Wer dies liest, stirbt in aller Regel später
Seit 2006 veröffentlicht Jörg Heinrich (geboren 1966) in der Münchner tz die Kolumne "Heinrich heute". Außerdem arbeitet er für die Redaktion der ZDF-Sendung "Pelzig hält sich".
Nun hat er das köstliche satirische Büchlein "Keks oder Colt" veröffentlicht. In 35 Kurzkapiteln wertet er darin Erkenntnisse des statistischen Bundesamtes aus, zum Beispiel zu Unfällen in Straßenverkehr und Haushalt, zu Alkoholmissbrauch "und so weiter und so tot". Die kombiniert er mit abwegigen Situationen, vergleicht sie mit anderen abstrusen todbringenden Gefahren und kreiert damit hübsch groteske Ergebnisse.
So belegt die Statistik überzeugend, dass die Besteigung des Tröllflötjen wesentlich gefährlicher ist als die Besteigung des Watzmanns. (Übrigens: Tröllflötjen ist ein Stuhl aus dem Sortiment eines nordischen Möbelhauses.)
Wir lernen etwas über das bisher sträflich unterschätzte Gefahrenpotenzial von Kindergeburtstagen – oder haben Sie sich schon einmal bewusst gemacht, dass bei einer "Reise nach Jerusalem" Palästinenseraufstände drohen? Und überhaupt sind Kinder eine Risikogruppe der besonderen Art: Der Illustrierten "Sicher zuhause & unterwegs" aus einem Hamburger Verlagshaus kann man entnehmen, welche Giftstoffe in Kinderpopeln zu finden sind ("Ene mene mopel, wer isst gerne Popel?").
Wer unbedingt an einem Herzinfarkt sterben möchte, dem rät Heinrich, dies an einem Montag anzugehen, denn da ist man im Krankenhaus nicht allein: Montags sterben die Leute besonders eifrig, und die Ärzte kommen erholt aus ihrem Wochenende.
Quasi unsterblich ist man dagegen bei einem netten Plausch unter einem Flugzeug: Bisher gab es noch keinen einzigen Todesfall in dieser Situation – wahrscheinlich, weil das Fluggerät an heißen Sommertagen geräumig Schatten spendet.
Herrlich skurril und abgedreht, gewürzt mit kühnen Vergleichen ("Fallschirmspringen ist so ungefährlich, man nennt es auch das Nordic Walking der Lüfte") und flotten Sprüchen ("Pfusch am Beckenbau" über medizinische Irrtümer in deutschen Krankenhäusern) und garniert mit einfühlsamen Illustrationen (von Oliver Weiss) , bietet sich dieses Büchlein beispielsweise als ideales Mitbringsel für wenig empfindsame Freunde und Verwandte zu Anlässen jeglicher Art an – oder auch als Beigabe zu einem Gutschein für ein Wellness-Wochenende im gefährlichsten Ort Deutschlands (Bad Tölz) , einer Flasche "Johnny Walker" und einer Schachtel Marlboro ...
P.S.: Der Illustrator und Designer Oliver Weiss, ebenfalls 1966 geboren, arbeitet u.a. für den SPIEGEL, die ZEIT, die FAZ, die Süddeutsche Zeitung und The Writer.