Rezension zu »Tod auf der Donau« von Michal Hvorecky

Tod auf der Donau

von


Belletristik · Tropen · · Gebunden · 271 S. · ISBN 9783608501155
Sprache: de · Herkunft: sk

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Rezension vom 07.11.2012 · 7 x als hilfreich bewertet mit 2 Kommentaren

Krimi, Donau-Reiseführer, europäische Geschichtsstunde, Satire einer Luxuspauschalreise auf einem Donaukreuzfahrtschiff, dazu eine Liebelei, das alles hat der 1976 in Bratislava geborene Autor Michal Hvorecky in seinem Roman "Tod auf der Donau" zu einem vielschichtigen Gesamtkonstrukt verarbeitet. Michael Stavaric hat ihn ins Deutsche übersetzt.

Schon der Titel verlockt zum Zugreifen, denn natürlich soll jeder gleich "Tod auf dem Nil", den Klassiker von Agatha Christie, assoziieren. Doch glauben Sie nicht, dass hier im gepflegten Stile eines Hercule Poirot aufgeklärt würde! Nein: Vielmehr entsorgt man die Toten wie anderen Unrat, wirft sie einfach über Bord, überlässt sie den trüben Wassern der Donau.

Martin Roy hat nach mehreren harten fire-drill-Schulungen, bei denen Extremsituationen lebensnah inszeniert wurden, die Prüfung als Schiffsleiter bestanden. Jetzt trägt er den Titel Cruise Director und darf auf den Schiffen der American Danube Cruises, einer renommierten Reederei, die auf allen Weltmeeren und -strömen vertreten ist, den Allrounder spielen. Für Martin ist dies ein wahrer Traum, verbindet er doch seine Liebe zum Donau-Fluss mit der zu Wasserfahrzeugen im Allgemeinen. Dafür hat er seinen Job als preisgekrönter, aber kaum beachteter Literaturübersetzer gern an den Nagel gehängt.

Nun wird er die Passagiere der MS America, dem schönsten aller Donauschiffe, betreuen. 22 Tage dauert die Reise von Regensburg bis zum Donaudelta am Schwarzen Meer. Seine Schützlinge sind 120 gutbetuchte Amerikaner, die meisten schwergewichtig ("einem hing der Bauch bis zu den Knien") und alle weiß (für Afroamerikaner ist die Reise immer ausgebucht); ihr Durchschnittsalter beträgt 73 Jahre. Eine Dame kommt aus Donau, einer Kleinstadt in Minnesota("Dunaj v Amerike", so lautet der Originaltitel des Romans). Von nun an wird Martin seinen Gästen Tag und Nacht zu Diensten sein, ihnen jeden Wunsch von den Augen ablesen.

Die nautische Verantwortung trägt Kapitän Atanasiu Prunea, der den Luxusliner mit 25-jähriger Diensterfahrung und meist alkoholisierter Präzision stromabwärts lenkt. Mit Bildung und Intellekt ist er dagegen nicht gerade reich gesegnet: Sein Englisch ist rudimentär, weswegen er die Neuankömmlinge an Bord mit schwerer Zunge radebrechend begrüßt: "Ich willkommen to you!"

Martin muss ihnen erheblich mehr bieten. Denn ein Gehalt ist für ihn nicht vorgesehen. Also muss er auf großzügige Trinkgelder hoffen und vor allem am Schluss von jedem Gast eine "exzellente" Bewertung vorweisen können. Zu diesem Zweck baut er das ersehnte Adjektiv in jeden Dialog ein, auf dass es sich im aktiven Wortschatz der Zielgruppe fest installiere: "Wünsche exzellent guten Appetit!" Die Formulare werden später mit Akribie überprüft, und zwar in der Zentrale in Chicago, einer Institution vergleichbar mit "der Geheimpolizei eines totalitären Regimes".

Die Senioren sind viel gereist und haben sich schon Ausgefallenes gegönnt: "Hotelanlagen am Meeresgrund, Skifahren in der arabischen Wüste". Für ihre 8000 Dollar Einstiegspreis erwarten sie österreichisch-slowakische Postkartenidylle mit allem Komfort, unvergessliche Events und hinreichend Alkohol.

Seien Sie froh, dass für Sie keine Kabine mehr frei war. Sie wären verzweifelt inmitten der moppernden, morbiden, stupiden, dekadenten Kulturbanausen. "Martin, was ist Barock?" – "Darüber brauchst du dir nicht den Kopf zu zerbrechen. … Barock war eine italienisch-politische Diktatur, die noch vor der Gotik in Europa herrschte. Sehr böse, obskur und gefährlich!" – "Gut, dass wir das in Amerika nicht haben!" Wenn ein Viertel der Amerikaner Winston Churchill und Mahatma Gandhi für fiktive Persönlichkeiten halten, von Mauthausen nie gehört haben, Stalin, den Schweinehund, den Nazis zuordnen, dann schweigt Martins Höflichkeit besser, wo doch jede Korrektur sein Trinkgeld und die Aussicht auf ein positives Rating schmälert.

Während wir uns gerade noch köstlich amüsieren, schlägt der Ton des Autors um. Kapitelweise fühlt man sich in den Jargon eines informativen Reiseführers versetzt. Guide Martin erläutert ausführlich, was zu den vorübergleitenden Städten, Landschaften, Klöstern, Burgen und anderen Sehenswürdigkeiten zu sagen ist – über Architektur, historische Hintergründe und sonstiges Bemerkenswerte. Wir erfahren vom Untergang des alten, glanzvollen Europas entlang der Donau, von der systematischen Judenverfolgung, dem Signal zur Maueröffnung in Ungarn, dem Balkankrieg, von Rumäniens Elend unter Diktator Nicolae Ceaus,escu und von der aktuellen Lage in den südöstlichen Staaten, wo Mafia, Korruption und Kriminalität herrschen. Diese Passagen sind inhaltliche Kontrapunkte, die der Autor nicht fließend, sondern durchaus unharmonisch und eigenartig unpassend den spitz karikierenden Szenen eines grotesken American way of life entgegenstellt.

Eingepfercht in Busse werden die Amis in die Pampa gekarrt, um bei den dörflichen Ureinwohnern zu Gast zu sein und von Muttern bekocht zu werden. Martin ist stolz auf sein innovatives Produkt "incredible real life experience", bei dem das Essen – unter uns gesagt – aus der Großküche kommt … Zielsicher schippert unser Traumschiff dem Delta und dem Untergang entgegen. Dann hat Martins Albtraum ein Ende; er kann zu seinen Büchern zurückkehren.

With excellent Empfehlung nicht nur for your next Donau cruise!


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Kommentare

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Zu »Tod auf der Donau« von Michal Hvorecky wurden 2 Kommentare verfasst:

Irene Balko schrieb am 10.10.2014:

Leider hat dieser Roman bei mir am Ende nur ein großes Fragezeichen hinterlassen. Ich habe jetzt einige geschichtliche Fakten von Donaustädten erfahren - durchaus interessant -, aber ansonsten bin ich recht enttäuscht. Der Titel des Romans verheißt mehr Spannung, die es nur kurz gegen Ende gibt. Aber am Schluss habe ich mich gefragt: Und was war jetzt die Quintessenz dieser Geschichte?!?

Hans-Erich Keller schrieb am 09.08.2023:

Für mich sehr lesensqwert, mal ganz was anderes.

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