Rezension zu »Bobby March forever« von Alan Parks

Bobby March forever

von


Im heißen Sommer 1973 stirbt der vielversprechende schottische Rockstar Bobby March mit nur 27 Jahren. Aber im verkommenen Glasgow der Zeit geschieht noch mehr Abgründiges. Allein Harry McCoy bemüht sich, für das Gute und Gerechte zu kämpfen.
Kriminalroman · Heyne · · 432 S. · ISBN 9783453273405
Sprache: de · Herkunft: gb

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Im Sumpf

Rezension vom 04.04.2022 · noch unbewertet · noch unkommentiert

Der schottische Krimiautor Alan Parks hat seine Liebe zum Schreiben nach dem Philo­sophie­studium an der Univer­sität Glasgow und ein paar Jahren im Musik­geschäft eher beiläufig entdeckt. In der schotti­schen Metropole mit ihrer bewegten Vergan­genheit – einst blühende Werften, später verfal­lene Industrie­anlagen, Slums voller Armut und Krimina­lität, dann europä­ische Kultur­haupt­stadt (1990) und Wieder­aufstieg – hat er auch seine Krimi­reihe um den aufrech­ten Detective Harry McCoy ange­siedelt, und zwar in ihrer finsters­ten Zeit, den Sieb­ziger­jahren. Sie umfasst bisher fünf Bücher, und es ist bei scharfem Blick auf die Titel nicht schwer zu erraten, wie viele Bände der Autor insgesamt anstrebt. Nach »Bloody January« (2017), »February’s Son« (2019), »Bobby March Will Live Forever« Alan Parks: »Bobby March Will Live Forever« bei Amazon (2020), »The April Dead« (2021) und »May God Forgive« (April 2022) darf Überset­zerin Conny Lösch wohl mit sieben weiteren Aufträgen rechnen, nachdem sie schon »Blutiger Januar«, »Tod im Februar« und jetzt »Bobby March forever« gestemmt hat. Das Prinzip der Monats­namen in den Buch­titeln musste sie dieses Mal wohl oder übel unter­brechen. Es geht nämlich in der Handlung um einen (fiktio­nalen) Rockstar mit dem Namen Bobby March. Würde man den zu »Robert März« eindeut­schen, hätte man zwar den Monat gerettet, aber alle Affini­täten zu Glasgow, Rock’n’Roll und ziemlich harten Kriminal­fällen abgewürgt.

Die Geschichte von Bobby March beginnt hoffnungs­voll, findet aber ein abruptes Ende. Im Februar 1964 reist der siebzehn­jährige Gitarrist der Band »The Beat­kickers« nach London, um einen Platten­vertrag abzu­schließen – bei dem selben Label wie »The Beatles«! Alles spricht dafür, dass er eine grandiose Zukunft vor sich hat und sein Heimat­viertel, das herunter­gekom­mene Arden, für alle Zeiten hinter sich lassen wird. Aber zehn Jahre später kehrt er doch noch einmal zurück, um als Star ein Konzert im »Electric Garden« zu geben. Am nächsten Tag – es ist der 13. Juli 1973 – findet man ihn tot.

Der wachhabende Beamte ist an diesem Morgen Harry McCoy, und er muss sich kümmern. Als er die Leiche des Rock­musikers in seinem Hotel­zimmer sieht und den Gestank von Räucher­stäb­chen und mensch­lichen Aus­dünstun­gen wahr­nimmt, kommen ihm die anderen Ikonen der Musik­szene in den Sinn, die wie er an einer Überdosis gestorben und zu früh dahin­gegan­gen sind. Doch McCoy bleibt weder Zeit zum Philo­sophie­ren noch zu geruh­samer Aufklä­rung, denn sein dienst­habender Vorge­setzter lässt ihm keine. Inspector Bernie Raeburn ist seit zwanzig Jahren im Dienst und in Harrys Augen »ein Arschloch, aber nicht total unfähig«. Der eigent­liche Chef von beiden ist Chief Inspector Hector Murray, 59, gut befreun­det mit Harry, aber spinne­feind mit Raeburn. Entweder provo­zieren die beiden einander, oder sie gehen sich aus dem Weg. Zurzeit ist Murray vorüber­gehend in Perth einge­setzt und hat Harry um einen sehr diskret zu behan­deln­den Gefallen gebeten, nämlich seine minder­jährige Nichte Laura im Auge zu behalten. Das Töchter­chen aus gutem Eltern­haus verkehrt in schlech­ten Kreisen.

