Rezension zu »Die Kälte des Todes« von Antonio Manzini

Die Kälte des Todes

von


Kriminalroman · rororo · · 320 S. · ISBN 9783499269417
Sprache: de · Herkunft: it · Region: Aostatal

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Der trügerische Augenschein

Rezension vom 31.05.2016 · 4 x als hilfreich bewertet · noch unkommentiert

Aus der Ewigen Stadt in den barbarischen, öden und oben­drein kalten Norden nahe der Schwei­zer Grenze versetzt zu werden ist für einen ein­ge­fleisch­ten Römer eine schwer er­träg­liche Strafe, und zwar unter zivi­lisa­tori­schen, kuli­nari­schen, kul­turel­len, mensch­lichen und klimatischen Ge­sichts­punkten.

Rocco Schiavone hat dieses Schicksal ereilt, nach­dem er sich mit dem Sohn eines Staats­anwalts geprü­gelt hatte. Ein langes halbes Jahr quält sich der Dauer­grantler jetzt schon in den bitter­kalten schnee­reichen Ge­filden des Aosta­tals, hat auch einen ersten Fall gelöst, aber von Gewöh­nung, Ein­leben, ge­schwei­ge denn Anpas­sung kann keine Rede sein. Wider­borstig wie er nun mal ist, beharrt er auf seinen gelieb­ten Clarks an den Füßen, als könne er da­durch die Macht des Stär­keren über die Natur­gewalten de­monstrie­ren. Dabei zeugt sein Ver­schleiß solcher Schläpp­chen nur von verlo­renen Schlach­ten. Ober­beklei­dungs­mäßig fügt er sich not­ge­drun­gen dem Zwiebel­prinzip, um gegen die Unbil­den des ätzen­den März­wetters zu bestehen: T-Shirt, Flanell­hemd, Kasch­mir­pul­lover, grünes Cord­jackett und Loden­mantel, darun­ter die ewig gleiche braune Cord­hose.

So macht sich Vicequestore Schiavone (wehe man spricht ihn als »Com­mis­sa­rio« an!) jeden Morgen auf den Weg zur Ques­tura, nach­dem er sich mit einem dahin­ge­brum­mel­ten »Scheiße« erneut von der Hoffnung auf einen Sonnen­strahl verab­schie­det hat. Am Arbeits­platz erwar­ten ihn seine Mit­arbei­ter D'Intino und Deruta, beide unsag­bar unfähig, eine Art Cata­rella (aus Andrea Camilleris »Montal­bano«-Krimi­serie [› Übersicht]) im Doppel­pack. Gut, dass Schiavone in seiner Schreib­tisch­schub­lade immer einen Stim­mungs­auf­heller bevor­ratet: Ein Joint am Morgen ver­scheucht die Sorgen.

Glücklicherweise hat der Vicequestore neben ›Dick und Doof‹ noch zwei tüchtige Mit­arbeiter. Cate­rina Rispoli und Italo Pierron sind die ein­zigen Licht­blicke im trüben Alltag der öden Amts­stube in der Ques­tura. Bei Agente Italo kann man Ziga­retten schnor­ren (wenn auch nur die ver­hasste Marke Chester­field), und man kann mit ihm Pferde stehlen – geradezu im wört­lichen Sinne, falls einmal eine Aktion die Gren­zen der Lega­lität touchie­ren sollte (was bei Schiavones Methoden so irreal nicht ist). Damit erach­tet Rocco den Kollegen »des Polizei­berufs für würdig«. Aber Vorsicht mit vor­eili­gen Ver­brüde­rungs­hoff­nungen: So weit, dass man den Vor­gesetz­ten inner­halb des Polizei­gebäu­des duzen dürfe, geht die Sym­pathie nun auch wieder nicht.

An diesem Freitagmorgen bringt Italo eine verquere Meldung ins süßlich riechende Vice­ques­tore-Büro. »In der Wohnung eines Ehepaars [sind] Diebe einge­sperrt.« Wie geschickt Italo wenige Minuten später den Dienst­wagen durch den Stadt­verkehr zum Tatort in der Via Brocherel bugsiert, speichert sein Chef gut ab – für den Fall, dass er einmal derlei Quali­fika­tionen bedarf, etwa für einen Über­fall auf einen Geld­trans­porter ...

Als sich die beiden Polizisten anschicken, die angeblich verbarri­kadier­ten Diebe aus der Wohnung des Ehepaars Baudo zu befreien, werden sie freilich mit einem ganz uner­warte­ten ande­ren Delikt kon­frontiert. Die Räume sind verwüstet, Diebe weit und breit keine zu finden, dafür wartet im Schlaf­zimmer eine grau­sige Szene. Von der Decken­lampe baumelt die Dame des Hauses im türkis­grünen, unter der Achsel auf­ge­ris­senen Nacht­hemd ...

Mit dem zweiten Fall für seinen sperrigen, aber nicht un­sym­pathi­schen Helden hat sich Antonio Manzini (der haupt­sächlich als Film- und Fernseh­schau­spieler bekannt ist) frei ge­schwom­men. Die Handlung von »La Costola di Adamo« Antonio Manzini: »La Costola di Adamo« bei Amazon (Über­setzung: Anja Rüdiger) ist gerad­liniger, die Perso­nal­besetzung der Questura wächst uns langsam ans Herz. Der multi­medial erfah­rene Krimi­leser wird den Plot schnell durch­schauen und sich statt kom­plexen Schluss­folge­rungen lieber dem trockenen, stark dialog­betonten Erzähl­stil über­lassen. Auf Kosten der beiden Dödel D'Intino und Deruta lacht man gern, und in vielen Dialogen steckt kerniger, kom­pakter Wort­witz (typi­scher Schlag­abtausch zwischen Rau­bein Rocco und Justiz­beamten: »›Ich habe schon viel von Ihnen gehört‹, sagte [Aldo Messina] mit Nach­druck. ›Und trotz­dem geben Sie mir die Hand?‹ Messina lächelte. ›Da bin ich nicht so wähle­risch.‹«). Und was den Fall angeht, den Schiavone zu knacken hat, so hält Antonio Manzini bis zuletzt noch ein Ass für ihn im Ärmel zurück, mit dem auch wir Leser nicht rechnen.

Die »Kälte des Todes« ist unterhaltsame, leicht verdauliche Krimikost für ver­reg­nete Früh­lings- und Som­mer­tage. Die Handlung vollzieht sich über­wiegend in der Stadt Aosta, die Erzähl­weise bringt wenig loka­les Kolorit. So löst das Buch kaum typische Italien-Stim­mung aus (was immer man unter dem Stich­wort erwartet) – aber das ist ja auch nicht Manzinis Aufgabe als Krimi­autor. Sein Prota­gonist steht mit einem Bein noch immer in Rom. Er wuchs in Tras­tevere auf, und das dortige klein­krimi­nelle Milieu mit seinen eigenen Ehren­kodizes hat ihn bis heute geprägt. So ist er gewiss kein Heiliger der Gesetzes­treue, auch wenn er – ganz anders als viele seiner Kumpels – die Poli­zisten­lauf­bahn einge­schlagen hat. Manchmal kehrt er in seine Heimat­stadt zurück, wo er offene Rech­nungen zu be­glei­chen hat, und dieser zweite Hand­lungs­strang, der bereits im ersten Band ange­legt wurde, wird auch die nächsten beiden durch­ziehen, die in Italien 2015 erschie­nen.


Eine aktuelle Übersicht über die bislang erschienenen Bände von Antonio Manzinis Rocco-Schiavone-Reihe finden Sie am Ende meiner Rezension zu »Alte Wunden«.


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