Rezension zu »Das Meer von Mississippi« von Beth Ann Fennelly und Tom Franklin

Das Meer von Mississippi

von


Während der gewaltigen Überflutung des Mississippi-Beckens 1927 erleiden viele größte Not oder verlieren gar ihr Leben, während sich andere mit allen denkbaren Mitteln bereichern.
Belletristik · Heyne · · 384 S. · ISBN 9783453272859
Sprache: de · Herkunft: us

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Alle Schäfchen im Trockenen?

Rezension vom 12.09.2021 · 1 x als hilfreich bewertet · noch unkommentiert

Die Mississippiflut von 1927 gilt als Jahrhunderthochwasser und größte Natur­katas­trophe in der US-amerikani­schen Geschichte. Schon im Winter 1926/1927 ließen Stark­regen die Quell­flüsse des Missis­sippi anschwel­len und klangen nicht ab, bis im April 1927 die Dämme den Flut­massen nicht mehr stand­halten konnten. Zwischen Illinois im Norden und Louisiana am Golf von Mexiko, zwischen Arkansas im Westen und Tennessee im Osten wurde eine Fläche von siebzig­tausend Quadrat­kilome­tern über­schwemmt, wodurch sieben­hundert­tausend Menschen evakuiert werden mussten oder obdachlos wurden.

Der amtierende republikanische Präsident Calvin Coolidge beauf­tragte seinen Handels­minister Herbert Hoover (ab 1929 Coolidges Amts­nach­folger), die Krise zu managen. Doch viele staat­liche Maßnahmen waren schlecht konzi­piert und organi­siert. Die Rettung der weißen Bevöl­kerung hatte Vorrang, wohin­gegen die Afro­amerika­ner beim Bau von Schutz­dämmen schuf­teten oder in Flüchtlings­lagern verhun­gerten. Während die einen um die Rettung ihres nackten Lebens kämpfen mussten, gab es genügend andere, die aus der Not Kapital schlugen. Es kam zu Plünde­rungen, Sabotage­akten, Korrup­tion, und im Interesse einiger Einzelner wurden sogar Dämme gesprengt.

Vor dem Hintergrund der apokalyptischen Katas­trophe unvorstell­baren Ausmaßes, des histori­schen Versagens der Behörden, der fragwür­digen Machen­schaften von Profi­teuren und des verzwei­felten Verhal­tens der Mehrzahl der Menschen in größter Not erzählt das Ehepaar Beth Ann Fennelly und Tom Franklin in ihrem Südstaaten­roman »The Tilted World« Beth Ann Fennelly: »The Tilted World« bei Amazon (übersetzt von Eva Bonné) ein überbor­dendes Epos, das Liebes­geschich­ten, Schicksals­dramen und Thriller­elemente in einem Plot zusammen­führt.

Ein ungleiches Ehepaar steht im Mittelpunkt von einer der erzählten Ereignis­ketten, die den fiktiven Ort Hobnob Landing beleben. Während Dixie den frühen Tod ihres kleinen Sohnes zwei Jahre zuvor noch immer nicht verwunden hat, treibt sich der »gottlose« Jesse mit anderen Weibern herum. Trotzdem sind die beiden ein erfolg­reiches Gespann von Schwarz­brennern. Es ist die Zeit der Prohibi­tion, und ihre Moon­shine-Destille ist eine »Geld­druck­fabrik«. Als Jesse Anfang April 1927 erwischt und in Fesseln verhört wird, können ihn deswegen weder die zwei Prohi­bitions­agenten noch ihre Waffen beein­drucken. Vielmehr traut er sich, große Töne zu spucken: Ein paar Kollegen, »ehemalige Scharf­schützen aus dem Krieg«, hätten von ferne genau im Blick, was seine Bewacher gerade anstellen, und warteten nur auf seinen Wink. In der Tat knallen auf seinen Zuruf hin Schüsse in einen Kuchen­teller, eine Zigaretten­packung, den Hut eines Agenten und, wenn das nicht reicht, womöglich gleich in den Bart des anderen.

