Anregender Geschichtsunterricht
Loel Zweckers Motivation, einen Roman der "kleinen Weltgeschichte" zu schreiben, entstand nach einer Umfrage bei Freunden und Bekannten: Wann haben sie sich zum ersten Mal als Teil der Geschichte empfunden? Die meisten Antworten wären mir auch eingefallen: Mauerbau und Mauerfall, die Geschichte der RAF usw. Mich selber hat die Kubakrise im Jahr 1961 lange Zeit beschäftigt. Als kleines Schulmädchen lag ich gerade im Krankenhaus und spürte täglich die Angst des Personals. Erst später verstand ich, wie brisant und komplex die weltpolitische Situation gewesen war.
Eben solche Zusammenhänge möchte Loel Zwecker auf einfache und unterhaltsame Weise erzählen, ohne zu trivialisieren. Das Buch ist in fünfzehn Kapitel eingeteilt, in denen der Autor Fakten und Ereignisse aus fünf Jahrtausenden der Menschheitsgeschichte wiedergibt. Der Sprachstil ist journalistisch-feuilletonistisch. Aufgelockert wird das Ganze, indem er einzelne Persönlichkeiten aus Kultur, Politik, aber auch einfache Leute selbst zu Wort kommen und ihre eigene zeitgenössische Sichtweise wiedergeben lässt.
Die Erdgeschichte und die Evolution durchrast Zwecker in Lichtgeschwindigkeit, bevor er mit Kapitel eins seinen Roman beginnt: "Vom Alphamann zum Alphabet. Ägypten, Mesopotamien und Palästina - die frühen Hochkulturen im Nahen Osten: Schrift ist Macht". Dann folgt ein kurzer Abriss über die gesellschaftlichen Auswirkungen des Buchdrucks, auch auf die Königshäuser im ausgehenden Mittelalter; z.B. waren nicht alle hohen Herren des Lesens mächtig, also wurde ihnen vorgelesen.
Im Mittelpunkt von Zweckers Darstellungen steht auf den vorliegenden Seiten immer wieder die Bedeutung des Lesens. "Bildungsexperten schlagen Alarm", schreibt er: Die Unlust am Lesen nimmt erschreckend zu. Die Nutzung der Medien wird zum überwiegenden Zeitvertreib. Der Mensch ist aber auch kein "Lesewesen": Die Sitzhaltung schadet seiner Gesundheit, Haltungsschäden, Verdauungsprobleme, Belastung der Augen können Verdruss machen.
Aber Lesen ist Macht, mit der man eine gesellschaftlich hohe Position einnehmen kann. Dies galt schon in Ägypten, dem ersten Beamtenstaat. Nach der kulturellen Blüte wird das Land von einer Völkerwanderung aus dem Balkan und der Ägäis überschwemmt; ab dem 1. Jahrtausend v. Chr übernehmen Fremdherrscher aus Libyen und Persien die Regierung, und mit Alexander dem Großen und den Römern beginnt der schleichende Untergang des einzigartigen ägyptischen Reichs.
Auf kurzweilige Weise können wir lesen, was wir noch nicht wussten, was wir fast vergessen hatten, worüber wir genauestens Bescheid zu wissen glaubten. Auch Experten werden Spaß an diesem Buch haben. Die essayistische Aufbereitung der Geschichte, die interessanten Gedankengänge, Querverbindungen und Verknüpfungen lassen die Stoffmenge (384 Seiten mit Abbildungen) durchaus locker und leicht bewältigen. Als "Bonus-Track" gibt es z.B. eine Übersicht über Hieroglyphen mit Umschrift und sogar ihrer vermuteten Aussprache (!).
Vielleicht genießen Sie das Buch in Liegeposition. Etwas Muskelkater in den Armen ist doch zu ertragen ...