ihren 18. Geburtstag herbei, um endlich ihre Unabhängigkeit zu erlangen. Doch noch steht sie vor ihren Schulabschlussprüfungen. Oscar, der eigentlich Peter heißt, ist 16, fühlt sich als etwas Besseres und besonders zum eigenen Geschlecht hingezogen.

Das Buch ist schon in der britischen Originalausgabe ("A Tiny Bit Marvellous", Übersetzung von Andrea Brandl) richtig aufwändig und attraktiv gestaltet: Das Cover ziert mittig ein putziger schwarzer Terrier, drunter und drüber Titel und Autor in knallroter Krakelschrift, links und rechts des Hundchens je ein Zitat aus der Londoner Presse. Sogar Vorder- und Unterschnitt sind mit weiteren schwarzen Terriern und roten Rahmenlinien dekoriert. "Guck mal! Wie süß!" wird es entzückt aus zarten Mädchen-Mündern durch die Buchhandlungen juchzen. Was wird da so hübsch verpackt?

In Tagebuchform bringen die drei Hauptpersonen "Mo", Dora und Oscar abwechselnd zu Papier, was ihnen so während des Tages widerfahren ist. Die äußere Handlung ist spärlich, dafür sind alle umso mehr mit ihrem Innenleben, ihrem eigenen Mikrokosmos, ihrem unbefriedigenden Erscheinungsbild und den echten oder vermeintlichen Unzulänglichkeiten der anderen Familienmitgliedern befasst.

Maureen, die Fachfrau für Erziehungsfragen, scheitert in ihrem eigenen Haushalt. Zwar macht sie sich viele Gedanken und hat durchaus den Durchblick, doch dringt sie nicht wirklich zu ihren Kindern vor, ihre Erziehungsmethoden werden mit Spott und Unverständnis beantwortet. Als 49-jährige (reichlich früh) findet sie sich unattraktiv, glaubt, sie sei schon in den Wechseljahren. Naiv und dumm fällt sie - klischeehafter geht's kaum - auf das Liebesgesäusel des 30-jährigen Praktikanten Noel herein.

Dass Dora fast volljährig ist, mag man kaum glauben. Ihr permanentes Genörgel über ihr Aussehen, ihr Gemotze gegen die Mutter ("gemeinstes Miststück der Welt", "dumme Kuh" usw.) entsprechen eher dem Gebaren einer pubertierenden Dreizehnjährigen. Immerhin steht sie kurz vor den A-level-Prüfungen (unserem Abitur nicht unähnlich), müsste also in Schule und Elternhaus etwas Bildung erfahren haben; wer würde denn da immer noch naiv glauben, Schule sei überflüssig, die Welt warte auf einen, man habe zweifelsfrei das Talent zum Superstar? Doras Welt ist Facebook, die Seite, die immer mehr Freunde gewinnt. SEXYDORA ist ihr nickname, und ganz wie Mami fällt sie auf einen Typen namens X-man herein, mit dem sie chattet und später ein date verabredet. Natürlich erweist sich X-man als alter Sack. Dumm gelaufen ...

Oscar hasst seine Schuluniform, möchte sich lieber bei einem Londoner Schneider einkleiden und lebt ohnehin in einer anderen Welt. Er eifert seinem Vorbild Oscar Wilde nach, pflegt einen kultivierten (oder auch geschraubten) Sprachstil und verkehrt in der Schule bevorzugt in dem von ihm gegründeten Kreis der Zauberhaften, in dem sich auserwählt schöne und (pseudo-) intelligente Mitschüler versammeln. Mutters neuer Praktikant Noel ist der Traum seiner schlaflosen Nächte - eine Liebe, die erobert sein will. Während Dora für ihr Alter zu doof herüberkommt, erscheint Oscar-Peter vor allem sprachlich zu hochtrabend.

Die einzige Person, die passend, sympathisch und glaubwürdig gezeichnet ist, ist Großmutter Pamela. Und hinter Lisa, der Sekretärin in Maureens Praxis, versteckt sich ein bisschen schräger, schwarzer Humor. Sie führt das Regiment im Outfit eines Großwildjägers, stapft in Kampfstiefeln mit Pistole im Gürtel durchs Büro, als komme sie geradewegs aus einem Monty-Python-Film.

"Irgendwas geht immer" bezieht seinen Reiz in erster Linie aus den durchaus witzigen Formulierungen. Außerdem ist es ganz nett zu lesen, wie die Pläne, Erwartungen und Taten der Personen einander kreuzen, überschneiden, vereiteln oder sich einfach nur voneinander unterscheiden. Manches kennt man aus dem Alltag - hier notorische Ablehnung, typische Selbstüberschätzung, frecher Ton der Jugendlichen, dort übertriebene Besorgnis, mangelndes Verständnis, zu drastisches oder auch ausbleibendes Eingreifen der Eltern. Aber hier ist alles etwas vage, spielerisch, überzogen - unterhaltsame Comedy.

Übrigens: Was besagen eigentlich die Pressezitate auf dem Cover? Die Sunday Times findet das alles "extremely funny" (auf dem Original-Cover) - eine 08/15-Phrase, die sehr, sehr phantasievoll übersetzt wird als "charmant, rasant, urkomisch" (deutsches Cover). Dafür heißt es ganz brav "Eine verrückte Liebeserklärung an die Familie", was mit dem dröhnenden "Fantastic slam-dunk page turner" der Mail on Sunday keinerlei Schnittmenge hat. Das sind doch radikale Bedeutungsänderungen und nicht mehr die Originalzitate - die werbeträchtigen Quellenangaben aber wurden beibehalten ...

I'm so sorry: Typisch englischen Humor kann ich in diesem Buch nicht finden. Es bietet nettes, aber harmlos-oberflächliches Allerwelts-Familiengeplänkel.


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