Raeburn hat derweilen Wichtigeres zu tun. In aller Munde, in allen Medien dreht sich alles um die traurige Nachricht vom Ver­schwin­den der drei­zehn­jähri­gen Alice Kelly, und um diesen Aufsehen erregen­den Fall reißt sich der Inspector. Mit den Bank­über­fällen, die seit einiger Zeit nach immer gleichem Muster ablaufen, soll sich McCoy beschäf­tigen, und mit dem Drogen­toten auch.

Damit sind eine ganze Reihe obskurer Fährten und Beziehun­gen gelegt – Stoff genug für einen deftigen Krimi im kernigen Retro-Noir-Stil. Der Sommer ist (aus­nahms­weise) unerträg­lich heiß, der Schau­platz Glasgows verruch­tes Unter­welt­milieu der Sieb­ziger­jahre, das dem Autor noch so bekannt sein wird wie seinem Protago­nisten. In den Pubs, Bars, Kneipen und Drogen­abstei­gen suchen die underdogs der Gesell­schaft mit Prosti­tution und Alkohol ihrem abge­halfter­ten Leben einen Sinn zu geben, während Geschäfte­macher, harmlose Mitläufer, skrupel­lose Betrüger und Dealer kleinen und großen Stils daraus Profit schlagen wollen. Im Sumpf von Miss­brauch und Gewalt, Unsitt­lichkeit und Lastern, Rivali­täten und Unter­drückung, Korrup­tion und Protek­tion, Bezich­tigun­gen und Gra­tulatio­nen, Verdäch­tigen und zweifel­haften Geständ­nissen ist Harry McCoy der einzig Aufrechte – nicht Raeburns, nicht einmal Murrays Weste ist sauber. Um zwischen all den wider­streiten­den Inter­essen im Sinne der Gerech­tigkeit zu agieren, muss McCoy einen Ritt auf Messers Schneide absol­vieren und setzt damit seine eigene Zukunft aufs Spiel.

Sorgt all dies für Spannung und atmosphärische Dichte, so nimmt sich Alan Parks durch manches Zuviel selbst den Wind aus den Segeln. Zum Beispiel überlädt er die Handlung, indem er auch noch die IRA-Pro­blema­tik einbindet. Sein Lokal­patriotis­mus mag ihn zu den detail­lierten Orts­beschrei­bungen und Benen­nungen motiviert haben – Orts­fremde können sie verwirren oder lang­weilen. Dass rauhe Dialoge, unge­filtert aus den brutalen Milieus über­nommen, von Vulgaris­men strotzen, gehört ebenso zum Stil des Noir-Genres wie alle Spiel­arten von Sarkas­mus und Zynis­mus (»Ich bin mehr korrupten Poli­zisten begegnet, als Sie in Ihrem Leben warme Mahl­zeiten hatten.«) und ein einsamer Held, der sich mit reichlich Alkohol durch­laviert, damit er auf der richtigen Seite bleibt und nicht in Melan­cholie verfällt. Zur Abrundung liefert uns der Autor noch eine Spotify-Playlist mit, die der traurigen Geschichte des Rock­stars Bobby March einen durch­wachse­nen Sound­track aus zwei Dutzend fetzigen, besinn­lichen, poppigen, tristen, aber allesamt bekannten Pop- und Rocksongs der Zeit beifügt.


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