Rezension zu »Geronimo« von Leon De Winter

Geronimo

von


Politthriller · Diogenes · · Gebunden · 448 S. · ISBN 9783257069716
Sprache: de · Herkunft: nl

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Alles Fake!

Rezension vom 13.01.2017 · 1 x als hilfreich bewertet mit 1 Kommentaren

Manche wussten es ja schon immer besser. Hinter dem Terror­anschlag vom 11. Septem­ber 2001 steckt nicht, wie man uns offiziell weis­machen will, das Terror­netz­werk al-Qaida, sondern, je nach Glaubens­richtung der Ver­schwörungs­theore­tiker, die Regierung, die CIA oder sonstige mächtige Geheim­bünde, die in der Lage sind, einen ganzen Planeten infor­mativ in die Irre zu führen. Mit der ameri­kanisch-briti­schen Begrün­dungs­strate­gie, um den Irak­krieg vom Zaun brechen zu können (Saddam besitzt »weapons of mass destruction«!), wurde das hoch­offizielle Stricken eines cleveren Lügen­netzes hof­fähig gemacht. Seit dieses erbärm­liche Gespinst aufflog, ist das Ver­trauen in die Eliten erschüt­tert, und immer mehr Menschen neigen dazu, sich lieber auf ihre Gefühle zu ver­lassen als auf »Fakten«.

Mit der daraus folgenden Empfänglichkeit der Öffent­lich­keit für sensa­tionelle Auf­deckun­gen der wahren Wahr­heit, und seien sie noch so hane­büchen, spielt Leon de Winter, indem er der 9/11-Saga einen aber­wit­zigen Plot hinzu­fügt, der das Zeug dazu hätte, selbst als abstruseVer­schwö­rungs­theorie in den sozialen Netz­werken begeis­terte Gläubige zu sammeln. Schade für Hobby-Ent­hüller: Jetzt ist der Polit-/Agen­ten-/Action­thriller »Gero­nimo« schon auf dem Markt, im nieder­ländi­schen Original Leon De Winter: »Geronimo« bei Amazon und in der deut­schen Über­setzung von Hanni Ehlers.

Vielleicht haben Sie es ja schon immer gewusst: Die Doku­mente, die die Tötung des Al-Qaida-Anfüh­rers Osama bin Laden belegen sollen, sind ein Fake! Wer steckt dahinter? Konkret die ameri­kanische Navy-Seals-Spezial­einheit »Team 6« (ST6), die die schmut­zige Arbeit vor Ort leistet, aber auch ihr eigenes Süpp­chen kocht. Im Hinter­grund ziehen mehrere Geheim­dienste und Politi­ker etlicher Länder die Strippen. Nicht alles läuft perfekt, wie Leon de Winter schonungs­los aufdeckt.

Das Kernereignis bleibt der nächtliche Über­fall am 2. Mai 2011 auf das Haus in Abbotta­bad (Pakistan), das man als bin Ladens Zufluchts­ort identi­fiziert hatte. Mit Hub­schrau­bern und schwer bewaffnet stürmen die ST6-Männer das Anwesen und erschie­ßen, filmisch doku­mentiert, einen Mann. Nach Washing­ton melden sie »Gero­nimo«, das Code­wort für den Erfolg ihrer Aktion. Allerdings ist der Tote keines­wegs der al-Qaida-Chef, sondern ein Doppel­gänger. Den hat man kurz zuvor im Haus depo­niert und den echten »UBL« (Usama bin Laden) ent­führt, um ihn in Den Haag vor Gericht zu stellen. Damit haben die Jungs freilich nicht das getan, was sie hätten tun sollen, und es gibt Ärger …

Jahrelang hatte bin Laden in seinem um­mauer­ten Versteck unweit der Haupt­stadt Islama­bad gehaust. De Winter zeichnet ihn als glück­lichen Mann und ver­ant­wortungs­bewuss­ten Familien­vater mehrerer Kinder. Wenn alle Katzen grau sind, rattert UBL – Bifokal­brille, langer Militär­mantel, vor­sint­flut­licher Helm mit Ohren­klappen, Pluder­hose, Sandalen – auf einem klapp­rigen Moped zu einem rund um die Uhr geöff­neten Lebens­mittel­geschäft und kauft Eis für die jüngste und liebste seiner drei Frauen. Um aller Begehren erfüllen zu können, wandern auch ein paar blaue Pillen in den Waren­korb. Der Ober­terrorist ist halt auch nur ein Mensch wie du und ich, der sich mit Stärken und Schwächen durch den unvoll­komme­nen Alltag laviert.

Dabei hat er allen Grund zur Zuver­sicht, seit er einen USB-Stick sein eigen nennt, der ihn mit Allahs Hilfe in die Lage ver­setzen kann, sich die Welt gefügig zu machen. Das digitale Hard­ware-Stück­chen führt der Autor schon auf den ersten Seiten ein, um unsere Neugier anzu­stacheln, doch was für Geheim­nisse darauf gespei­chert sind, enthüllt er erst am Ende. Dazu später.

