Rezension zu »Das erste Jahr ihrer Ehe« von Anita Shreve

Das erste Jahr ihrer Ehe

von


Belletristik · Piper · · Gebunden · 367 S. · ISBN 9783492054041
Sprache: de · Herkunft: us

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Der Preis der Eifersucht

Rezension vom 06.03.2012 · noch unbewertet · noch unkommentiert

Patrick und Margaret haben vor fünf Monaten in Boston geheiratet. "Das erste Jahr ihrer Ehe" verbringen sie in Kenias Hauptstadt Nairobi. Dort widmet sich Patrick neben seiner praktizierenden Tätigkeit als Arzt intensiv seinen pharmakologischen Forschungsarbeiten. Margaret wird erst später nach einer Arbeit suchen.

Zunächst ist Margaret von der afrikanischen Exotik inklusive Flora und Fauna begeistert. Doch bald bekommt sie die Schattenseiten und Extreme des Landes am eigenen Leib zu spüren: Patrick und sie werden mehrfach bestohlen, ihr gemietetes Haus wird restlos geplündert. Wären die beiden vor Ort gewesen, hätten die Einbrecher sie schonungslos erschlagen.

Doch noch sind wir am Anfang des Romans. Das junge Paar wird von Arthur und Ehefrau Diana, die ihnen ein Cottage vermietet haben, zu einem Abendessen geladen. Man kennt sich eigentlich kaum, und doch entsteht der Plan, gemeinsam eine Bergtour zu unternehmen. Auf den Mount Kenya soll es gehen, Afrikas zweithöchsten Berg, 5.100m hoch. Mit Bergführer, Lastenträger, Zwischenübernachtungen, richtiger Ausrüstung und Medikamenten sollte das sogar für Untrainierte wie Margaret zu schaffen sein. Ein holländisches Ehepaar, gute Freunde von Arthur und Diana, wird sich anschließen.

In der Zeit bis zur Expedition kommen sich Diana, Arthur, Patrick und Margaret etwas näher. Man nimmt die leichten charakterlichen Besonderheiten und Verhaltensweisen wahr; aber Freundschaft will nicht aufkommen, nicht einmal Sympathie. Diana erweist sich als ruhelose, selbstgefällige Schönheit, die immer die erste Geige spielen muss; Arthur, ein arroganter Verkaufsleiter, ist Margaret unangenehm, da er ständig seine Hand auf ihre Schulter legen, sie leicht an der Hüfte umfassen muss. Selbst Patrick fällt dies auf.

Der Anstieg auf den Mount Kenya wird für alle zur Belastung, weil Margaret, völlig überfordert, immer die Letzte ist. Nach Sumpflandschaft und Schotterhalden droht nun die Querung des Gletschers, bei der alle diszipliniert angeseilt nur dem Führer folgen müssen. Plötzlich löst sich Diana vom Seil, setzt sich von der Gruppe ab, keiner kann sie zurückhalten, da verliert sie den Halt und stürzt in eine Eisspalte.

Alle sind sich einig: Die Schuldige ist Margaret. Denn Auslöser der tödlichen Katastrophe war am Morgen vor dem Aufbruch eine verfängliche Lage, in die Arthur und Margaret geraten waren und die zu einem Streit zwischen Diana und Arthur geführt hatte; Diana hat ihre Wut mit sich auf den Gletscher getragen.

Arthur schreit mit schmerzverzerrtem Gesicht, und auch Patrick kann nur auf diese hilflose Weise seine Emotionen ausdrücken. Doch sie gelten mehr seiner Partnerschaft mit Margaret. Fortan leben sie eher nebeneinander her, und ihr Bemühen, ihre Liebe zu vertiefen, scheitert immer wieder an schicksalhaften, dummen Situationen.

Margaret findet eine Anstellung als Fotografin bei Nairobis einziger liberaler Zeitung. Ständig ist sie unterwegs mit Redakteur Rafiq, der aus Idi Amins Uganda vertrieben worden war. Sie fühlt sich zu Rafiq hingezogen, doch der wird von Schuldgefühlen geplagt, die eine Liaison mit einer verheirateten Frau nicht zulassen ...

