Ganz unten im Modder
Mit ihrer Krimi-Trilogie »Hades«, »Eden« und »Fall« hat die junge australische Autorin Candice Fox in ihrem Heimatland und in den USA Furore gemacht und etliche Preise eingeheimst. Auch bei uns löste die deutschsprachige Ausgabe von »Hades« einen Hype aus, der jetzt mit dem Folgeband »Eden« (Übersetzung: Anke Caroline Burger) neue Nahrung erhält. Die suggestiven Titelbegriffe auf düsterem Cover wecken Erwartungen an superspannende Plots und ausgefuchste Erzähltechnik.
Leider kann ich nach der Lektüre von »Eden« nicht entdecken, was an diesem Roman als innovativ oder gar literarisch herausragend zu rühmen wäre.
Die Protagonistin ist zugegebenermaßen ein interessantes Konstrukt, gestylt als eine Art weibliches Pendant zu Dr. Jekyll and Mr. Hyde. Ihrem ausgerechnet ans biblische Paradies gemahnenden Vornamen zum Hohn ist sie ein eiskaltes, empathiefreies Monster. Tagsüber wirkt sie als Spitzenbeamtin der Mordkommission Sydney im Dienste der Gesetze, in der Nacht jedoch wandelt sie sich in ihr eigenes Gegenstück und betätigt sich als blutrünstige Serienkillerin. Im Gegensatz zu Robert Louis Stevensons gespaltenem Helden plagen sie jedoch keinerlei Skrupel, sondern sie sublimiert ihr abartig grausames Morden auf infame Weise zur Tugend. Weil die Justiz nämlich unfähig sei, all die vielen Kriminellen zur Rechenschaft und aus dem Verkehr zu ziehen, übernimmt sie in ihrer Freizeit die edle Aufgabe, Gerechtigkeit herzustellen. Wenn sie also nächtens Mörder, Vergewaltiger und Kinderschänder sadistisch foltert, quält und hinrichtet, ist das – ihrer Auffassung nach – eine gute Tat. Ihr perverses vorzivilisatorisches Leitmotiv – »Gerechtigkeit ist gut. Rache ist besser.« – prangt als reißerischer Titelzusatz zuoberst auf dem Cover.
Wie kommt man zu so einer beachtlichen Persönlichkeit? Natürlich in Folge traumatischer Kindheitserlebnisse. Plakativer zurechtgestutzt als Friedrich Mergel, ist Eden doch auch »ein arm verkümmert Sein«, ebenso wie ihr Bruder Eric. Ihre Eltern wurden brutal ermordet, Brüderchen und Schwesterchen gefesselt und geknebelt im engen Kofferraum eines Autos weggeschafft und dann bei Heinrich »Hades« Archer untergebracht. Der betrieb erfolgreich einen Schrottplatz, zog aber hinter dessen Kulissen sämtliche Strippen in der Unterwelt von Sydney. Mit gutem Grund war er gefürchtet, denn sein Unternehmen befähigte ihn, missliebige Menschen so zu entsorgen, dass sie keinerlei Spuren hinterließen.
Kein Wunder, dass die Kinder unter solchen Umständen Schaden nahmen. Eric, ein ebenso abartiges Wesen wie Heinrich, wurde eines Tages irrtümlich erschossen, aber da war Schwester Eden bereits so abgestumpft, dass sie seinen Verlust locker wegstecken konnte. Dann entwickelte sie ihr eigenwilliges Weltbild mit der zynischen Rollenzuweisung des Selbstjustiz übenden Racheengels.
Alles Ironie, sarkastisch zugespitzte Karikatur, Comic-Trash? Vielleicht könnte ich Candice Fox' Konzept unbeschwerter hinnehmen, wenn die Welt nicht gerade voller Spinner wäre, die auf Fakten und Logik pfeifen, die Realität nach eigenem Gutdünken umdeuteln und ihre persönliche Ichling-Philosophie absolut setzen, sei sie nationalistisch, rassistisch, ideologisch, fundamentalreligiös oder sonstwie begründet. Edens selbstgerechter Rachefeldzug ist Wasser auf solche Mühlen. Ich kann darüber nicht schmunzeln.
Die Menschen in Candice Fox' desolater Romanwelt sind durch die Bank niveaulose, hohle Typen, weitgehend ohne Verstand, moralische Leitlinien und irgendwie geartete Vorstellungen von einem sinnvollen Lebenswandel. Sie verbringen ihre Tage in einem schmutzigen Strom aus Täuschung, Illegalität, Drogen, Missbrauch, Gewalt und Brutalität, und sie sind schon zufrieden, wenn Gestank und Unordnung in ihrer Welt »noch nicht grenzwertig« sind. »Das war die Sache mit diesen Leuten – selbst mit Wasser und Seife war dem endlosen Gestank ihres Lebens nicht beizukommen – Bettwäsche, die nie eine Waschmaschine sah, auf Sofas und Kissen haarende Tiere, willkürliche Geschlechtsakte auf allen möglichen Unterlagen, und die Körperflüssigkeiten sickerten einfach ein.«
Wenn man sich die gut 470 Seiten durch den Morast gerobbt hat, hinterlassen sie nur ein allgemeines Schmuddelgefühl, während die Details des Handlungsverlaufs verrauscht sind. Die knappe Inhaltszusammenfassung im Innendeckel des Einbandes gibt das Gerüst wieder, weitere Einzelheiten sind irrelevant: Drei Mädchen sind verschwunden, die Spur führt zu einer verlassenen Farm, auf der sich ein Serienkiller herumtreibt. Dorthin verschlägt es Eden, sie arbeitet undercover. Dieser Plot ist weder originell noch konnte er mich dauerhaft fesseln.
Passend zu seinem homogenen Personal und Milieu ist der Roman durchweg in schlichter Sprache verfasst, angereichert mit abstoßendem Gossenidiom. Wenn man so will, eine löbliche Konsistenz. Äußere Merkmale der Protagonistin sind ihr »Knackarsch«, »ihre bleichen, kalten Killerhände« und »ausdruckslosen Krähenaugen«. Mehr braucht sie ja auch nicht.