Weg wie Schmidts Katze
Der 40-jährige Witwer Bert Willer lebt mit seinem pubertären Sohn David in Ostberlin. Vor der Wende hat Willer für die Stasi spioniert. Dabei hat er insbesondere Bejla beobachtet, mit der er – wie auch mit anderen Frauen – ein intimes Verhältnis hatte. Nach dem Mauerfall findet David die Akten, die die Tätigkeit seines Vaters zweifelsfrei dokumentieren. Während einer Reise nach Teneriffa erwischt Bert seinen Sohn mit diesen Unterlagen.
Wieder zurück in Deutschland, möchte Bert Bejlas Ehemann Harald Hartung aufsuchen, ihn um Vergebung bitten und seinem Leben Beruhigung verschaffen.
Der Plot-Kern (ehemaliger IM arbeitet seine Vergangenheit auf) könnte Grundlage eines spannenden Polit-Thrillers sein. Das ist aber nicht, was die Autorin anstrebt. Stattdessen ist der Erzählfluss träge, der Schreibstil monoton, die Entwicklung langatmig und ohne Highlights.
Der Roman entspricht atmosphärisch eher einem Kurzfilm mit wenigen Akteuren und unaufgeregter Handlung. Die Autorin kultiviert einen dazu passenden eigenwilligen Stil. Alle Gespräche sind in indirekter Rede im Konjunktiv wiedergegeben, was Aktion zurückhält und Distanz schafft. Sie bevorzugt Pronomen gegenüber konkreten Namensnennungen. Das verstärkt die Absurdität der erzählten Situationen, erschwert aber auch etwas die Zuordnung.
Ständig wechseln wir zwischen diversen Zeitebenen, zu verschiedenen Orten und Personen, deren komplizierten Beziehungen und Perspektiven. Aber immer wieder begegnet dem Leser die "Fettvettel", eine nicht existente Person, die die Zeit symbolisiert. Sie möchte, dass alles so bleibt, wie es früher im Osten war.
Sinnestäuschungen sind beabsichtigt: Wie in einem Vexierspiel tauscht die Autorin die Personen gegeneinander aus. Lou, Berts Ehefrau, studiert nach der Wende Psychologie. Ihre Mentorin ist die von ihrem Mann bespitzelte Bejla. Lou begeht Selbstmord, führt aber dann unter Bejlas Namen eine psychologische Praxis, um schließlich selber in der Psychiatrie zu enden. Und "wie durch eine Tür tritt Bejla wieder leibhaftig ins Geschehen".
Der Roman endet, als Lou und Harald Hartung ins Auto steigen und davonfahren. "Seebachs schwarze Katzen" machen sich davon "wie Schmidts Katze"; sie sind unauffindbar oder eingegangen.
Überhaupt nicht gefallen hat mir die ständig thematisierte Sexualität. Erektion scheint bei den Protagonisten ein Dauerzustand zu sein. Besonders pervers und abgeschmackt ist Berts Hinwendung zu einer Hündin, die ihn an seine Frau Lou erinnert. Mag sein, dass dies eine künstlerisch besonders wertvolle Metapher sein soll (Kathrin Schmidt erhielt den Deutschen Buchpreis 2009.). Ich empfand diese Passagen nur als geschmacklos.