Um ihre Ehe doch noch irgendwie zu kitten, lässt Margaret sich von den Überredungskünsten ihres Mannes dazu bewegen, noch einmal auf den Mount Kenya zu steigen, zum Gedenken an Diana und zur Abbitte. Doch nur Margaret erreicht den Gipfel, während Patrick von seiner Höhenkrankheit bezwungen wird – eine Metapher für ihre gescheiterte Zweisamkeit?

Anita Shreves Roman "Das erste Jahr ihrer Ehe" hat mich bis zum Höhepunkt der Spannungskurve, der Katastrophe auf dem Gletscher, sprachlich und inhaltlich begeistert. Doch danach plätschert die Erzählung leider nur noch an der Oberfläche weiter. Mit der Gestaltung der Beziehungskrise, die zwischen Diana und Arthur schon vor der Bergtour vorhanden gewesen sein muss, beweist die Autorin, dass sie einen Plot glaubhaft und realistisch entwickeln kann, aber es gelingt ihr nicht, ihn wirklich befriedigend zu Ende zu bringen. Denn Arthur fliegt nach London, und das war's dann. Der Beziehung scheinen Vertrauen und Glaube, die eine Partnerschaft durch manche Krise tragen können, schon im "erste[n] Jahr ihrer Ehe" abhanden gekommen zu sein. So etwas gibt es jeden Tag, ist aber nicht unbedingt ein faszinierendes Sujet für einen Roman ...

Auch die Behandlung der Schuldfrage im Zusammenhang mit der Katastrophe überzeugt nicht recht. Wie kann denn ein nichtiger Anlass, ein alltägliches Missverständnis, die Fehldeutung einer harmlosen Situation, eine intelligente Erwachsene dazu treiben, in vollstem Bewusstsein der tödlichen Gefahren um sie herum jegliche Kontrolle über sich aufzugeben? Und worin besteht Margarets Schuld, ob vorgeblich oder echt? Was rechtfertigt die Urteile der anderen Betroffenen gegen sie? Wieso spricht sie nicht ein paar einfache Worte zu ihrer Entlastung? Der Autorin geht es offenbar um die Zuspitzung, nicht um die schlüssige Motivierung, und das lässt uns fragend zurück, vor allem wenn wir nicht so puritanisch durchtränkt sind wie die Protagonisten.

Bei zahlreichen anderen im Grunde interessanten Themenkreisen erweist sich der Untergrund als ähnlich sandig. Zum Beispiel deckt Chefredakteur Obok mit Rafiq ein grausames Verbrechen auf: Man findet die Leichen von 60 Studenten, verscharrt in einem Massengrab. Rafiq wird des Landes verwiesen, Obok verhaftet und in ständig wechselnden Erdlöchern gefangen gehalten. Margaret engagiert sich, schreibt an internationale Zeitungen, auch an Amnesty International ... und das war's schon wieder. Schade, da wäre doch noch so viel mehr Zündstoff drin gewesen. Es ist das Jahr 1977; Kenia, seit vierzehn Jahren unabhängig, befindet sich im Umbruch; Jomo Kenyatta, sein erster und einziger Präsident, hat seinen Glanz eingebüßt; nach langjährigem Aufschwung sind Freiheiten geschrumpft, Enttäuschungen gewachsen ... Wenn das alles gar nicht interessiert, wozu ist die Handlung der Beziehungsstory dann hier angesiedelt und nicht in den USA verblieben, wo es auch hohe Berge gibt?

Wie Titel und Coverfoto schon nahelegen, bleibt Anita Shreves "Das erste Jahr ihrer Ehe" •übersetzt von Mechtild Sandberg) also auf dem Niveau eines durchaus gut lesbaren, netten Unterhaltungsromans, der wahrscheinlich mehrheitlich Frauen ansprechen soll und wird.


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