Blut Salz Wasser
von Denise Mina
Detective Inspector Alex Morrow ist ein kleines Licht bei der schottischen Polizei. Anders als die Leute, denen sie auf der Spur bleiben soll: internationale Geld- und Drogenschieber, die hemmungslos zulangen (lassen). Wer hätte so etwas zwischen River Clyde und den Bonnie Banks of Loch Lomond erwartet?
Keine Romantik am Clyde
Von gesunder Meeresbrise umspielt, liegt das schottische Städtchen Helensburgh idyllisch am Nordufer des Clyde-Flusses, der sich hier, von Glasgow herströmend, zum Kilometer breiten Firth of Clyde erweitert. Im Nordosten beginnt gleich hinter der Stadtgrenze der Loch-Lomond-and-the-Trossachs-Nationalpark. Hier wohnen Glasgow-Pendler, Marineangehörige, reiche Ruheständler. Nur in Edinburgh sind die Immobilienpreise noch höher. Denise Mina, 1966 in Glasgow geborene Schriftstellerin, lehrt uns, dass man nicht einmal hier friedlich und gefahrlos lebt.
Gleich zum Einstieg fahren drei Typen, die einander kaum kennen, im Transporter vor und holen eine junge Frau aus dem Haus, die sich ihnen »folgsam wie ein Kalb« anschließt. Kurze Zeit später wird sie auf einem Bootssteg am Loch Lomond brutal erschlagen. Einer der drei bereute schon vorher, was ihn erwartet, und die Schmerzen, die er selber verspürte, während er ihren Schädel zertrümmerte, »so wie er früher junge Fische erlegt hatte«, werden ihn bis zum Ende des Romans nicht mehr verlassen.
Szenen- und Ortswechsel. Alex Morrow »könnte hier in Unterhosen sitzen, und niemand würde es merken«. Als einfache DI (Detective Inspector) kann sich die Mutter von Zwillingen gebauchpinselt fühlen, dass man sie überhaupt eingeladen hat. Die anderen in dieser Teambesprechung sind die drei mächtigsten Bosse der Police Scotland in Glasgow. Es geht um sieben Millionen Pfund, die am Fiskus vorbeigeschleust, irgendwo gewaschen wurden und dann auf Nimmerwiedersehen verschwunden sind. Der Fall soll in den Händen der Schotten bleiben, ohne dass die übergeordnete Metropolitan Police Wind davon bekommt. DI Morrow ist nur insofern im Spiel, als sie seit gut einem Monat eine Person in Glasgow überwacht, die die Met für höchst verdächtig hält.
Alex Morrows Zielperson ist die kürzlich zugezogene Roxanna Fuentecilla. Die gebürtige Spanierin kam mit Freund und zwei Kindern nach Großbritannien und ließ sich in London nieder. Man lebte auf großem Fuße und verkehrte in gehobenen Kreisen. Roxanna schloss Freundschaft mit Maria Arias, der Gemahlin eines kolumbianischen Diplomaten, und jettete mit ihr zwischen Barcelona und London hin und her. Schmuggelten sie im unantastbaren Diplomatenkoffer Drogen? Finanzierte das Ehepaar Arias damit seine außergewöhnlichen Auto- und Immobilienkäufe? Die Met kam der »Goldader« illegaler Einkünfte nicht auf die Spur.
Nach dem unvermittelten Umzug nach Glasgow kaufte Roxanna eine »rentable Versicherungsagentur«. Die Investitionssumme (sieben Millionen) wurde auf verschlungenen Wegen von diversen Konten auf den Cayman-Inseln überwiesen, aber das Ursprungskonto gehört Maria Arias. Da jetzt die Police Scotland zuständig ist, sollen DI Morrow und ihre Kollegen herausfinden, wie die Betrügereien zusammenhängen und welche Rolle Roxanna dabei spielt. Gut, dass in so einer hochrangigen Konferenz DI Morrows unmaßgebliche Meinung nicht gefragt ist. So kann sie sich bedeckt halten und den letzten Stand der Dinge für sich behalten. Er ist kein Ruhmesblatt.
Denise Mina erzählt in ihrem vielschichtigen Kriminalroman »Blood Salt Water« (den Zoe Beck ins Deutsche übersetzt hat) abwechselnd von der geradlinigen, ihren Beruf mit Hingabe ausübenden Polizeibeamtin Alex Morrow und den anfangs schwer zu durchschauenden Ereignissen in Helensburgh. Dorthin verlagert DI Morrow ihre Ermittlungen nach dem Leichenfund am Loch Lomond. Das malerische Erholungsgebiet mit Golfplatz entpuppt sich als schwer zu durchschauendes Konglomerat aus braven Bürgern, bodenständigen Bauern, abgehobenen Millionären und einer Clique zwielichtiger Gestalten, die keinerlei Skrupel kennen. In einigen Episoden kommen wir diesen Charakteren sehr nahe.
Denise Mina ist für mich eine Entdeckung, deren weiteren Weg ich beobachten werde. Sie hat einen ausgefallenen, komplexen Plot überzeugend ausgearbeitet und serviert die Handlung virtuos in Form kleinster Bausteine, die anfangs zusammenhanglos erscheinen, sich aber im Verlauf des Romans zu einem vollständigen Bild fügen wie Puzzlesteinchen. Alle Fäden laufen in Helensburgh zusammen – übrigens im Jahr 2014 kurz vor dem Referendum zur schottischen Unabhängigkeit. Die nach geografischer Herkunft, sozialem Hintergrund und anderen Motiven gespaltenen Meinungen dazu schaffen Lokalkolorit und politische Brisanz.
Die Autorin formuliert einfühlsam, kreativ und originell. Sie bevölkert ihre Geschichte mit lebensnahen, gut profilierten Figuren, darunter skrupellose Verbrecher, die sich selber die Finger nicht schmutzig machen, und geradezu bemitleidenswerte Bösewichte, die irgendwie nicht anders können. Selbst nach jahrelangen Gefängnisaufenthalten fahren sie auf der schiefen Bahn weiter und können die Spur nicht wechseln.