Rezension zu »Delikatessen« von Martin Walker

Delikatessen

von


Kriminalroman · Diogenes · · Gebunden · 403 S. · ISBN 9783257068191
Sprache: de · Herkunft: gb

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Studenten, Swatch und Stopfleber

Rezension vom 25.02.2013 · 2 x als hilfreich bewertet mit 2 Kommentaren

Der schottische Autor Martin Walker hat seinen Wohnsitz vor einigen Jahren ins französische Périgord verlegt. All das, was er dort schätzen gelernt hat, lässt er in seine Krimireihe um Benoît "Bruno" Courrèges, den Chef de police des fiktiven Dorfes Saint-Denis, einfließen: eine beschauliche, idyllische Landschaft; freundliche Menschen, denen das Böse fremd ist; das savoir vivre mit köstlichen Weinen, frischen Gemüsen, erlegtem Wild aus der Region. Die Variationen der Rezepte sind unerschöpflich, und eine foie gras gehört hier auf den Tisch wie das tägliche Brot. Obwohl fast die gesamte Weltproduktion dieser Spezialität hier (und im Elsass) produziert wird, erwirtschaften die kleinen bäuerlichen Familien­betriebe rund um Saint-Denis damit nur ein Einkommen, das gerade mal zum Überleben reicht. Denn weltweit missbilligen viele Menschen, wie diese köstliche Delikatesse erzeugt wird: indem nämlich Gänse und Enten über ihre letzten drei bis vier Wochen gezielt zwangsernährt ("gestopft") werden, bis ihre Leber das Vielfache ihres Normalgewichts erhält.

Nun bricht eines Nachts plötzlich konkretes Unheil über die Geflügelfarmer herein und bedroht die schöne heile Welt der Region. Da taucht eine Gruppe von Tierschützern auf, die Zäune niederreißen und das in seiner Gefangenschaft malträtierte Federvieh befreien. Auf Flugblättern hinterlassen sie ihre Forderungen und rufen zum foie-gras-Boykott auf. Die aufgescheuchten, schnatternden Gänse watscheln in geschlossenem Pulk wild durchs Dorf und blockieren mit ihrem Exodus die Zugangsstraßen.

Zur gleichen Zeit stößt in einer archäo­logi­schen Aus­grabungs­stätte eine gemischt-europäische Studenten­gruppe mit ihrem deutschen Professor auf höchst bemerkenswerte Menschenknochen. Ihre Datierung verrät, dass sie 33.000 Jahre alt sind, also aus der Epoche stammen, in der sich der Neandertaler aus ungeklärten Gründen aus der Evolution verabschiedete und dem homo sapiens das Feld überließ. Ein aufregendes Medienereignis!

Nicht minder spektakulär ist ein weiterer Fund im Ausgrabungsfeld: eine (nicht ganz so alte) verscharrte Leiche, deren Handgelenk eine Swatch-Uhr ziert.

Und noch ein Knüller steht an: In wenigen Tagen findet im nahegelegenen Chateau de Campagne ein Gipfeltreffen zwischen dem französischen und dem spanischen Innenminister statt. Die höchste Sicher­heits­stufe ist angesagt, denn man fürchtet einen Anschlag der baskischen ETA-Gruppe. Carlos Gambara, der stell­ver­tretende Leiter der Anti­terror­abteilung, ist bereits eingetroffen und übernimmt die Oberaufsicht über alle Vor­bereitungs­maß­nahmen. Bald nimmt die Bedrohung ernste Gestalt an, als in einem alten Steinbruch Dynamit gestohlen und auf Gambara ein Bombenanschlag verübt wird.

Auf einmal ist Bruno gleich an mehreren Fronten gefragt. In der Aus­einander­setzung mit den Tierschützern muss er mit Finger­spitzen­gefühl die Wogen glätten. Bekannt dafür, dass er das Gesetz gern selbst in die Hand nimmt und im Sinne seiner Dörfler agiert, leistet Bruno Schadens­be­grenzung, stets menschelnd und verständnisvoll. Leider gerät er genau wegen seiner nonchalanten Art mit der neuen Amtsrichterin in die Bredouille: Annette Meraillon ist nicht nur Feministin, sondern auch Vegetarierin mit hart-grünen Tendenzen. Dessen ungeachtet nimmt sie gern an Autorallys teil, weswegen ihr erster Auftritt in Saint-Denis höchst blamabel gerät. Nachdem sie mit ihrem verbeulten und verkratzten Peugeot und überhöhter Ge­schwindig­keit beinahe eine Mutter nebst zwei Kindern umnietet, wird Dorfpolizist Bruno wohl kaum ein Auge zudrücken können ... der Beginn einer verkrampften Zusammenarbeit.

