Fliegen lernen, ins Leben zurückkkehren!
Schon als kleiner Junge war Graham fasziniert von den Singschwänen, die nach ihrer langen Reise von Island hierher nach Australien auf dem See hinter Opas Haus überwintern. Diese Liebe gibt er an seine Tochter Isla weiter. Papa Graham hat einen sechsten Sinn: Er spürt, wann der Schwarm in V-Formation geflogen kommt und den See ansteuert. Dann weckt er Isla – Sie sind da! -, und die beiden laufen sofort ins Freie, um sich von den schweren Tieren, die so leicht ihre Bahnen kreisen, und von dem glänzenden Licht, das von ihren Federn reflektiert, verzaubern zu lassen.
Papa und Isla fahren hinaus ins Naturschutzgebiet. Durch das Fernglas beobachten sie, wie sich die Vögel langsam nähern und in den Sinkflug begeben. Die Stadt hat Strommasten mit Kabeln ohne Warnkugeln gespannt, und Papa und Isla müssen die Katastrophe verhindern. Sie rennen am See entlang, winken mit ihren Jacken und springen auf und ab, um die Tiere abzulenken. Doch die ersten sind schon zu nahe und verenden in den glühenden Seilen. Die anderen drehen bei und fliegen weiter.
Während des anstrengenden Laufs am See bricht Papa zusammen. Geschwächt wirkte er schon lange, und die Fahrt zum See war jetzt einfach zuviel für ihn. Er muss sofort ins Krankenhaus, wo sich der Verdacht, er habe es am Herzen, bestätigt: Er ist schwerstkrank; man wird ihm eine Herzklappe transplantieren müssen.
Isla ist ein sehr sensibles Mädchen mit guter Beobachtungsgabe. Sie fühlt sich schuldig an Papas Zusammenbruch und kann sich auf nichts mehr konzentrieren. Nur Papa ist noch wichtig – und ein weibliches Schwanenjunges, das völlig allein und verloren auf dem See hinter dem Krankenhaus seine Bahnen zieht. Warum ist es nicht bei seinem Schwarm? Haben sie es krank zurückgelassen? Wenn Isla sich um es kümmert, wird sie Papa eine große Freude machen.
Im Krankenhaus lernt Isla Harry kennen, der an Leukämie erkrankt ist und auf einen Knochenmarkspender wartet. Von seinem Fenster aus kann er das Mädchen beobachten, wenn sie am See ist und sich dem seltsamen Jungschwan nähert. In seinem eintönigen, physisch und psychisch belastenden Klinikalltag ist ihm dies willkommene Abwechslung und spannende Ablenkung.
Lucy Christopher hat mit "Isla Schwanenmädchen" einen einfühlsamen, gefühlvollen Roman geschrieben. Obwohl sie die existentielle Thematik, einen lieben Menschen sterben lassen zu müssen, sehr ernsthaft bearbeitet, ist ihre Sprache so leicht, so fantasievoll. Hoffnung und Enttäuschung, Rückschläge, Behandlungsmethoden und ihre schmerzhaften Auswirkungen auf den menschlichen Körper spart sie nicht aus. Im Mittelpunkt des Romans steht Isla, deren Seele unter der kaum auszuhaltenden Belastung, sich um zwei todkranke Menschen zu sorgen, leidet. Sie weiß von alten Mythen, die den Tod vorhersagen, wenn ein Schwan über einen Menschen fliegt, und vom Schwanengesang, dem letzten Lied, das ein Sterbender hört, bevor er geht; in ihren Albträumen sieht sie die beiden mitten im Schwarm der Singschwäne gen Himmel fliegen.
Indem Isla sich um das einsame Schwanenweibchen kümmert, das keine Angst vor ihr hat, immer zutraulicher wird und sich sogar streicheln lässt, hat sie eine aktive Aufgabe. Die Ärzte kämpfen um das Leben des Vaters und des Freundes, und sie wird alles daransetzen, den Schwarm zu finden. Wenn der junge Vogel mit ihr lange genug das Fliegen geübt hat, wird er vom See abheben und zu seiner Gruppe zurückfinden. Ähnlich wird Papa lange um sein Leben kämpfen müssen, nachdem der Tod an seine Tür geklopft hat. Schließlich wird er aber gesund in seine Familie zurückkehren, und Harry wird einen Spender finden.
Dieses äußerst anspruchsvolle Kinderbuch, das von Chicken House ab 11 Jahren empfohlen wird, muss einfach positiv ausgehen. Im Laufe der Handlung werden die Nerven der jungen Leser aufs Äußerste strapaziert. Ein zart besaitetes Kind wird sich ganz mit Isla identifizieren, ihre Ängste teilen – ein schreckliches Ende könnte es da kaum verkraften.
Jedes Kind wird Fragen stellen, denn Krankheit und Tod sind in diesem Alter keine vertrauten Themen. Es braucht einen erwachsenen Ansprechpartner. Liebe Eltern, nehmt euch die Zeit, um gemeinsam mit eurem Kind zu lesen – es gibt nichts Wertvolleres.
Übrigens: Lucy Christophers Debütroman Ich wünschte, ich könnte dich hassen (Carlsen, 2010, 368 Seiten) wurde mit zahlreichen internationalen Preisen ausgezeichnet.