Rezension zu »Das große Tier« von Veit M. Etzold

Das große Tier

von


Thriller · Kiepenheuer & Witsch · · Taschenbuch · 480 S. · ISBN 9783462042146
Sprache: de · Herkunft: de

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Moderne Technologie in Händen eines Paranoiden

Rezension vom 07.02.2010 · 4 x als hilfreich bewertet · noch unkommentiert

Es ist die Silvesternacht zwischen 1:00 und 8:00 Uhr. Wir befinden uns an drei Orten: Berlin, St. Moritz und New York.

Berlin: Im Hotel Adlon wird Stuart M. Hill, 44 Jahre alt, am Neujahrsmorgen von seinem Leibwächter tot aufgefunden. Hill leitete einen US-Konzern für Satellitentechnik, GPS und Lenkraketen. Dass er möglicherweise vergiftet wurde, ist tragisch, aber verheerender sind die Auswirkungen seines Todes auf den Aktienkurs: Er wird abstürzen. Das Unternehmen wäre dann zu einem Spottpreis zu übernehmen.

Sarah Jakobs, Hauptkommissarin beim LKA Berlin, und Kriminaldirektor Winterfeld, Leiter der Mordkommission, sind um 7:30 Uhr vor Ort. Noch ist der Tod ungeklärt. Ein Champagnerglas mit Lippenstift deutet auf ein Tête-à-tête zwischen Stuart und einer unbekannten Dame hin.

St. Moritz: Ein Headhunter kontaktiert telefonisch einen Top-Investmentbanker. Um ihn abzuwerben, bietet er ihm fünf Millionen Euro. Wenn der Deal klar ist, soll sich Mr. No-name am nächsten Tag in Berlin Tegel einfinden.

New York: Auch Paul Territo feiert den Beginn des neuen Jahres. Er ist Internet-Fachmann. Seine kleinen Hightech-Unternehmen hat er zu der globalen Xenotech Corporation vernetzt.

Diese Schauplätze und Menschen werden sehr schnell miteinander verbunden – durch einen mächtigen sadistischen Manipulator, der nur ein Ziel vor Augen hat, das er mit wenigen ihm absolut loyal gesonnenen Menschen erreichen will: den Aufbau eines Machtimperiums. Dazu braucht er die totale Beherrschung aller Industriezweige, die er durch raffinierte globale Geldmarktpolitik nach und nach übernimmt. Es soll eine digitale Welt entstehen. Die globale Vernetzung durch Satelliten und Computertechnik soll ihm die alles übergreifende Kontrolle verschaffen. Sein "großer Plan" geht soweit, dass man den Menschen letztendlich Platinen einpflanzt, um sie überall lokalisieren und sogar ihre Gedanken lesen zu können. Der Weg zu dieser neuen Welt ist gepflastert mit Intrigen, Manipulationen und grausamsten Morden, inszeniert in morbiden Installationen.

Des Manipulators großer Gegenspieler ist Kardinal Coreolanus, der die Finanzen der Vatikanbank betreut. Er will die weltweite Vormachtstellung seiner Institution bewahren. Mit seinen IT-Spezialisten und Kennern der Finanz-Alchemie weiß er "feindliche Übernahmen" zu verhindern.

Sarah Jakobs und ihr Team stoßen an ihre ermittlungstechnischen Grenzen. Aber immer mehr Rätsel lassen sich möglicherweise durch Kunst- und Geschichtswissenschaft beantworten. Dabei können Sarahs Freund, der Student Vincent, und Professor Richard Stokes sachkundig helfen. Denn nach entsetzlichen Ritualmorden werden die Leichen analog zu Gemälden der Renaissancekunst arrangiert; lateinische Inschriften deuten auf Dantes Inferno; die kriminellen Inszenierungen verweisen auf Mythologie und Astrologie der Antike; die Identifizierung von Anagrammen (aus "Sepondi" wird "Poseidon") und Palindromen (Lautreihen, die vorwärts und rückwärts gelesen werden können, wie z.B. "Regal") helfen weiter.

Dieses und viel mehr verwebt Veit M. Etzold plausibel zu einem rasanten Krimi mit ständigen Schauplatzwechseln innerhalb einer Zeitspanne von nur sechs Tagen. Schließlich fügt sich ein Puzzle-Teil zum anderen, und unter Einsatz ihres Lebens bringen Sarah und Vincent den Fall zu einem Ende.

Planen Sie bitte drei freie Nachmittage, um dieses Buch in einem Rutsch lesen zu können. Sie verlieren sonst möglicherweise den Faden. Der Autor setzt voraus, dass Sie sich auf dem Aktienmarkt auskennen und auf dem Börsenparkett zu Hause sind, dass Sie BWL-Kenntnisse haben, ein bisschen Latein und Englisch können. Ansonsten lässt er Sie nicht im Regen stehen. Durch Professor Stokes erfahren Sie mehr als in mancher verschlafenen Schulstunde. Für mich war dieses Buch eine absolut neue Erfahrung. Es ist sicher kein Roman für Jedermann. Fans von Verschwörungsthrillern werden begeistert sein. Ich habe jedenfalls viel Neues gelernt und bin auf Zusammenhänge gestoßen, die mir so nie bewusst waren.


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»Das große Tier« von Veit M. Etzold
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