
Ich suche das Glück in weiter Ferne
»Ricerco un bene fuori di me«, singt Cherubino in Mozarts »Figaros Hochzeit« und ahnt, dass er es dort nicht finden wird. Elsa Morante (1918-1985) hat die Stelle dem 6. Kapitel ihres Romans »L'isola di Arturo« (1957) als Motto vorangestellt.
Dieses Buch spielt auf Procida, der spröden Schwester Capris im Golf von Neapel, es stammt von ihr ab, es gehört ihr, und es bringt sie uns näher.
Der kleine Arturo wächst dort unter einfachsten Verhältnissen auf, eigenverantwortlich, ohne eine behütende Mutter und ohne Aufsicht durch den meist abwesenden Vater. Unerzogen, ungepflegt, wild, frei wie ein Vogel genießt er eine Freiheit und Naturnähe, die ihm Raum schaffen für sein weiteres Leben.
Es ist ein bittersüßer Genuss zu lesen, wie Arturo aus der Rückschau seine Kindheit und Jugend schildert und damit bleibende Bilder in unserer Erinnerung hinterlässt: Eindrücke von der kargen Landschaft, dem Meer, der glühenden Sonne, den einfachen Behausungen, den spröden Menschen, die der Junge auf seinen endlosen Streifzügen erforscht – es ist tatsächlich »Arturos Insel« (»L’isola di Arturo« ).
Höhepunkte sind die heiß erwarteten Tage, an denen der Vater – Arturos bewundertes, ja vergöttertes Idol – für kurze Zeit nach Hause kommt. Der Mann ist ein Getriebener. Seine Lebensweise bleibt mysteriös – wohin reist er? Was sucht er »fuori di me«? Seinen Sohn behandelt er meist distanziert, ernst, harsch, gar abweisend – eine gänzlich unsentimentale Erziehung; wir empfinden ihn bisweilen aber auch als schwermütig. Ein merkwürdig gebrochener, widersprüchlicher, undurchsichtiger Charakter und getriebener Mensch.
Arturos Leben verliert seine Unschuld, als Nunziata seine Insel betritt: ein Mädchen kaum älter als Arturo, das der Vater vom Festland als seine Frau mitgebracht hat. Sie wühlt die unterschiedlichsten Gefühle auf: Eifersucht, dass er den ohnehin raren Vater nun ganz an sie verlieren werde; Verachtung, da sie so viel schwächer, unsicherer, furchtsamer und unselbständiger erscheint als er selbst; aber auch Zuneigung, die Arturo zuerst nicht erkennt, dann sich nicht eingestehen will, aus der aber doch unweigerlich Liebe wird. Der Konflikt mit dem Vater kann nicht ausbleiben …
Ein echter Klassiker der italienischen Nachkriegsliteratur, hochprämiert, ergreifend, geheimnisvoll, überzeugend.