Rezension zu »Die seltsame Berufung des Mr Heming« von Phil Hogan

Die seltsame Berufung des Mr Heming

von


Belletristik · Kein & Aber · · Gebunden · 367 S. · ISBN 9783036957043
Sprache: de · Herkunft: gb

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Rezension vom 16.10.2014 · 2 x als hilfreich bewertet · noch unkommentiert

Mr Heming versteht sein Geschäft. Das kann man schon an seiner Wohn­zim­mer­wand ablesen. Da hängen Schlüssel unterschiedlichster Farben, For­men und Größen. Jeder einzelne gehört zu einem Haus oder einer Woh­nung, die der Immobilienmakler vermittelt hat, und jeder hängt wie auf einer Karte der Stadt an der Position der betreffenden Immobilie.

Seine Sammlung dient Mr Heming nicht dazu, sie bisweilen liebevoll und bewundernd zu betrachten. Er be­nutzt die Objekte bestimmungsgemäß. Oh nein, er ist kein Einbrecher. Sein wahres Steckenpferd ist, un­be­merkt in die Privatsphäre anderer Menschen einzutauchen, ihre Geheimnisse zu ergründen.

Davon ahnt freilich niemand etwas in der englischen Kleinstadt, in der William Heming als seriöser Ge­schäfts­mann bekannt ist. Dass der unauffällige, sanftmütige und freundliche Herr mit altmodischen Manie­ren und Kleidungsgewohnheiten, der selbst nur ein bescheidenes Apartment bewohnt, hinter seiner ehren­werten Fassade ein anderes Leben führt, als es scheint, bleibt sein sorgsam gehütetes Geheimnis.

Bei seinen Streifzügen durch anderer Leute Leben geht er pedantisch und kunstfertig vor. Der passende Schlüssel verschafft ihm Zutritt. Dann durchwühlt er Kleiderschränke, öffnet Aktenschränke, inspiziert Kühl­schränke, legt sich auf Sofas (Augenblicke intensivster Nähe zu den abwesenden Bewohnern), macht Fotos und Videoaufnahmen, nascht hier und da und nimmt gern kleine Andenken – ein Teelöffelchen, eine Socke – von seinen Exkursionen mit. Zu Hause hält er in Aktenordnern fest, was er an Informationen und Geheimnissen gewonnen hat.

Die Einsicht, kriminell zu handeln, liegt William Heming fern. Er sieht seine zeitaufwändige Ne­ben­tä­tig­keit als harmloses Hobby, überhöht sie andererseits als seine »Berufung« (wie der Originaltitel »A Pleasure and a Calling« Phil Hogan: »A Pleasure and a Calling« bei Amazon hervorhebt). Er ist überzeugt, dass seine heimlichen Ausforschungen letztlich allen Mitbürgern zugute kommen, wenn er aus seinen Er­kennt­nis­sen Aktivitäten ableitet. Das Böse auszumerzen wird seine Mission. Wo die Ordnungsmächte nicht wachen, ist er zur Stelle. Dass er etwa das uneinsichtige Herrchen, das nicht entsorgen will, was sein Lieb­ling mitten auf dem Bürgersteig dampfend hinterlassen hat, in ad­äqua­ter Weise straft, ist nur der Anfang. Bald geschehen in der Stadt seltsame Dinge, die die Polizei auf den Plan rufen, und sogar der gut getarnte Mr Heming gerät unter Verdacht ...

Ist das schwarzer Humor der bewährten britischen Art? Eine Satire? Genau da liegt der Hase im Pfeffer. Noch bis zur fäkalen Strafaktion begleitet der Leser das skurrile Treiben des Protagonisten mit ge­le­gent­li­chem Schmunzeln, doch mit fortschreitender Handlung wächst die Skepsis, wie heiter Hemings Marotten zu nehmen seien. Dank seiner Ich-Erzählerschaft gewinnen wir in fragmentarischen Rückblenden Einsicht in seine Kindheit und Jugend sowie in seine Lehrjahre im Immobiliengeschäft und finden dort die prägenden Auslöser für eine bemerkenswerte Persönlichkeitsstörung. Er ist kein verschrobenes Unschuldslamm, und Phil Hogan legt sich nicht recht fest, ob der Ton seines Erzählers amüsieren (wie es anfangs scheinen will) oder nachdenklich machen soll.

Phil Hogan schreibt seit 25 Jahren Kolumnen für den »Observer«. Sein Roman über Mr Heming (von Ale­xan­der Wagner ins Deutsche übersetzt) ist eine Art doppelbödiger Kriminalroman, der nicht durch Span­nung punktet, sondern eher beunruhigt, indem ein äußerst gefährlicher Mann im freundlichen Plau­der­ton des Biedermanns seine bitterböse Geschichte ausbreitet. Je mehr er über sich enthüllt, desto mehr schwin­den die Anflüge von Sympathie, die wir ange­sichts seiner Nöte für ihn empfinden mochten, und desto mehr greift Unbehagen um sich. Am Ende müssen wir eingestehen, einem geschickten, über Jahre ge­üb­ten Ma­ni­pu­la­tor auf den Leim gegangen zu sein. Wir sind nicht die einzigen ...


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