Rezension zu »Die schwere Hand: Avi Avraham ermittelt« von Dror Mishani

Die schwere Hand: Avi Avraham ermittelt

von


Drei Psychogramme: Eine beruflich erfolgreiche Ehefrau und Mutter trägt seit Jahren schwer an einem traumatischen Vergewaltigungserlebnis. Ein neu ernannter Dezernatsleiter, nachdenklich und unsicher, muss als seine erste Aufgabe einen Mord aufklären. Ein Täter bekennt, er habe nie so sein wollen, wie er ist.
Kriminalroman · Zsolnay · · 288 S. · ISBN 9783552058842
Sprache: de · Herkunft: il

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Er wollte anders sein

Rezension vom 16.03.2018 · 1 x als hilfreich bewertet · noch unkommentiert

Auf leisen Sohlen beschleichen den Leser ungute Gefühle, bis sich die »schwere Hand« des verbrecherisch Bösen breit macht. Unsichere Persön­lich­keiten, enttäuschte Hoffnun­gen, schwer kompatible Partner und strapa­zierte Beziehungen machen von Anfang an klar, dass Dror A. Mishanis Roman kein leicht­herziges Krimiver­gnügen, sondern eine ernste Ange­legen­heit ist. Genau darin liegt sein Vorzug, sofern man fein­sinnige Spannungs­romane dieser Art mag – sozu­sagen ein Psycho­gramm mit Krimi-Elementen.

Ausgerechnet an ihrem Hochzeitstag bricht über Masal (»Mali«) und Jacob (»Coby«) Bengtson neues Unheil herein. Dabei wäre das doch die schönste Gelegen­heit für die Mutter zweier Kinder, ihrem Ehemann zu eröffnen, dass sie ganz unerwar­tet erneut schwanger ist. Aber er kommt erst vor Mitter­nacht nach Hause, lässt den Jahrestag uner­wähnt, schweigt nur vor sich hin und zieht sich schließ­lich mit einer Pistole aufs Dach zurück.

Jacob Bengtson ist schon lange nicht mehr er selber. Als junger Mann träumte er von einer Karriere beim israeli­schen Geheim­dienst, doch weil er den psycho­logi­schen Eignungs­test nicht bestand, war der Weg bereits nach dem Einfüh­rungs­kurs verbaut. Was statt­dessen folgte, waren nur weitere Frustra­tionen: befristete Anstellun­gen als Sicher­heits­mann, Arbeits­losig­keit, ungezählte Bewer­bungsge­spräche, gefolgt von Absagen. Zwar kann Mali als Finanz­beraterin einer Bank die Familie allein ernähren, wünscht sich aber mehr Unter­stüt­zung durch ihren Mann.

Wahrscheinlich hätte sich Mali längst von Coby getrennt, hätte er ihr nicht in der schlimms­ten Phase ihres Lebens geduldig und einfühl­sam zur Seite gestanden. Während eines Betriebs­ausflugs ans Meer wurde sie von einem Mann mit schwarzer Sturm­haube über­fallen und in ihrem Hotel­zimmer vergewal­tigt. Zur Aufklä­rung des Verbrechens konnte sie kaum etwas beitragen, und so wurde der Mann nie gefasst. Aber bis heute lässt die »schwere Hand« Mali nachts nicht mehr ruhig schlafen.

Schließlich eröffnet Coby seiner Frau, was ihm just am Hochzeits­tag wider­fahren ist. Er hat eine Frau ange­fahren und ist kopflos und panisch vom Ort des Gesche­hens fortge­laufen. Jetzt bittet er Mali um Hilfe. Sie soll ihm ein Alibi geben und den zurück­gelasse­nen Unfall­wagen nach Hause holen.

Auch Oberinspektor Avi Avraham, 40, hatte bisher kein einfaches Verhältnis mit seiner Freundin Marianka. Nun kommt sie aus Brüssel geflogen, um ihre Bezie­hung erneut zu prüfen. Avi will sich Zeit für sie nehmen, fein­fühlig sein, um ihren berüch­tigten Launen frühzeitig die Spitzen brechen zu können. Auch Mariankas anspruchs­volle Eltern muss er im Auge behalten, denn dass ihre Tochter ihre Begabun­gen an der Seite eines Polizisten verkom­men lassen sollte, ist für sie eine inakzep­table Perspek­tive.