Der komplexe Plot wird von einem halben Dutzend Prota­gonisten getragen, die in Afgha­nistan, Pakis­tan, Israel, Saudi-Arabien, Groß­britan­nien, den USA, Deutsch­land und den Nieder­landen agieren. Erzähl­perspek­tiven und Hand­lungs­orte wechseln dem­ent­spre­chend, ebenso wie die Zeit­ebenen. All diese Figuren sind breit ange­legt, so dass sich auch ein dichtes Netz von Bio­grafien, Charak­teren, Empfin­dungen und Bezie­hungen entwickelt.

Von zentraler Bedeutung ist Tom Johnson, Sohn zweier Musiker. Statt in ihre Fuß­stapfen zu treten, wie sie es sich wünschen, wird er lieber »Berufs­kämpfer« gegen den Terroris­mus. In der Delta Force und der Special Activi­ties Division der CIA macht er Karriere. Nach einer schweren Verwun­dung in Afgha­nistan und lang­wieriger Reha wird er 2009 in einer ehe­maligen U-Boot-Basis in North Caro­lina einge­setzt, wo man UBLs Haus nach Original­plänen nachge­baut hat, damit ST6 die Erstür­mung üben kann. Nicht nur körper­lich, sondern auch psychisch ist der Ein­und­vierzig­jährige im Jahr 2011 gezeich­net, seit seine kleine Tochter Sarah 2004 bei dem Terror­anschlag in Madrid ums Leben kam , seine Frau Vera ihn zwei Jahre später verließ und ihn dann die schreck­lichen Erleb­nisse während der Afghanistan-Mission »Enduring freedom« trauma­tisierten.

Damals lernte er die dreizehnjährige Apana und ihren Vater Sadi kennen, der im Camp dol­metscht. Sie sind die einzigen Über­lebenden eines Ge­metzels der Taliban. Wie ein Wunder (und ein biss­chen kitschig) mutet es an, dass Apana von Bachs Gold­berg-Varia­tionen, bei denen Tom in seinem Con­tainer zu regene­rieren pflegt, bezau­bert wird. Gemein­sam entflie­hen die beiden in den nächsten Monaten dem grau­samen Alltag und ihren Erinne­rungen bei der gött­lichen Musik, »die aus dem Himmel kommt«. Apana saugt die Harmo­nien und Rhyth­men auf, zeichnet sich eine Klavia­tur auf Papier und »spielte mit Gould mit, als tanze sie einen Pas de deux«. Als Sadi getötet und seine Tochter entführt wird, kauft Tom sie einem reli­giö­sen Funda­mentalis­ten und korrupten Drogen­händler ab, damit sie sich in Amerika ihren Traum erfüllen und Pianistin werden kann. Doch ehe sie ausge­flogen werden kann, über­rennen Taliban­kämpfer das Camp, töten die Zivilisten, hacken dem muslimi­schen Kind, das sich mit west­licher Musik ver­sündigt, Hände und Ohren ab. Zum zweiten Mal muss sie fliehen.

Wer gibt so einem verstümmelten, obdach­losen Bettel­kind auf der Flucht ein Heim? Ausge­rechnet Usama bin Laden liest Apana eines Nachts auf, als er mit seinem Moped unter­wegs ist. Fortan versteckt er sie in seiner Garage und kümmert sich liebe­voll um sie – bis die Männer vom ST6 seiner Menschen­freund­lich­keit ein abruptes Ende setzen. Nachbars­junge Jabbar beob­achtet die Erstür­mung und kann Apana zu seiner Mutter Mariyam mit­nehmen. Auch die beiden träumen davon, irgend­wann in Amerika in Freiheit zu leben.

Der Kampf, die Flucht, die Suche geht noch lange weiter. Leon de Winter liefert mit seinem profes­sionell verfertig­ten Thriller knall­harten, bis an die Schmerz­grenze gehenden Lesestoff, dessen Knister­spannung mit der Geschichte um Tom, Jabbar und Apana ein hoch­emotio­nales Pendant findet. Apart ist die Gesamt­struktur des Romans, der der­jenigen der Gold­berg-Varia­tionen rein äußer­lich nach­empfun­den ist: zwei Teile mit je fünf­zehn Varia­tionen (hier: Kapiteln), dazu je eine Aria als Ein­leitung und Ab­schluss (hier: zwei Telefon­gespräche als Pro- und Epilog).

Eine der Fragwürdigkeiten dieses Buches ist, was der Autor als vor­gebliche Tatsache in UBLs Hände legt. Wenn es Ihnen nichts ausmacht, dieses kleine Detail vorab zu erfahren statt erst ab Seite 342, lesen Sie hier das Geheim­nis auf seinem USB-Stick und was ich davon halte.

Die Dokumente auf dem USB-Stick beweisen, dass Barack Obama gläubiger Muslim ist und sein Christen­tum lediglich ein raffiniert insze­nierter Fake zwecks Macht­gewinnung. Damit ist der Präsi­dent der USA erpress­bar.

Das Fatale an diesem Einfall ist, dass auch Donald Trump ihn hatte und die schmut­zige Lüge für seine Kam­pagne propa­gandis­tisch aus­schlach­tete. Litera­rische Freiheit und politi­sche Infamie haben hier den gleichen häss­lichen Weg beschrit­ten.


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Kommentare

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Zu »Geronimo« von Leon De Winter wurden 1 Kommentare verfasst:

T.Heller schrieb am 27.05.2017:

Dies ist eine Nacherzählung - keine Rezension

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