Rezension zu »Schwesterherz« von Anna von Planta [Hrsg.]

Schwesterherz

von


Dreizehn Varianten der unendlich vielfältigen Beziehungen zwischen Schwestern.
Anthologie · Diogenes · · 352 S. · ISBN 9783257261721
Sprache: de · Herkunft: ch

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Ungewöhnliche Verwandte

Rezension vom 02.06.2023 · 2 x als hilfreich bewertet · noch unkommentiert

Diese kleine Anthologie mit Erzählungen zum Thema »lebens­lange Schwes­tern­bande« erlebt bereits ihre zweite Edition. Die erste erschien im September 2018. Für die aktuelle Neu­aus­gabe hat die Heraus­geberin Anna von Planta einige wenige Autoren und ihre Ge­schich­ten durch neue ersetzt, und der Diogenes-Verlag hat das Buch zu einer kleinen, feinen Deluxe-Version mit Lese­bänd­chen aufge­wertet. Noch mehr als zuvor bietet sich das Büchlein, das in jede Hand­tasche passt, als Geschenk zwischen liebenden Schwes­tern­herzen an.

Doch Vorsicht: Dies ist keine kitschige Geburts­tags­karten­lyrik mit launig ver­pack­ten Alltags­weis­heiten und betuli­chen Sprüchen aus dem Poesie­album, um Harmonie zu eta­blieren. Die be­schenk­te Schwes­ter muss schon von ihrer indi­viduel­len Befind­lich­keit abstra­hieren können und einen Sinn haben für ein Präsent, das ihr keine persön­liche Botschaft über­mittelt, sondern mögliche Spiel­arten eines ganz spe­ziellen Typs von Verwandt­schafts­bezie­hun­gen illus­triert.

Zwischen den stabilen Buch­deckeln sind auf fast 350 Seiten dreizehn Ge­schich­ten abge­druckt. Sie stammen fast alle aus dem 20. Jahr­hun­dert und wurden von bekannten Größen englisch-, franzö­sisch- und deutsch­sprac­higer Literatur ge­schrie­ben. Fünf der acht Auto­rinnen und vier der fünf Autoren leben noch. Die Erzäh­lungen führen uns vor Augen, wie viel­fältig sich das Verhält­nis zwischen Schwes­tern ent­wickeln kann. So unter­schied­lich wie die inhalt­liche Ausprä­gung zwischen heiteren und tragi­schen Plots, so ab­wechs­lungs­reich ist die litera­rische Gestal­tung der Erzäh­lungen zwischen nüch­ternem und gefühl­vollem Ton, zwischen Dekor und Sach­lich­keit, zwischen Klartext und subtiler Ironie.

Stellvertretend für das breite Spektrum seien hier nur drei Ge­schich­ten vorge­stellt.

In »Liebe Schwester« beschreibt die 1937 in Wien gebo­rene Renate Welsh mit spitzer Feder eine kompli­zierte Beziehung zwischen Zuneigung, Bos­haftig­keit, Rivalität, Routine und Ab­hängig­keit. Josefa (»Sefa«) und Karla, beide verwitwet, wohnen seit Langem in der ehema­ligen elter­lichen Wohnung in einem wohl­haben­den Wiener Bezirk. Sie sind einander in vielen Kleinig­keiten ähnlich, ein über die Jahre einge­spiel­tes Team und im Alltag aufein­ander ange­wiesen, das wissen sie genau. Obwohl beiden Damen das Alter in den Knochen steckt, will keine Schwächen erkennen lassen, und beide genießen es, wenn sie der anderen einmal wieder eins aus­wischen können. Sefa ist belast­barer und reibt Karla gerne hin, was sie leistet. Statt Anerken­nung erntet sie jedoch die bissige Unter­stellung, Sefa fühle sich doch glücklich als Märty­rerin. Umgekehrt fehlt der pragma­tischen Sefa jedes Ver­ständ­nis für Karlas Vorliebe, sich stilvoll auszu­drücken. Unter­schied­liche Empfin­dungen und alte Eifer­süchte­leien kommen auch hoch, wenn sie sie sich an ihre Kindheit und ihre Eltern erinnern. So kabbeln sie sich den lieben langen Tag, um sich des Abends wieder zu versöhnen: »Sie umarmten einander, als wären sie monate­lang getrennt gewesen.«

Einen ganz anderen, zu Herzen gehenden Tenor hat die Auftakt­geschich­te »Meine Schwester Kate«, in der Jodi Picoult eine ethische Extrem­situa­tion kon­struiert. Die Kinder Kate und Jesse sind das ganze Glück ihrer Eltern – bis Kate an Leukämie erkrankt und nichts mehr ist, wie es einmal war. Keine der Opera­tionen und Therapien, die fortan den fami­liären Alltag bestimmen, kann Kate retten. War es da nicht eine weise Vorkeh­rung, dass die Eltern dreizehn Jahre zuvor dem ärztli­chen Rat gefolgt sind und ein genetisch maß­geschnei­dertes Re­torten­baby gezeugt haben? Sie nannten das lebende Ersatz­teil­lager Anna, und längst weiß das Mädchen Bescheid, dass es nur »zu einem be­stimm­ten Zweck geboren wurde«. Aber natürlich ent­wickelt es einen eigenen Willen und beschrei­tet Wege, ihn durch­zuset­zen. Anderer­seits stehen Anna und Kate einander sehr nahe, und beide wollen für die andere nur das Beste.

Die Verfasserin des ältesten Texts ist Jane Austen (1775-1817), die aner­kannte Meiste­rin des süffi­sant-satiri­schen Spiels mit subtilen familiä­ren Bezie­hungen und sozialen Konven­tionen ihrer Gesell­schaft. In »Die drei Schwes­tern« lesen wir von den Verwir­rungen, die der Heirats­antrag des wohl­haben­den Mr Watts an Mary Stanhope auslöst. Zwar wäre sie als seine Gemahlin versorgt – eine wichtige Sicher­heit für Frauen der damaligen Zeit –, aber sie liebt den wenig attrak­tiven Mann nicht. Würde sie das Arrange­ment ablehnen, könnte er hingegen eine der beiden jüngeren Schwes­tern wählen – eine soziale Nieder­lage, die sie nicht ertragen könnte. Was viel­leicht als aus der Zeit gefal­lene Thematik erschei­nen mag, ist in Teilen durchaus voraus­schau­end. Mary verhan­delt erstaun­lich selbst­be­wusst ihren Vorteil heraus, und auch die litera­rische Form ist beein­druckend: Die Erörte­rung der Optionen und Vorstel­lungen – teils kühn und unge­wöhn­lich, teils boshaft – wird in dieser Erzählung nicht unter den han­deln­den Personen ausge­tragen, sondern in vier Briefen an Freun­din­nen berichtet.


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