Weihnachtsmusik für Seele, Herz und Verstand
Sting kennt jeder. Seit er 1951 in einfachen Verhältnissen geboren wurde, hat er offenbar nicht einen Tag geruht, sondern sich beständig weiterentwickelt. Schulen, diverse Berufe, Jazz, Rockbands, Soloalben, Musicals, Filmmusiken, Schauspielerei, politische und humanistische Aktivitäten … Seine Biografie ist ein breiter Strom.
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und Weihnachtszeit finden Sie hier.
Jazz hat ihn immer begleitet und beeinflusst; immer stärker aber wurde sein in den Neunziger Jahren erwachendes Interesse an klassischer Musik und Themen aus der Renaissance. 2006 erschien sein Album »Songs from the Labyrinth«, auf dem er Lieder des elisabethanischen Komponisten John Dowland zur Laute singt und Ausschnitte aus Liebesbriefen von Henry VIII vorträgt.
»If on a Winter’s Night« (2009) ist das Produkt eines reifen, gebildeten, ambitionierten Vollblutmusikers, der längst seinen unverkennbaren Stil entwickelt hat. Auf diesem Album vereint er uralte britische Lieder und eigene Kompositionen zu einem anspruchsvollen und spannenden Hörerlebnis, das Wärme und Staunen in Ihr winterliches Heim bringen wird.
Da sind Lieder, die erschüttern – Schuberts »Leiermann« (»Hurdy Gurdy Man«) aus der »Winterreise« sowieso, aber auch hierzulande unbekannte wie Robert Louis Stevensons Gedicht von den schottischen Seeleuten, die am Weihnachtsabend in stürmischer See an ihre Familien denken (»Christmas at Sea«). Oder »The Burning Babe«, die weihnachtliche Vision eines »brennenden Kindes«, ein atemberaubendes Konzept christlicher Symbolik, gedichtet von dem elisabethanischen Jesuiten Robert Southwell. Sting dramatisiert diese Erzählungen mit seiner klagenden Stimme und bisweilen geradezu manierierter Artikulation. Die Instrumentierung erzeugt überraschende Klänge aus keltischen, orientalischen, dann wieder jazzigen Motiven über einem dezenten Rhythmusteppich.
Andere Stücke vibrieren vor musikalischem Leben. Zwar beherrscht Moll die Klangfarben, aber der jazzige Drive und die flirrende Instrumentierung reißen mit. »Soul Cake« sangen die zu Allerseelen von Haus zu Haus ziehenden »soulers« (Kinder und Arme) und erbettelten »soul cakes« (kleine Gewürzküchlein) oder andere milde Gaben. Sting macht daraus ein flirrendes Spektakel, in dem das nicht minder populäre »God Rest Ye Merry, Gentlemen« den Kontrapunkt liefert.
Eine ebenfalls erstaunliche Geschichte erzählt das meisterlich schlicht zur Gitarre vorgetragene »Cherry Tree Carol«. Auf ihrem Weg nach Bethlehem fordert die geschwächte Maria ihren Ehemann Joseph (»an old man«) auf, ihr ein paar Kirschen zu pflücken. Aber Joseph hat keine Lust: »Let the father of your baby / Gather cherries for thee«. Da schreitet der kleine Jesus in Marias Leib vermittelnd ein und fordert die Kirschzweige auf, sich zu seiner Mutter herabzubeugen. Joseph ist platt. Auf seine Frage an das Kind, wann es denn geboren werde, erfährt er: »On fifth day of January … And the stars in the heavens / Shall all bow down to me«.
Diese Lieder hatten schon Tiefe, als Peter, Paul and Mary sie vortrugen; bei Sting gehen sie unter die Haut.
Dazwischen geben Passagen in vergleichsweise traditionellem Satz und doch ganz eigenem Sting-Sound Gelegenheit zum Meditieren. Dazu gehören zwei Gedichte in der Originalvertonung von Henry Purcell (Thomas Bettertons »Now winter comes slowly« und John Drydens »Cold Song«) sowie »Lo how a Rose e’er Blooming« (»Es ist ein Ros’ entsprungen«).
Sting hat alle Lieder dieser CD und weitere in der Kathedrale von Durham live aufgeführt; davon gibt es eine schöne Doppel-DVD; Näheres dazu weiter unten.
02 Soul Cake
03 There is No Rose of Such Virtue
04 The Snow it melts the soonest
05 Christmas at Sea
06 Lo how a Rose e’er Blooming
07 Cold Song
08 The Burning Babe
10 The Hounds of Winter
11 Balulalow
12 Cherry Tree Carol
13 Lullaby for an anxious child
14 Hurdy Gurdy Man
15 You only cross my mind in winter
Doppel-DVD »A Winter’s Night – Live from Durham Cathedral«
Inhalt wie die CD; dazu: Intro – Ghost Story – Team Spirit – Bethlehem Down – Coventry Carol – I Saw Three Ships
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