Ausweglos: nirgendwo und nirgendwohin
Ein Psychopath hat das Mädchen Gemma entführt. Er fühlt sich einsam und allein und will Gemma für immer bei sich behalten.
Sehr eindringlich schildert die Gefangene aus ihrer Perspektive ihre entsetzlichen Ängste, ihre körperlichen Bedürfnisse, die sich auf Essen, Trinken und Körperausscheidungen reduziert haben. Der dürre, sehr kräftige Entführer hat sie unter Drogen gesetzt. Sie muss lange geschlafen haben, denn als sie sich von ihrem Doppelbett erhebt, spürt sie kaum noch ihren Körper und schleppt sich zur Tür. Sie war nie angebunden, und alle Türen sind offen. Sie hofft, flüchten zu können, zu ihren Eltern, die sie zuletzt am Flughafen in Bangkok gesehen hat ... Oder war das nur ein Traum? Sie öffnet die Küchentür nach draußen, ist geblendet vom grellen Sonnenlicht, die Hitze erschlägt sie förmlich. Aber wohin soll sie laufen? Überall nur Sand und Büsche, das Nirgendwo. Dennoch rennt und rennt sie um ihr Leben, bis sie die Motorengeräusche eines Autos hinter sich hört. Der Entführer packt sie sich wieder. Wie ein wildes Tier tritt sie um sich, bespuckt ihn, beißt ihn fest in seine Hand. Wo nimmt sie nur die Kraft her? Schließlich schleppt er sie zurück ins Haus, ins Bad, schließt ab. Er sitzt auf der anderen Seite der Badtür und versichert Gemma, er würde sie nie töten. Aber Gemma will nicht mehr, sie ritzt sich die Pulsadern mit einer Glasscherbe auf.
Was entführte Menschen erleiden, kann sich kaum jemand vorstellen. Die Autorin vermag uns die Gefühle eines gefangenen Mädchens, die Aussichtslosigkeit all ihres Denkens durch die sprachliche Gestaltung der Erzählung sehr nahe zu bringen. In immer gleicher Weise setzt sich Gemma innerlich mit dem Täter auseinander, redet den Abwesenden dabei direkt an, befragt ihn ("Warum hattest du mich hierher gebracht? Was wolltest du?") und beschreibt, welche Reaktionen er bei ihr auslöst ("Ich schnitt mir in die Haut, quer übers Gelenk. Blut sickert ... lieber selbst umbringen, als darauf zu warten, dass du es tust.").
Dass es für Gemma nur noch einen Weg zu geben scheint, nämlich sich selbst zu töten, bedarf keines Kommentars.
Dieser Jugendroman ist ein harter Schocker.