Jesse ist es gewohnt, seine Angelegenheiten auf seine Weise zu regeln, gern gegen Cash, wenn nötig auch blutig. Solche Leute werden denn ihrer­seits auch nicht mit Samthand­schuhen angefasst. »Fackeln Sie nicht lange, nehmen Sie die Brenne­reien hoch«, ermuntert Herbert Hoover persön­lich zwei Agenten, die unter dem Vorwand, als Inge­nieure die Sicher­heit der Deiche zu kontrol­lieren, das Schicksal ihrer beiden verschwun­denen Vorgänger ergründen, korrupte Mitläufer und Saboteure auf frischer Tat fassen sollen. Aber Beeilung, bitte.

Ham Johnson und Ted Ingersoll, die mit diesem Auftrags­paket Mitte April bei elendem Dauer­regen in Hobnob Landing einreiten, bringen ein weiteres Bündel an Handlungs­strängen mit: Kindheit im Waisen­haus, trauma­tische Weltkriegs­erleb­nisse auf Europas Schlacht­feldern und und und …

Kaum sind die Pferde unter dem Vordach des Gemischt­waren­ladens ange­bunden und die Waffen gezückt, über­schlagen sich schon die Ereig­nisse. Zwei vermeint­liche Mehlsäcke entpuppen sich als tote »Plünderer«, die ein Siebzehn­jähriger niederge­streckt haben will, wobei er selber tödlich verletzt wurde. Dann finden Ham und Ted ein wim­merndes Baby, daneben seine Mutter in Männer­kleidung, getötet, als sie in größter persön­licher Not den Laden über­fallen hatte. Während Ham im Ort eine Bleibe sucht, bringt Ted das Baby zum Waisen­haus. Doch weil das ange­sichts der drohenden Fluten evakuiert ist, wird Ted zu Dixie weiterver­wiesen. Sie schließt das kleine Würmchen sofort ins Herz, nimmt die verant­wortungs­volle Mutter­rolle ein, und ehe sie sich’s versehen, hat Ted sich schon in sie verliebt und sie sich in ihn. Seiten­strang und Rück­blende: Jung-Jesse umgarnt Jung-Dixie und lässt sie später doch tief ent­täuscht zurück.

Dass Herbert Hoovers wackere Mannen nicht zum Vergnügen in Hobnob weilen, sondern klar Schiff machen sollen, bringt sie bald in die Bre­douille. Wie kann Ted als aufrech­ter, unbestech­licher Agent dem Gesetz Nachdruck verleihen, wenn ihm einer­seits der Geruch des Fusels in die Nase dringt, er anderer­seits sein Herz an die Schwarz­brennerin verloren hat? Die rabiate Dixie löst den Zwiespalt, indem sie ihn auf Nimmer­wieder­sehen rauswirft, als er seine wahre Tätigkeit preisgibt. Das wiederum lässt den gehörnten Jesse einen Plot wieder aufgrei­fen, den ein reicher Banker aus New Orleans ihm vorge­schlagen hatte. Jemand könnte doch jemanden bestechen, den Damm, der unter anderem Jesses Land, Farm und Destille schützt, in die Luft zu jagen? Aber wie wir längst wissen, ist Jesse es gewohnt, seine Angelegen­heiten auf seine Weise zu regeln. Und wenn »ein notori­scher Falsch­spieler, Schürzen­jäger, … Schwarz­brenner und womög­lich auch ein Mörder« von Eifer­sucht zerfres­sen und komplett betrunken ist, kommen ihm noch ganz andere Ideen in den Sinn.

»Das Meer von Mississippi« bietet gute, spannende Unter­haltung, für die die histori­sche Kulisse unendlich viel Stoff bereit hält. Leider schüttet das Autoren­duo ganze Ströme an breiten Haupt- und Neben­hand­lungen hinein, dass die große Flut an Worten, Sätzen, Episoden und Rück­blenden den Leser schier ertränkt.


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