Eine schöne alte Familientradition
Der jüdische Junge Bernie Karp steckt voll in der Pubertät. Er ist dick, hat eklige Aknepusteln im Gesicht und weiß mit seinen erotischen Fantasien nicht wohin. Er hat schon alles Mögliche ausprobiert, und nun hat er in einer Zeitung eine Variation der Selbstbefriedigung mit einem Stück Leber entdeckt. Im Keller seines Elternhauses öffnet er also die Gefriertruhe und durchwühlt sie auf der Suche nach dem Stück Fleisch. Ganz tief am Boden entdeckt er einen großen Eisblock, in dem sich ein alter Mann befindet mit "hagerem Falkengesicht, gelblichem Bart, einer Mütze, die einem Damenmuff sehr ähnelte". Erst überfällt ihn der Schrecken, aber dann stellt sich seine alltägliche Lethargie wieder ein. Was geht's ihn schließlich an, welch schmutziges Geschäft seine Eltern im Keller treiben.
Doch beim gemeinsamen Abendessen bricht er völlig unerwartet sein mürrisches Schweigen und fragt nach. Vater Karp erklärt: "Ach, das Ding, es ist ein Erbstück. Manche Menschen haben präparierte Haustiere im Speicher, wir haben einen gefrorenen Rabbi im Keller. Eine alte Familientradition." Dies geschieht im Jahr 1999.
Nun springt die Leseprobe zurück in die Jahre 1889-1890:
Rabbi Elieser ben Zephir, ein heiliger Mann (das Boibiczer Wunder), legt sich am Rand eines Weihers zu Boden, um zu meditieren. Der Welt entrückt, bemerkt er nicht, dass Sturm und Wolkenbruch ihn umtosen, dass das Wasser steigt, dass er langsam von den Fluten überspült und schließlich hinweg getragen wird. Verschwunden ist der geistige Führer der Gemeinde! Alle suchen ihn, tagelang, aber ergebnislos. Was können sie noch tun? Den Rabbi können sie nicht mehr fragen, weder Heilige Schrift noch Thora geben Auskunft.
Eines harten Winters friert der Weiher zu, und Josl, der Witwer, möchte gerne Blöcke aus dem Eise schneiden. Nachdem der Herr Baron, dem der Weiher und die angrenzenden Güter gehören, seine Erlaubnis erteilt hat, macht sich Josl mit seinem nichtsnutzigen Sohn Salo an die Arbeit. Während Vater schuftet, streunt Salo am Ufer entlang und entdeckt zufällig den Rebbe im Eis. Die Gemeinde beschließt, ihn nicht aufzutauen, sondern ihn in einem Eiskeller aufzubahren; dort liegt er sicher. Doch die Bevölkerung ahnt nicht, welches Grauen auf sie zukommt: Die Russen töten alle, metzeln sie sadistisch nieder. Nur Salo, der beim Rabbi im Eiskeller war, bleibt übrig. Er bringt ihn in einem Sarg auf einem Karren ins polnische Lodz.
Wie aber gelangt der Rabbi in die amerikanische Familie Karp? Nach einem Stromausfall steigt er aus der Truhe, nach 100 Jahren Dornröschenschlaf. Wie wird er in der modernen Welt zurande kommen? Außerdem hat er ein Recht, die jüdische Gemeinde zu führen, denn schließlich ist er der heilige Elieser ben Zephir. Wie wird er das einfordern?
Viel skurriler und makabrer Erzählstoff mit einem Beigeschmack von Bitterkeit für einen Roman, der das Leid der Juden über Jahrtausende nicht ausspart.