Die DNA des Swatch-Trägers enthüllt zusammen mit anderen Details, dass er vor mehr als zwanzig Jahren hingerichtetet wurde. Die Recherche nach dem Mörder führt auf weit verzweigten Wegen bis nach Deutschland, in Zeit und Umfeld der RAF. Im weiteren Verlauf der Handlung gibt es eine Entführung, und manch alter Freund Brunos entpuppt sich am Ende als keineswegs so harmloser Périgordin ...

Trotz seines fordernden Einsatzes findet Bruno immer noch etwas Zeit für das zarte Geschlecht. Im Moment hat er eine lockere Beziehung zu einer Engländerin, aber richtig hingezogen fühlt er sich immer noch zu Isabelle, seiner alten Flamme. Sie ist die Karriereleiter hochgeklettert, gehört inzwischen zum engsten Sicher­heits­kordon des Ministers und ist nun für ihren Spezialeinsatz aus Paris nach Saint-Denis angereist.

Natürlich kommen die kulinarischen Gaumenfreuden, die den französischen Alltag auszeichnen, auch in diesem Roman nicht zu kurz. Paté mit Zwiebel­marme­lade etwa ist so eine Anregung ... mal sehen, ob ich meine Gäste demnächst mit diesem Entrée überraschen kann (vielleicht nicht gerade mit Stopfleber als Ausgangsstoff). (Die zugehörigen Rezepte fehlen allerdings im Buch.)

Man kann bei der Lektüre solch regional verorteter Romane schon nachvollziehen, was den Schotten Martin Walker zum Franko­philismus verführt oder die Amerikanerin Donna Leon zur Venezianerin gemacht hat. Und Protagonist Bruno Courrèges hat sich nach nur vier Folgen zu einer Persönlichkeit entwickelt, die man fest mit seinem Autor verbindet wie Commissario Brunetti mit Donna Leon und seinen Kollegen Montalbano mit Andrea Camilleri.

Auf vielfältige Weise tragen Martin Walkers Romane also zu genussvoller Entspannung bei, bleiben jedoch harmlos und an der Oberfläche. Ihre Sprache ist angenehm und flüssig, der Plot leicht nach­voll­ziehbar und abwechs­lungsreich, denn kleine und große Verbrechen - hier auch mit politischem Hintergrund - werden miteinander vermengt; auf An­züg­lich­keiten und Gemetzel verzichtet Walker. Manche Zusammenhänge kommen etwas konstruiert rüber.

"Delikatessen" (das Original "The Crowded Grave" Martin Walker: 'The Crowded Grave' bei Amazon hat Michael Windgassen übersetzt) ist Brunos vierter Fall, doch auch wer neu ins Bruno-Geschäft eintritt, kann ihn unabhängig von seinen Vorgängern lesen. Salut et à votre santé!


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Kommentare

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Zu »Delikatessen« von Martin Walker wurden 2 Kommentare verfasst:

Jennifer schrieb am 30.07.2016:

Die Story ist einfach nur langweilig und ich finde die Übersetzung ins Deutsche sehr schlecht. So frage ich mich, warum einige französische Ausdrücke nicht übersetzt werden, z.B. pompiers anstatt Feuerwehr. Nicht jeder spricht Französisch. Ich kann dieses Buch nicht empfehlen.

Jennifer schrieb am 30.07.2016:

Die Story ist einfach nur langweilig und ich finde die Übersetzung ins Deutsche sehr schlecht. So frage ich mich, warum einige französische Ausdrücke nicht übersetzt werden, z.B. pompiers anstatt Feuerwehr. Nicht jeder spricht Französisch. Ich kann dieses Buch nicht empfehlen.

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