Rezension zu »The President Is Missing« von Clinton, Bill & Patterson, James

The President Is Missing

von


Ein amerikanischer Präsident rettet sein Land selbstlos und heldenhaft vor einem Cyber-Terroristen. Zwei Autoren entwerfen ein spannendes Gegenbild zur trivialen Realität unserer und vergangener Tage.
Politthriller · Droemer · · 480 S. · ISBN 9783426281970
Sprache: de · Herkunft: us

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Americans first, the President last

Rezension vom 17.07.2018 · 1 x als hilfreich bewertet · noch unkommentiert

Wer das wohl ausgeheckt hat? Wurde es dem einen im Ruhestand langweilig, oder gab er sich endlich dem schon länger verspürten Musenkuss hin? (Saxophon spielte er früher schon, jetzt also noch die Poesie?) Oder wurde es dem anderen in seiner Bestseller-Schreib­werk­statt zu öde, so dass er Lust auf ein promi­nentes Überding bekam? Oder haben sich die Verlags­häuser (gleich zwei, so groß war die Heraus­forde­rung) mit einer Knüller-Idee an die VIPs gewandt? Wie auch immer – die beiden Granden in ihren jeweiligen Metiers, einander seit Jahren freundlich zugetan, sprangen auf die Idee an und machten sich an die Arbeit.

Und so kam ein Mega-Thriller, verfasst von einem Ex-US-Präsi­denten und dem »erfolg­reichs­ten Schrift­steller der Welt« (SPIEGEL), im Juni 2018 gleich­zeitig in alle Buchläden des Planeten und erstürmte die Best­seller­listen. Für die Filmrechte stehen die Produ­zenten Schlange.

Die Qualität des Produkts konnte man sich ebenso ausrechnen wie seinen globalen Erfolg. »The President Is Missing« Bill Clinton: »The President Is Missing« bei Amazon (Anke und Eber­hardt Kreutzer haben das Buch ins Deutsche über­setzt) ist eine respek­table, solide gefertigte und spannende Unter­haltungs­lektüre, darf aber weder einen Inno­vations­preis noch literari­sche Lorbeer­kränze erwarten. Wer von beiden Autoren was zum Produkt beige­steuert haben mag, lässt Literatur­wissen­schaftlern, Kaffee­satz­lesern und Psycho­logen genug Raum für Theorien (siehe Wikipedia-Artikel).

Die Handlung ist rasch zusammengefasst: Cyber-Terroristen bedrohen die USA. Sie haben ein Virus in die Netz­werke einge­pflanzt, das die gesamte Infra­struktur des Landes für unabseh­bare Zeit außer Funktion setzen wird – die Wasser­versor­gung, das Stromnetz, den Finanz­sektor, das Militär, das Gesund­heits­wesen und so weiter. Wie die Bevölke­rung auf einen derartigen Kollaps reagiert, mag sich niemand ausmalen.

Der Superheld, der durch seinen geradezu über­mensch­lichen persön­lichen Einsatz die Katastrophe abwendet, ist Jonathan Duncan, Mr President und Ich-Erzähler, ein loyaler, pflicht­bewuss­ter, aufrechter Mann (und Democrat wie die beiden Autoren). Im Gegen­satz zu Clinton, der nicht nach Vietnam mochte, kämpfte Duncan im Irak und hielt in der Gefangen­schaft grausams­ten Folterun­gen stand. Wieder zu Hause, gründete er eine Familie. Ehefrau Rachel, die Liebe seines Lebens, ist kürzlich an Krebs gestorben. Die gemein­same Tochter Lilly studiert in Paris. Dass Duncan an einer selt­samen Blutkrank­heit leidet, darf die Öffent­lichkeit nicht erfahren, sonst würde man ihn für zu schwach halten, um die ungeheure Ver­ant­wor­tung für die Weltmacht USA zu tragen.

Präsident Duncans Gegenspieler ist Suliman Cindoruk, türkisch­stämmig und Anführer der »Söhne des Dschihad«, einer Terror­miliz, die Hunderte Tote auf dem Gewissen hat. Vor wenigen Monaten haben die »Söhne« mit einem Hacker­angriff auf die militä­rische Infra­struktur Israels geheime Informa­tionen über verdeckte Einsätze und Truppen­bewegun­gen erbeutet. Mit diesem gefähr­lichs­ten Cyber-Terroris­ten der Welt soll der amerika­nische Präsident telefoniert haben, wie der französi­schen Zeitung Le Monde aus anonymer Quelle zugesteckt wurde. Unter Druck steht Duncan auch wegen eines eigen­artigen Einsatzes seiner CIA-Agenten, bei dem ein US-Soldat starb. Eine Gruppe »proukraini­scher, antirussi­scher Separa­tisten« hatte Suliman Cindoruk aufspüren und töten wollen, doch die CIA-Leute vereitel­ten den Überfall, wodurch dem Top-Terroris­ten die Flucht gelang. Die unge­heuer­lichen Hoch­verrats­vor­würfe zwingen Duncan, sich einem Unter­suchungs­verfah­ren des Kongres­ses zu stellen, an dessen Ende seine Amts­enthe­bung stehen könnte.