Leider vereitelt die Meldung eines Leichenfunds Avis gute Absichten. Jetzt werden ihn die Ermitt­lungen in Beschlag nehmen, so dass er sich die Zeit für Marianka wird aus den Rippen schneiden müssen. Dass ihre Eltern auch noch anreisen, macht seine Lage nicht einfacher, bekräftigen ihre Eindrücke vor Ort doch bloß ihr vorgefasstes vernich­tendes Urteil, zumal Avi nur ein jämmer­liches, wenig kämpfe­risches Bild von sich abgeben kann.

Denn Avi Avraham hat’s auch im Beruf gerade nicht leicht. Soeben ist er zum Leiter des Ermittlungs­dezernats im Ayalon-Distrikt befördert worden und muss sich nun in seinem ersten Fall, der Vergewaltigung und Tötung einer Sechzig­jährigen, bewähren. Dass er aber im Grunde ein zaghafter Mensch und zöger­licher Ermittler ist, spürt sein Team sogleich. Während ihm die einen loyal zur Seite stehen, werfen ihm andere Steine in den Weg. Aus­gerech­net mit seinem Vorge­setzten, einem Mann aus anderem Holz geschnitzt, ist nicht gut Kirschen essen. Wie gern würde sich Avi mit dessen Vorgän­gerin – bisher seine wichtigste berufliche Bezugs­person – berat­schla­gen, doch die ist schwer erkrankt und wünscht in keinen Fall mehr involviert zu werden.

Dessen ungeachtet sucht der frischgebackene Oberinspektor seine frühere Chefin auf – und erlebt schon wieder eine Enttäu­schung. Statt ihm, wie erhofft, Mut für seine Vorgehens­weise zuzusprechen, sagt sie ihm auf den Kopf zu, was sie von ihm hält. Er könnte ein »exzel­lenter Ermitt­ler sein«, wenn er nicht ein einspurig Suchen­der wäre, einer, den eigene Beweg­gründe und Gefühle leiten. Und tatsäch­lich muss er sich eingeste­hen, Polizist geworden zu sein, »weil er dem Schmerz nah sein musste«.

Dror Mishanis »Die schwere Hand«, der dritte Teil der Serie um den Ermittler Avi Avraham, ist ein stiller, langsam und geradlinig voran­schreiten­der Kriminal­roman. (Markus Lemke hat ihn aus dem Hebräi­schen ins Deutsche übersetzt.) Weder die genannten Gewalt­taten noch die Ver­brechens­auf­klärung stehen im Mittel­punkt. Den Autor und seinen Prota­gonis­ten interes­sieren vielmehr die in eine solche Tat ver­wickel­ten Menschen: »Das Opfer« und »Der Mörder« (so die Über­schrif­ten der beiden Roman­teile).

Warum wird ein unschuldig Geborener im Laufe seines Lebens zum Mörder? Im vor­liegen­den Fall bekennt der Täter, er habe nie so sein wollen, wie er ist, er leide darunter, ein solcher Mensch zu sein. Von seiner Schuld kann ihn das aber nicht entlas­ten. Und was macht die Gewalt­aus­übung mit ihrem Opfer? Obwohl zum Beispiel Mali Bengtson ahnt, wer ihr mit schwerer Hand ein Messer an den Hals gedrückt haben mag, nimmt sie lieber eine Opfer­rolle auf sich, anstatt Anzeige zu erstatten und die Wahrheit offen­legen zu lassen.

Der Ermittler ist der dritte Eckpunkt dieses spannend zu lesenden Psycho­gramms mit Krimi-Touch. Denn Avi Avraham, der alles und jedes hinterfragt, seine Verhöre im Vorfeld durch­denkt und plant, lädt unge­wollt Mitschuld auf sich. Er selbst ermög­licht es dem Täter, eine Bluttat zu begehen, weil er bei einem wichtigen Gespräch Informa­tionen zum Ermittlungs­stand zurück­gehal­ten hat. Der folgen­reiche Fehler wird dem Polizisten zur schweren emotio­nalen Bürde.

Schließlich sei kritisch angemerkt, was mir missfiel: Obwohl der Plot einfach zu verstehen, die Roman­struktur unkomp­liziert ist und auch die sprachliche Gestaltung keinerlei Schwierig­keiten bereitet, wird der jeweils aktuelle Stand der Ermitt­lungen wegen winziger Verände­rungen umfäng­lich wiederholt. Da tut der Autor des Guten zuviel und nervt ungedul­dige Leser ein bisschen.


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