Rezension zu »Blacktop Wasteland« von S. A. Cosby

Blacktop Wasteland

von


Ein Farbiger aus der Unterschicht einer amerikanischen Kleinstadt lässt sich noch einmal darauf ein, bei einem Überfall den Fluchtwagen zu fahren. Er setzt damit alles aufs Spiel, was er mühsam aufgebaut hat.
Kriminalroman · ars vivendi · · 320 S. · ISBN 9783747202203
Sprache: de · Herkunft: us

Klicken Sie auf die folgenden Links, um sich bei Amazon über die Produkte zu informieren. Erst wenn Sie dort etwas kaufen, erhalte ich – ohne Mehrkosten für Sie! – eine kleine Provision. Danke für Ihre Unterstützung! Mehr dazu hier.
Gebundene Ausgabe E-Book

Beau will ein Guter sein

Rezension vom 12.07.2021 · noch unbewertet · noch unkommentiert

Beauregard Montage – eine Klangfolge wie aus einem französischen Chanson, doch nichts könnte irreführender sein. Es ist der Name eines Mannes, in dessen Alltag er komplett fehl am Platz klingt: zu umständ­lich, zu poetisch, zu fremd­artig, zu fragil. So nennen ihn alle einfach »Beau« oder »Bug«.

Der so heißt, lebt im deprimierendsten Milieu einer Klein­stadt in Virginia, aber man findet es überall im Süden der USA. Dort stecken Farbige wie Beau und ländlich-konser­vativ gestimmte Weiße aus der Arbeiter­klasse (»Rednecks«) in der gleichen mate­riellen Notlage fest, ohne Kranken- und Sozial­versiche­rung, arbeits­los oder mit Gelegen­heits­jobs, in trost­losen trailer parks voller verrot­teter mobile homes, ohne jede Perspek­tive auf Besserung. Manche sub­sumieren solche Menschen unter Bezeich­nungen wie waste people oder white trash, also mensch­liche Ramsch­ware oder Abfall.

Eine differenziertere Sicht auf die Bandbreite möglicher Charak­tere und Schick­sale im gemeinten Sozial­milieu liefert der Roman von S. (Shawn) A. Cosby. Der wuchs selber darin auf und kann ein authen­tisches Bild der schwie­rigen Bedin­gungen ent­wickeln, aus denen er sich dank eines beacht­lichen literari­schen Talents befreien konnte.

Beau hatte diese Chance nicht. Er war von Anfang an geprägt von seinem Vater Anthony, der krummen Geschäf­ten nachging, keine Hemmungen vor Gewalt kannte und später seine Frau und seine Kinder verließ. So musste auch Beau schon mit neunzehn Jahren eine Haft­strafe verbüßen, nachdem er sich als Flucht­wagen­fahrer bei bewaff­neten Raub­über­fällen (»heists«) bewährt hatte. Noch als Jugend­licher hatte er mit einer Weißen eine Beziehung, aus der das Mädchen Ariel hervor­ging. Das Kind wuchs bei der Mutter auf und schaffte es trotz deren Tabletten­konsums, ihre Schul­lauf­bahn erfolg­reich zu absol­vieren.

Beaus Leben gewinnt an Stabilität, als er sich ernsthaft in eine andere Frau namens Kia verliebt. Die beiden heiraten, führen eine glück­liche Ehe, bekommen zwei Kinder, beziehen ein gepfleg­tes »Double-wide-Mobilheim«. Vom väter­lichen Vorbild will Beau sich endgültig abwenden, jetzt tatsäch­lich ein Guter sein. Mit seinem Cousin Kelvin betreibt er eine solide Autowerk­statt. Aber es ist für Beau unmöglich, »Heiliger und Sünder zugleich zu sein«, zumal Quer- und Tief­schläge nicht aus­bleiben.

Gleich nach der Hochzeit mit Kia wollte er Ariel in seine neue Familie aufnehmen. Doch die Richter entschie­den dagegen: kein Sorge­recht für einen Vorbe­straften.

Neben seinem geordneten Alltag braucht Beau noch immer den Kick der Geschwin­digkeit, den er sich bei Wett­fahrten auf einsamen Pisten holt. Natürlich sind illegale Auto­rennen, wie er sie liebt, verboten, aber neben dem Adrenalin lockt die Gewinn­prämie, mit der er seine Mietrück­stände abbauen kann. Aller­dings lösen bei der Rennszene, mit der der Roman beginnt, die ange­rückten Poli­zisten die Versamm­lung auf, und die soeben erkämpfte Prämie ist futsch.

Beaus finanzielle Gesamtsituation verschlechtert sich drama­tisch, als sich eine Konkur­renz­werkstatt im Ort nieder­lässt, mit günstigen Preisen Kund­schaft abzieht und an sich zu binden sucht. Dazu kommt, dass Beaus Mutter Ella Probleme mit der Kranken­versiche­rung hat und womöglich ihr Pflege­heim verlassen muss. Und Tochter Ariel braucht seine Unter­stützung für die Studien­gebühren, damit sie ihr Wirt­schafts­studium am College abschlie­ßen kann.

