Rezension zu »Wie Mr. Rosenblum in England sein Glück fand« von Natasha Solomons

Wie Mr. Rosenblum in England sein Glück fand

von


Belletristik · Kindler · · Gebunden · 384 S. · ISBN 9783463405780
Sprache: de · Herkunft: gb

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Happiness is being British

Rezension vom 20.02.2011 · 3 x als hilfreich bewertet · noch unkommentiert

Betrachtet man Natasha Solomons' Buch "Wie Mr. Rosenblum in England sein Glück fand", so vermittelt schon das Äußere einen Eindruck von Britishness at its best. Im oberen Drittel des Covers sehen wir eine blau gewandete männliche Figur und eine weibliche im roten Sommerkleid, die sich soeben begegnet sind – unter dem Schattendach zweier Laubbäume auf einem grünen Hügel. Die grüßende Hand des country gentleman in knickerbockers berührt noch die Kappe, während die Dame bereits an ihm vorübergegangen ist. Über allem tummeln sich Schwalben. Im unteren Teil der Titelseite und auf den inneren Umschlagseiten ranken Blumen. Das gesamte Dekor in zarten Pastellfarben strahlt Laura-Ashley-Charme aus; man assoziiert Cornwall und Rosamunde Pilcher.

Die Romanhandlung ist zwar in dieser Idylle angesiedelt, erzählt aber von zwei konträren Persönlichkeiten, deren Zukunft ungewiss, deren gemeinsames Leben steinig ist, die sich aber durch alle Krisen hindurch gegenseitig stärken und wiederfinden.

Das blau-rote Paar auf dem Titelblatt könnte die beiden Protagonisten Sarah und Jakob Rosenblum sehr gut repräsentieren. 1937 sind sie mit ihrer Tochter Elizabeth von Berlin nach London emigriert. Jakob will sich möglichst schnell assimilieren. Die Sitten und Gebräuche der Engländer zu übernehmen wird ihm geradezu zur Obsession. Punkt für Punkt arbeitet er die Informationen in einer hilfreichen Broschüre ab und ergänzt sie mit eigenen Erfahrungen. Das ist sehr nett zu lesen, weil sich dem Leser eine Charakteristik des Engländers erschließt. Jakob nennt sich nun Jack, trägt feinen Zwirn, spricht Englisch, so gut es mit deutschem Akzent eben geht, besitzt eine gut gehende Teppichfabrik und hat den Ausländerstatus Kategorie C.

Zum wahren englischen gentleman gehört der Mitgliedsausweis eines angesehenen Golfclubs. Erst dann, findet Jack, hätte er sein Glück endlich gefunden. Starrsinnig reicht er jede Menge Bewerbungen ein. Unter dem Pseudonym eines Professors erhält er sofort eine Zusage, doch als er sich als Jude outet und als kleinen Beitrag Gratisteppiche anbietet, muss er eine zutiefst demütigende Reaktion einstecken: "Erst machen sie Geld auf dem Schwarzmarkt, klauen unsere Sachen, um sie dann wieder an uns zurückzuverkaufen!" Nun kann er seinen Platz auf der Warteliste wohl endgültig vergessen, denn eine Zusage erwartet ihn in etwa 27 Jahren ...

Nach einer kurzen Phase der Niedergeschlagenheit nimmt Jack sein Problem selbst in die Hand. In Dorset kauft er ein cottage mit mehreren Hektar Land, um seinen eigenen Neun-Loch-Golfplatz zu bauen. Die Fertigstellung plant er für den 2. Juni 1953, denn an jenem Tag wird Elisabeth II. zur Königin gekrönt werden. Während er wie ein workaholic von früh bis spät Mauswurfshügel einebnet, Erde von hier nach da schaufelt, Rasen sät, das erste Loch vollendet, entfernt sich Sarah mehr und mehr von ihm. Sie kann ihre Vergangenheit nicht vergessen. Fotos und Kuchenbacken halten Erinnerungen wach an ihre Familie, die in Berlin zurückbleiben musste. Trotz der Idylle und ihrer Freude an Flora und Fauna ist sie zutieftst verstört, unglücklich, einsam und unverstanden. Sie will Jüdin bleiben; die Rituale der jährlichen Festtage bedeuten ihr viel, und immer wieder äußert sie den Wunsch, nach Israel auszuwandern, was aber für Jack niemals in Betracht kommt. In ihrer Verzweiflung läuft sie im eisigen Winter dünn gekleidet zum Fluss und erfriert fast.

Sehr eindrucksvoll hat Natasha Solomons ihre beiden Hauptcharaktere geschaffen. Jack will nicht mehr sein, was er eigentlich ist: ein jüdischer "Kraut". Mit Willenskraft und "Dauerfröhlichkeit" kämpft er wie ein Berserker dagegen an. "Und für was?", fragt ihn Sarah. Es schmerzt sie, wie glücklich er ist, welche Ehre er empfindet, als er bei Sir William, einem Adligen, eingeladen wird – und nicht merkt, dass man sie allein zur Belustigung der Gesellschaft geladen hat ...

Neben ihm lebt die sensible Sarah, für die es keine Gegenwart gibt. Ihr Leben in Deutschland ist die Zeit davor, das in England die Zeit danach. Ihre Trauer und ihre Gedanken an das "Davor" geben dem Buch eine leise Melancholie.

Eingebettet ist die gesamte Handlung in die wunderschöne Naturlandschaft Dorsets. Jedes Blümlein, das im Frühjahr nach und nach aus dem Boden sprießt, beschreibt die Autorin so farbenprächtig, dass man sich am liebsten einen Strauß pflücken möchte. Der Duft der Rosen, die Sarah liebevoll gepflanzt hat, betört unsere Nasen. Nie würde sie ein Unkraut ausreißen – ist ihr doch nur allzu gegenwärtig, wie man ihre Familie als lebensunwürdig angesehen und vernichtet hat.

Ein einfühlsamer, berührender Roman über die Suche nach dem Glück. Thoroughly British wird Jack wohl nie werden, und Sarah wird ihre Heimat Deutschland immer vermissen. Erst beider Tochter Elizabeth kann in sich dieses Glück vereinen. Als die Mutter gestorben, der Vater alt, der Golfplatz verwildert ist, kommt sie – 53-jährig – dort an. Mit Jack durchwandert sie den sonnendurchfluteten Garten und hält liebevoll Mutters vererbtes Kochbuch in Händen – kann es aber kaum lesen, da sie die deutschen Worte nicht versteht.


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