Schau dem Indianer nicht in die Augen!
Glühend heiß ist der texanische Wüstensand, von Blut ist weit und breit keine Spur. Edith Kneifls neuesten Kriminalroman muss man bis zum Epilog lesen, um an der Stelle anzukommen, die den Titel gibt, wo der Plot kulminiert, wo der eine den anderen mit einem Messer niedersticht und er selber zur Strecke gebracht wird: "In einem großen Strahl spritzte Blut heraus ... Der Sand unter seinen Füßen verfärbte sich rot."
Die durchweg kurzen Aussagesätze dieses Romans mögen an die knarzig-knappe Männersprache mancher Western erinnern. Das Stilmittel ist aber wohl eher ironisch zu verstehen. Sehr flüssig zu lesen jedenfalls. Und unterhaltsam. Prickelnde Spannung? Eher weniger.
Die Autorin ist fiktional auf Reisen gegangen. Sie hat ihr beliebtes, aus den vorherigen Romanen (siehe Links weiter unten) bekanntes Pärchen von Wien über Paris nach Las Vegas fliegen lassen. Das sind: der schwule Orlando, der sich gern in schrille Frauenkleider hüllt, und Katharina Kafka, 40, die Ich-Erzählerin. Vor zwanzig Jahren wurden Katharinas Eltern während eines USA-Trips auf einem Campingplatz in Amarillo, Texas, in ihrem Trailer brutal ermordet; der Fall wurde nie richtig gelöst, aber die Fingerabdrücke ließen auf zwei Täter schließen.
Im Verlauf der Jahre wurden weitere Pärchen in ihren Campern umgebracht. Nun konnte das FBI einen der beiden Täter, den sogenannten "Route-66-Killer" Dick Carson, festnehmen, und in diesem Zusammenhang konnte man ihm auch eindeutig die Tat an Katharinas Eltern nachweisen. Nachdem Detective Simon Hunter von der Cold-Case-Abteilung Katharina telefonisch über die Neuigkeiten informiert hat, steht sie jetzt in seinem Büro in Las Vegas. Doch sehr redselig und auskunftsfreudig ist der Mann, ein Navajo-Nachkomme, nicht. Aber Katharina macht ihm klar, dass sie die Schauplätze aller Morde des gefassten Killers aufsuchen möchte, in der Hoffnung, irgend etwas über den unbekannten zweiten Täter zu erfahren.
Das ungleiche Paar, dem oft geschwisterliche Ähnlichkeit nachgesagt wird, mietet ein Auto und heftet sich an die Fersen des Unbekannten - von Las Vegas bis zum Gand Canyon. Peu-á-peu nähern sie sich ihm mehr, als ihnen lieb sein kann.
Edith Kneifls erzählerische Kamera schweift während dieses road movies ausgiebig nach rechts und links der Straße. Dabei begegnen wir bekannten Klischees, erfahren aber auch manch nettes unbekanntes Detail. Die künstliche, bis ins Weltall leuchtende Stadt Las Vegas mit ihren Vergnügungstempeln bildet den Anfang der sightseeing-Tour, dann stolpert man über Area 51, Indianer-Reservate, Mormonensiedlungen, Totempfähle, cucarachas, Erdhäuser, Zabriskie Point, Tipis der im Südwesten lebenden Indianer, die von den im Nordosten lebenden Indianern Wigwams genannt werden, macht einen Stopp an der Ranch des immer noch in Haft befindlichen Charles Manson, wirft einen Blick auf das Open-Air-Opernhaus von Frank Lloyd Wright. Während der Fahrt durch Painted Desert muss man aufpassen, dass einem die tumbleweeds nicht vor die Stoßstange kollern. Wie lebt der Winnebago oder der Hopi? Was Sie noch nicht bei Karl May gelesen haben, das können Sie nun bei Edith Kneifl schmökern. Dass der Indianer keinen Schmerz kennt, damit haben wir schon unsere kleinen Kinder getröstet. Dass man aber in der Konversation mit einem Indianer auf keinen Fall Augenkontakt suchen sollte, das wussten Sie sicher noch nicht.
Edith Kneifls "Blutiger Sand" ist kurzweilige, abwechslungsreiche, gute und unproblematische Unterhaltung für Jedermann - ein Genre-Mix aus Krimi, kleinem Reiseführer und ein bisschen Liebesabenteuer.