Als der Präsident noch vor Beginn der Anhörun­gen von der Bild­fläche verschwin­det (»the President is missing«), speku­lieren die Medien, ob er sich vor seiner Verant­wortung drücken will. In Wirklich­keit hat er sich in ein bestens geschütztes Anwesen zurückge­zogen, wo sich eine Hacker-Elite abrackert, um das Virus zu stoppen. Russ­land, Israel und Deutsch­land sagen ihre Unterstüt­zung zu und entsenden hochran­gige Politiker, aber natür­lich treiben selbst hier Rivalen, eine Auftrags­mörderin und ein Maul­wurf ihre eige­nen Spielchen. Wir routinier­ten Leser ahnen früh, wer seine eigenen Ambit­ionen über das Wohl der Bürger der Vereinig­ten Staaten stellt. Doch Puste­kuchen, Profi Patter­son hat genug Asse im Ärmel und Tricks in der Tasche, um uns bis zum Ende des Romans in Bann zu halten und immer aufs Neue zu über­raschen.

Während also die Öffentlichkeit nicht einmal ahnt, was ihr droht, kämpft das Team im Verbor­genen auf Hoch­touren um die Sicher­heit des Landes. Es gibt jede Menge Tote auf allen Seiten, und auch der Präsident weiß noch aus alten Tagen, wie man mit der Waffe zielsicher umgeht. Verzweif­lung und Dramatik steigen gewaltig an, bis am Höhe­punkt ein Count­down von dreißig Minuten die Entschei­dung bringen muss. Könnte der Thriller zweier Voll­blut­amerika­ner anders ausgehen als mit einem Sieg der Guten über das Böse schlecht­hin? Am Ende ist Jonathan Duncan rehabili­tiert, popu­lärer denn je und glänzt mit einer rheto­risch starken, zukunfts­orientier­ten, zu Solida­rität und Verant­wor­tung mahnenden Rede an sein Volk (Sie wurde ganz sicher nicht von Bill Clinton formuliert …).

Dieser Plot ist spannend aufbereitet, aber weder innovativ (die Realität ist ihm dicht auf den Fersen) noch originell, wie auch der Erzähl­stil litera­risch unambitio­niert ist und die Figuren konven­tionell und ohne Tiefgang sind. Solche Kriterien werden die Millionen­kund­schaft aller­dings ohnehin kalt lassen. Die meisten Buchkäufer werden sich angesichts des Co-Autors aus der ersten Politiker­garde wahr­schein­lich Insider­wissen direkt aus dem Weißen Haus erhoffen, sowohl allge­meiner (Politik, Diplo­matie) als auch persön­licher (Praktikan­tinnen, Familie) Natur, oder wenigstens ein bisschen Klatsch und Tratsch als Beigabe zum Thriller. Aber von Blicken durchs private Schlüssel­loch, gar ins Schlaf­zimmer oder ins Oval Office keine Spur. Selbst um mögliche Seiten­hiebe auf Herrn Plump, den derzei­tigen Amtsin­haber und siegrei­chen Rivalen Hillary Clintons, aufzu­decken, bedarf es gehöriger inter­preta­tori­scher Kopfstände.

Immerhin dürfen wir Jonathan Duncan, dem staats­tragen­den Macht­politiker und selbst­losen Retter seines Landes (»America first« in einem moralisch und politisch integren Sinne), menschlich nahe kommen. Wir erleben ihn als Menschen wie du und ich, der um seine verstor­bene Ehefrau trauert und in ständiger Sorge um seine Tochter lebt. Die beiden Autoren entwi­ckeln, so scheint es, einen idealen US-Präsidenten, wie Clinton einer hätte sein wollen, wenn er gekonnt hätte. »The President is missing« ist ein sauberer, affären­freier, moralisch un­kompli­zierter Polit­krimi, als hätte Hollywood ihn bestellt.


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