Rezension zu »Rache verjährt nicht« von Reginald Hill

Rache verjährt nicht

von


Kriminalroman · Suhrkamp · · Gebunden · 683 S. · ISBN 9783518463901
Sprache: de · Herkunft: gb

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Die Axt im Walde

Rezension vom 09.03.2013 · 2 x als hilfreich bewertet · noch unkommentiert

Da muss jemand, der nie vergisst, ganz mies hintergangen worden sein. Bitterböses lassen Titel und Cover ahnen - und in der Tat wird derjenige Jahre später meuchelmordend Rache nehmen.

Eine Axt mit Kerben ziert die Suhrkamp-Ausgabe des Kriminalromans "Rache verjährt nicht". Es ist das letzte Buch, das der renommierte englische Krimi-Autor Reginald Hill verfasste, ehe er im Januar 2012 verstarb. Ulrike Wasel und Klaus Timmermann haben "The Woodcutter" Reginald Hill: 'The Woodcutter' bei Amazon - so der Originaltitel - ins Deutsche übersetzt.

Was der Leser sich in seinem Kopfkino schon ausmalt, wird so oder so ähnlich in Erfüllung gehen. Ein großes Plus, denn wie oft lassen wir uns von der Cover-Gestaltung eines Buches zum Kauf verlocken - und werden hinterher enttäuscht.

Einsam streicht Wilfried Hadda durch die menschenleeren, dunklen Wälder von Cumbria in Nordengland. Alle, die ihn kennen, meiden ihn, alle haben Angst vor ihm, den alle den "Wolf" nennen. Wer sich in seine Nähe wagt, hört schon von ferne das Geräusch des kalten Stahls, wenn seine Axt in das Holz der Bäume dringt.

Der Mann hat eine überaus bewegte Vergangenheit voller Ups and Downs. Sohn eines Holzfällers in Diensten reicher Landadliger, verliebt er sich in deren Tochter Imogen; auf verschlungenen und aben­teuer­lichen Wegen kommt er in der Welt herum, macht sein materielles Glück, wird zum erfolgreichen Finanzmanager ("Woodcutter Enterprises"), mit dem Titel "Sir" geadelt, heiratet Imogen, sie bekommen eine Tochter Ginny, leben auf großem Fuße.

Doch wie gewonnen, so zerrinnt alles binnen kurzer Zeit im Zuge der großen Finanzkrise 2008. Berater und Partner sind nur "Freunde", solange die Kasse klingelt; Imogen lässt sich scheiden und zieht mit Anwalt Toby Estover zusammen, einem jener Schönwetter-Vertrauten Wilfrieds; Ginny bricht aus ihrem familiären Elend aus und jeglichen Kontakt zu Wilfried ab, endet schließlich im tödlichen Drogenrausch. Die Bande zu den Ex-Schwie­ger­eltern sind zerrissen.

Wilfried selbst wird juristisch belangt, flieht vor den Verfolgern und erleidet dabei einen grausamen Unfall, der ihn für den Rest seines Lebens furchterregend entstellt, kurzfristig aber ins Koma und danach ins Hoch­sicher­heits­gefäng­nis bringt. Alles, aber auch alles hat er jetzt verloren, natürlich auch den "Sir".

Alle, die mit ihm zu tun hatten, glauben, damit sei sein Kapitel für alle Zeiten abgeschlossen, und wähnen sich und die Beute, die sie Wilfried abgeluchst haben, in Sicherheit. Ein Irrtum, denn Wilfried hat über­raschen­der­weise überlebt, sich im Vollzug bewährt und wird nach sieben Jahren vorzeitig aus der Haft entlassen.

Das Einzige, was Wilfried nun geblieben ist, ist das alte Haus seines geliebten, inzwischen verstorbenen Vaters Fred. Dort zieht er ein und übt sich als "Wolf" mit der Axt im Walde. Was für Gedanken das Wesen eines vereinsamten Mannes mit derartiger Vita bestimmen, kann man sich vorstellen. Und sein Werkzeug kann auch zur Befriedigung bohrender Rachegelüste sehr dienlich sein ...

Glauben Sie nicht, diese knappe Zu­sam­men­fas­sung habe Ihnen schon alles verraten und ersetze das Lesen des Buches. Auch in Kenntnis des groben Plots werden Sie gut die Hälfte dieses 680-Seiten-Krimis förmlich verschlingen. Dann ist ein erster Span­nungs­höhe­punkt erreicht, und man gleitet auf etwas ruhigerem, aber immer noch faszinierendem Fahrwasser dahin. Hier wird das Fundament gelegt, auf dem sich dann die Katastrophen ereignen werden. Wer sind Wilfrieds Gegner, wie agieren sie hinter seinem Rücken, was für Winkelzüge bereiten sie gegen ihn vor, was für Beweismittel stellen sie bereit? Trotz Wilfrieds Un­schulds­be­teue­rungen gibt es für ihn kein Schlupfloch, um der Justiz zu entwischen.

Während seiner Haftzeit ändert Wilfried seine Taktik. Er lässt sich auf die Gespräche mit der Ge­fäng­nis­psychia­terin Alva Ozigbo ein, die schließlich seine frühzeitige Entlassung mit Betreuung durch einen Be­wäh­rungs­helfer befürwortet. Erst einmal in Freiheit, ist der "Wolf" am Zug, seine Zeit der Rache ist gekommen.

Gut gefallen hat mir die psychologisch wirkungsvolle Gestaltung der Geschichte. Immer wieder ist man gehalten, seine gerade lesend erworbene Meinung, seine Vermutung über Schuld und Unschuld zu revidieren. Ist Wilfried pädophil? Niemals! Doch dann gibt er genau das zu ... Und wie sieht es in seinem Umfeld aus? Gibt es wirklich niemanden, der zu ihm steht? Haben ihn alle nur hinterhältig benutzt?

Auf klassische Art - zwei Schritte vor, einer zurück - lässt uns Reginald Hill immer näher an die Wahrheit seines Protagonisten heranrücken. Manches wird wiederholt, dann minimal verändert - und erscheint in einem anderen Licht. Diese bewährte Art der Aufbereitung schafft solides Lesevergnügen, denn man verliert nie den Anschluss, die Figuren werden immer vertrauter, ihre Charaktere kris­tal­lisie­ren sich nachhaltig heraus, und die Spannung köchelt weiter.

Leider gibt es auch Schattenseiten zu bemängeln. Obwohl der Plot doch genug Aben­teuer­poten­zial bereit hält (das auch perfekt ausgereizt wird), werden am Schluss Zusammenhänge aufgedeckt, die vielleicht für maximale Überraschung sorgen, aber trotzdem reichlich hanebüchen und überflüssig sind. Ähnlich unrealistisch ist auch die Zeichnung des Protagonisten, wie man am Ende feststellen mag.

Nicht erschlossen hat sich mir, warum der Autor die Romanhandlung zur Hälfte in die Zukunft ragen lässt: Wilfried wird nämlich erst 2015 aus der Haft entlassen, und das Geschehen endet erst im Herbst 2018. Finanzkrisen, in denen Hill den "Wolf" hätte kippen lassen können, gab es ja auch schon vor 2008 zur Genüge.

"Rache verjährt nicht" ist gut gemachte, alt­her­ge­brach­te Krimikost, stimmig und solide, die viele Stunden genüsslichen Schmökerns garantiert. Die Themen umfassen Mord, Mafia, Drogen, Geheimdienst, Verrat und Liebe - a bit of everything also, und das ist gut so.


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