Rezension zu »Pandatage« von James Gould-Bourn

Pandatage

von


Ein Trostbuch: Nach dem Unfalltod seiner Mutter versinkt ein kleiner Junge in einem Schweigetrauma, seinem Vater droht die Kontrolle über seine Lebensführung zu entgleiten. Ein Panda-Kostüm hilft beiden aus der Not.
Belletristik · Kiepenheuer & Witsch · · 384 S. · ISBN 9783462053647
Sprache: de · Herkunft: gb

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Trauern, bis der Panda tanzt

Rezension vom 27.09.2020 · 1 x als hilfreich bewertet · noch unkommentiert

Das einzige Glück, das Danny Malooney in seinem Leben beschieden war, ist Liz gewesen. Ansonsten gehörte er, seit er ein kleiner Junge war, zur Sorte Unglücks­rabe. Als Vier­jähriger biss er erwar­tungsvoll in etwas, das lecker nach Zitrone duftete, dann aber eklig nach Seife schmeckte. Mit zwölf kletterte er mutig auf einen Ahornbaum, um eine Katze aus vermeint­licher Not zu befreien, fand sich dann aber selbst in der Misere, nachdem er unsanft zu Boden gefallen war und erstmals Körper­teile zu spüren bekam, die er als schmerz­freie Zonen in Erinne­rung hatte. Als er siebzehn war, glaubte er gar allgemein bekannte Natur­gesetze miss­achten zu können. So entstand durch »ein wenig unbehol­fenes Gefummel« mit einer Freundin neues Leben: der kleine Will. War es nicht folge­richtig, dass das Schicksal so einem Pechvogel auch noch eine kleine Eisplatte auf der Land­straße unter­schiebt, um ihm Liz, die wich­tigste Person in seinem Leben, für immer und ewig zu entreißen?

Nun ist Danny noch keine dreißig, und sein Unglück setzt sich fort. Ohne Liz an seiner Seite fehlen ihm Halt und Disziplin. Sein unge­pflegtes Äußeres spricht Bände. In der Küche türmen sich unbe­zahlte Rech­nungen. Die Zimmer­pflanzen sind längst verdorrt. Die Wohnung versinkt im Dreck. Der Vermieter hat ihm gekündigt. Sein Arbeit­geber hat ihn gefeuert.

Das alles aber setzt ihm nicht so sehr zu wie die Angst, seinen kleinen Sohn Will zu verlieren. Der saß an dem Schreckens­tag ein Jahr zuvor mit Liz im Auto, erlebte den Crash mit, sah sie am Unfallort sterben. Seither ist er schwer trauma­tisiert und hat kein Wort mehr gespro­chen (»selek­tiver Mutismus«).

Obwohl Dannys Gefühlswelt völlig aus dem Lot, sein Herz zerrissen ist, lässt er sich in Wills Beisein nichts anmerken. Er plaudert mit ihm wie immer, auch wenn Antworten aus­bleiben. Schlimms­tenfalls schweigen sich die beiden schon beim Frühstück an.

Will hat sich in den Schutz eines Schnecken­hauses zurück­gezogen. Er hat nur einen einzigen Freund: Mohammed ist ebenfalls elf, pummelig, trägt eine dick umrandete Brille und hat Hörgeräte in beiden Ohren. In der Schule sind die beiden als »Loser« auser­koren (»Dumm und dümmer. Oder eher taub und stummer?«) und müssen immer mit frechen Sprüchen und Prügeln rechnen. Vor allem das gefürch­tete Trio Mark (»mit Abstand der Kleinste, [aber] als größter Terrorist der Richmond High­school verschrien«), Gavin (so picklig, »dass sein Kopf mehr Eiter als Hirn enthielt«) und Tony setzt ihnen bei jeder Gelegen­heit zu.

Dannys vordringlichstes Problem ist freilich, irgend­einen neuen Job zu finden. Wähle­risch kann er nicht sein, denn um einen Mann ohne jegliche Ausbil­dung, dessen Lebens­lauf auf ein Post-it passt und dort noch genügend Platz für Notizen lässt, reißen sich die Head­hunter nicht gerade. Wie er einmal wieder demora­lisiert auf einer Parkbank sitzt und im Handy Stellen­anzeigen verwirft (»Erfahrung voraus­gesetzt«), fallen ihm all die One-man-shows auf, die er schon des öfteren mit Will ange­schaut, aber nie wirklich beachtet hat. Jetzt regis­triert er, dass die Künstler keines­wegs mit heraus­ragen­dem Talent brillie­ren, sondern lediglich unkoor­diniert mit ihren Glied­maßen herum­hampeln oder sich albern verklei­den und »total zum Narren machten«. Das hält die flanie­renden Menschen freilich nicht davon ab, sich begeis­tert um sie zu scharen, sie zu filmen und ihnen anerken­nend Geld zuzu­werfen. Bei Danny fällt der Groschen: Schließ­lich beschwert doch auch ihn kein Talent, und in dem Laden, wo er sich unlängst einmal um eine Stelle beworben hatte (vergeb­lich), gibt es billige Kostüme. Nazi-Uniform (»Prinz Harry war einmal hier«) und Boris-Johnson-Outfit erschei­nen ihm trotz attrak­tiven Mini­preises zu provokant. Das Panda-Fell ist dagegen unver­fänglich, wenn­gleich es ein wenig traurig drein­schaut und sein Geruch auf den unver­dauten Magen­inhalt seines letzten Ent­leihers verweist.

Wie die anrührende Vater-Sohn-Geschichte ausgeht, wird jedem Leser spätes­tens jetzt klar sein, ohne dass noch mehr ange­deutet zu werden braucht. Doch gemach, zwei Drittel der bedruck­ten Seiten liegen noch vor uns, und darauf schreitet die Handlung nicht direkt ziel­führend, sondern mäandernd voran, und dabei sinkt leider auch das inhalt­liche Niveau.

Anfangs überzeugt die Story durch ihre liebens­werten Haupt- und Neben­figuren, die mit einer guten Prise Humor der leiseren Töne gegen Trauer, Melan­cholie und Antriebs­losig­keit ankämpfen. Situations­komik und flotte Sprüche passen gut dazu. Später driftet der Plot in die Nacht­club­szene ab, drei derbe ukrai­nische Schläger­typen kommen ins Spiel, das Sprach­niveau sackt ins Ordinäre, und all dies fällt irgendwie aus dem ansonsten schlich­ten, betuli­chen Rahmen.

»Keeping Mum« James Gould-Bourn: »Keeping Mum« bei Amazon , Debütroman des britischen Autors James Gould-Bourn (1982 in Manchester geboren), ist amüsant und unter­halt­sam, litera­risch aber anspruchs­los (Stephan Kleiner hat es übersetzt). Seine erzähle­rische Strategie ist leicht durch­schaubar, der Stil flach. Unbe­stritten ist dessen unge­achtet sein Potenzial der aufhei­ternden, viel­leicht trös­tenden Wirkung auf Leser, die ähnlich dem Protago­nisten leiden und trauern.


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