Rezension zu »Zeuge des Spiels« von Daan und Thomas Heerma van Voss

Zeuge des Spiels

von


Ein Vater wird beschuldigt, seine Frau erstochen zu haben. Sein Sohn wird ein paar Jahre später des Mordes an einer jungen Frau angeklagt. Gibt es Zusammenhänge? Um Schuld und Unschuld, Wahrheit und Täuschung, eine schwierige Vater-und-Sohn-Beziehung und eine Ermittlerin unter Druck geht es in diesem Kriminalroman, den die Brüder Heerma van Voss ausgetüftelt haben.
Thriller · Schöffling & Co. · · 304 S. · ISBN 9783895612084
Sprache: de · Herkunft: nl

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Ein Geheimnis und viele Rätsel

Rezension vom 21.10.2018 · noch unbewertet · noch unkommentiert

Geschichte, sagen viele, wiederhole sich. Wiederholen sich auch dramatische Individual­schick­sale, und das gleich in zwei aufein­ander folgen­den Genera­tionen? So etwas suggerieren die nieder­ländi­schen Brüder Daan und Thomas Heerma van Voss in ihrem Kriminal­roman »Zeuge des Spiels«. Ziemlich unge­wöhn­lich ist nicht nur der Plot, sondern die gesamte Hand­lungs­auf­berei­tung, die Raum für allerlei Spekula­tionen lässt.

Auf den Punkt gebracht geht es um zwei parallel anmutende Morde, begangen im Abstand von ein paar Jahren. Im ersten Fall wird der Psychiater Aron Mulder in den Nieder­landen beschuldigt, seine Ehefrau umgebracht zu haben, im zweiten Fall soll sein Sohn Alexander in den USA seine Freundin getötet haben. Der Vater wird nach der Unter­suchungs­haft wegen Mangels an Beweisen in die Freiheit entlassen, doch der Verdacht einer Schuld bleibt als lebens­langer Makel an ihm haften. Der Sohn dagegen wird, obwohl er bis zum Schluss seine Unschuld beteuert, in Louisiana zum Tode durch die Giftspritze verurteilt.

Zwar hat die vorwitzige Rezensentin hiermit das grausame Ende des Sohns verraten, doch damit nimmt sie dem Roman nicht seine Spannung. Denn die polizei­lichen Ermitt­lungs­bemü­hungen um die Täterschaft bilden nur einen der Stränge des Romans und führen im Übrigen keineswegs zu einfachen Wahrheiten. Den inhalt­lichen Schwerpunkt legen die beiden Autoren­brüder dagegen auf die gebrochenen, viel­schich­tigen Charaktere ihrer Figuren, die ihrerseits manches Rätsel aufgeben.

Die Handlung setzt mit einer turbulent-exotischen Szene ein und führt schnur­stracks zum ersten Todesfall. New Orleans vibriert und tanzt und jazzt im chaotisch-schwüls­tigen Mardi-Gras-Lärm, mittendrin im Getriebe ein Mann in Voodoo-Kostüm mit einer Halskette aus Streich­hölzern. Er bedrängt eine junge Frau, sie sträubt sich, steigt dann doch in sein Auto. Wenige Stunden später finden Wanderer ihre Leiche, mit mehreren Messer­stichen zugerichtet, in einem der vielen Bayous.

Im forensischen Institut erläutert der Pathologe der Ermittlerin Hanna Vincennes seine Erkennt­nisse. Nathalie Underwood, 25, ist mit durch­löcher­ter Lunge im Morast erstickt. Unter dem Nagel ihres Zeige­fingers zieht der Mediziner ein winziges dunkles Objekt hervor, das Ende eines Streich­holzes. Bevor Hanna überhaupt ihre Arbeit aufnimmt, gibt es im Internet schon die ersten Posts zum »Mardi-Gras-Mörder«, der ein Serien­killer oder der »Loop garoo« (eine Art Werwolf) sei.

Schnell fällt Hannas Verdacht auf Nathalies lang­jähri­gen Freund und Kommili­tonen Alexander van Zandt, der in einer WG auf dem Campus lebt. In letzter Zeit habe es heftige Streite­reien zwischen den beiden gegeben, sagen Mit­studen­ten. Aber Alexander bestreitet im Verhör, die Tat begangen zu haben. Er sei mit Nathalie in einem Café gewesen, doch plötzlich habe sie ihn dann verlassen, um sich mit irgend jemandem irgendwo zu treffen. Somit hat Alexander das Opfer als Letzter lebend gesehen – und kein Alibi.