Kia verfällt keinen Illusionen darüber, dass sich das Leben der Familie unter fragilen Kondi­tionen ent­wickelt, aber sie und ihre Kinder möchten Beau nicht verlieren. Sie appel­liert an die Stärke ihres gemein­samen Zusammen­halts, an seinen Familien­sinn.

Unerwartet bietet sich ein Gewinn versprechender Coup an, der Beau locken könnte, sich ein letztes Mal auf kriminelle Geschäfte einzu­lassen. Zwei Brüder – Rednecks mit nicht allzu viel Gehirn im Schädel – haben erfahren, dass in einem Juwelier­laden eine Lieferung Diamanten gelagert werden soll, und die wollen sie sich holen. Beau soll den Flucht­wagen fahren und hätte, wenn alles gut läuft, für immer ausge­sorgt.

Wie zu erwarten, geht der Überfall keines­wegs glatt über die Bühne, und insbe­sondere hatten die Brüder keine Ahnung von den weit­reichen­den Hinter­gründen der Trans­aktion. Ihre vermeint­lich gut durch­geplante Aktion ist ein Stich ins Wespen­nest, die Jagd ist eröffnet, eine Ketten­reaktion setzt ein, die uns bis zum Schluss den Atem raubt. Bis dahin wird reichlich Blut fließen und mancher sein Leben lassen. Für Beau steht besonders viel auf dem Spiel: sein mühsam errun­gener Status, vor allem aber seine geliebte Familie. Um beides und sein eigenes Leben zu retten, muss er einen radikalen Weg gehen, auf dem ihn das »Geröchel von Ster­benden« begleiten wird.

»Blacktop Wasteland« S. A. Cosby: »Blacktop Wasteland« bei Amazon , von Jürgen Bürger übersetzt, ist ein hoch span­nender amerika­nischer Krimi, der vor allem durch die fein differen­zierte Charakteri­sierung seines Protago­nisten aus dem Rahmen üblicher Heist-Romane und -Filme fällt. Anders als die oftmals eher schablo­nenhaft umris­senen, ein­dimensio­nalen Täter­figuren aus der schwarzen Unter­schicht der Süd­staaten weist Beau­regard Montage in sich wider­strebende Tendenzen auf. Die Affinität zu Krimi­nalität und Gewalt ist in ihm tief verwur­zelt, gleich­zeitig will er sich davon lösen. Anfangs vom Rollen­modell eines starken Mannes geprägt, der stets seine Dominanz vertei­digen muss, wenn er nicht als Loser enden will, erkennt er später, welche Verant­wortung er für andere Menschen trägt, und stellt sich den daraus erwach­senen Verpflich­tungen. Mit diesen Brüchen und Wider­sprüchen in seinem Wesen kann Beau trotz seiner Makel, Fehler und Taten für uns zu einer sympathi­schen Identifi­kations­figur werden.


War dieser Artikel hilfreich für Sie?

Ja Nein

Hinweis zum Datenschutz:
Um Verfälschungen durch Mehrfach-Klicks und automatische Webcrawler zu verhindern, wird Ihr Klick nicht sofort berücksichtigt, sondern erst nach Freischaltung. Zu diesem Zweck speichern wir Ihre IP und Ihr Votum unter Beachtung der Vorschriften der europäischen Datenschutzgrundverordnung (DSGVO). Nähere Hinweise finden Sie in unserer Datenschutzerklärung. Indem Sie auf »Ja« oder »Nein« klicken, erklären Sie Ihr Einverständnis mit der Verarbeitung Ihrer Daten.

Klicken Sie auf die folgenden Links, um sich bei Amazon über die Produkte zu informieren. Erst wenn Sie dort etwas kaufen, erhalte ich – ohne Mehrkosten für Sie! – eine kleine Provision. Danke für Ihre Unterstützung! Mehr dazu hier.

»Blacktop Wasteland« von S. A. Cosby
erhalten Sie im örtlichen Buchhandel oder bei Amazon als
Gebundene Ausgabe E-Book


Kommentare

Zu »Blacktop Wasteland« von S. A. Cosby wurde noch kein Kommentar verfasst.

Schreiben Sie hier den ersten Kommentar:
Ihre E-Mail wird hier nicht abgefragt. Bitte tragen Sie hier NICHTS ein.
Ihre Homepage wird hier nicht abgefragt. Bitte tragen Sie hier NICHTS ein.
Hinweis zum Datenschutz:
Um Missbrauch (Spam, Hetze etc.) zu verhindern, speichern wir Ihre IP und Ihre obigen Eingaben, sobald Sie sie absenden. Sie erhalten dann umgehend eine E-Mail mit einem Freischaltlink, mit dem Sie Ihren Kommentar veröffentlichen.
Die Speicherung Ihrer Daten geschieht unter Beachtung der Vorschriften der europäischen Datenschutzgrundverordnung (DSGVO). Nähere Hinweise finden Sie in unserer Datenschutzerklärung. Indem Sie auf »Senden« klicken, erklären Sie Ihr Einverständnis mit der Verarbeitung Ihrer Daten.


Go to Top