Die Schlagzeilen über den Aufsehen erregenden Mord schwappen per Internet nach Europa, wo sie Aron Mulder, 57, erreichen. Er ahnt sogleich, dass der Beschul­digte sein Sohn (unter neuem Namen) sein muss und den ihm ange­laste­ten Mord nicht begangen habe, bucht ein Flugticket und engagiert einen Privat­detektiv, der Nathalies wahren Mörder finden soll.

Alexander war gerade mal elf Jahre alt, als seine geliebte Mutter Nora bei einem Wald­spazier­gang erstochen wurde. Für den Jungen stand fest, dass niemand anderes als sein verlogener, verhasster Vater die Tat begangen hatte. Schließlich hatte er genug von den ewigen Streite­reien mitbekommen. Mit achtzehn setzte er sich nach Amerika ab, ließ nie wieder von sich hören und war für den Vater trotz dessen engagierter Versuche nicht aufzufinden. Als Aron nun anrückt und seine Hilfe anbietet, lehnt Alexander diese vehement ab und verbietet dem Vater sogar, ihn noch einmal im Gefängnis zu besuchen.

Die Geschehnisse werden aus den Perspek­tiven der Haupt­figu­ren erzählt, wodurch sich kräftige Wider­sprüche auftun. So liest sich die Ver­gangen­heit aus Arons Sicht ganz anders. Demnach führte er eine hin­gebungs­volle Ehe, bis ihm seine große Liebe durch die Gewalttat entrissen wurde. Im Prozess konnte allerdings weder das Gericht seine Täterschaft noch Aron seine Unschuld beweisen. Nach der Haft versuchte Aron, einen weiteren Verdäch­tigen aufzuspüren, doch der hat die Niederlande offenbar verlassen.

Der Thriller »Ultimatum« Daan und Thomas Heerma van Voss: »Ultimatum« bei Amazon, übersetzt von Ulrich Faure, thrillt auf den ersten Seiten tatsächlich. Da reißt uns die schwüle Südstaaten-Atmosphäre mit, da geschieht die Mordtat an Nathalie, mit der ein Geheimnis verwoben ist, da übernimmt eine Ermittlerin Verant­wortung, die ent­schlos­sen ist, den Fall erfolgreich abzu­schlie­ßen, aber seelisch angegriffen ist.

Doch dann hakt es immer wieder bei der Plausibilität. Die ersten Schluck­beschwer­den treten auf, wenn Aron aus der Nachricht von einer Mordtat auf der anderen Seite der Welt intuitiv schließt, seinen seit Jahren vermissten Sohn wieder­gefun­den zu haben, und ohne jeden Anhalts­punkt auch gleich von dessen Unschuld überzeugt ist. Das mag Teil der Strategie sein, den Leser erst einmal für den Vater einzunehmen. Wenn sein Sohn später ein abstoßendes Bild von ihm dagegen­setzt, stürzt er umso tiefer.

Weitere logische Brüche, Fragwürdigkeiten und offene Rätsel wird man spätestens im Rückblick feststellen und beklagen, etwa beim Tatmotiv, bei der allzu schwachen Symbolik ange­deute­ter »Ein­flüste­rungen« und einer »Gürtel­schnalle«, bei den Streich­hölzern, die auf dem Cover ein starkes Zentral­motiv versprechen und dann doch nicht zünden, schließlich im Verhalten der Ermittlerin am Schluss. Unterm Strich empfand ich diesen Roman doch als recht wackliges, artifi­zielles Konstrukt, was seine Thriller-Qualitäten deutlich beein­träch­tigt. Die Streich­hölzer werden am Ende noch einmal ihrer Bestimmung gemäß verwendet (um ein Stück Papier zu verbrennen), was wohl auch unsere Erwartungen auf einen zweiten gemeinsam verfassten Krimi der beiden nieder­ländi­schen Autoren-Brüder entzünden soll. Hoffentlich kann der mehr Hitze erzeugen.


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