Il figlio di Bakunin
von Gianfranco Cabiddu
Eine schillernde Persönlichkeit
Ein Film aus dem Sardinien der Arbeiter und Bürger – ohne Trachten, ohne launeddas, ohne vendetta. »Bakunin« – das ist der Spitzname, unter dem Antoni Saba allgemein geführt wird. Er betreibt eine angesehene Schusterwerkstatt in einem sardischen Bergarbeiterdorf der Dreißiger Jahre. Nach dem russischen Anarchisten und Revolutionär nennt man ihn, weil auch er ein kämpferischer Freigeist ist. Da versteht es sich von selbst, dass sein Sohn Tullio »il figlio di Bakunin« ist. Der führt ein bewegtes Leben in den schwierigen Zeiten des Faschismus, des Krieges und der Nachkriegszeit und ist die zentrale Figur dieses Films. Bei seinem Tod hinterlässt er ein Söhnchen, das den Vater nicht mehr persönlich kennenlernen konnte.
»Il figlio di Bakunin« (1991)
von Sergio Atzeni
(1952-1995)
Als Erwachsener macht sich »Bakunins« Enkel auf die Suche nach Vater Tullios Spuren. Er kehrt an die Orte seines Wirkens zurück und befragt Männer und Frauen, die ihn kannten – seine Geliebten, seine Mitkämpfer für die Rechte der Bergarbeiter, den Bergwerksdirektor, Polizisten, Freunde … Aus ihren Aussagen rekonstruiert der Sohn Stück für Stück das Leben des Vaters: verwöhntes Kind in einem gutbürgerlichen Haushalt, Arbeiterführer im Bergwerk, Lebenskünstler.
So unterschiedlich die Leute über Tullio Saba dachten (die einen liebten ihn, andere hassten ihn, wieder andere fürchteten ihn), so vielschichtig war das Wesen dieses Mannes und seine Rolle. Er erlebte den Krieg und danach die Versuche, auf der Insel eine moderne Gesellschaft aufzubauen, Industrie und Landwirtschaft zu modernisieren, die Kämpfe um soziale Gerechtigkeit, die schmerzhaften Auseinandersetzungen, die in den Gemeinden und in den Familien um die Abkehr von überholten Prinzipien und Traditionen ausgefochten wurden. Tullio gibt bei alledem ein schillerndes Bild ab – zwischen Held und Opportunist, Anführer und Verräter, Idealist und Egozentriker.
Cabiddus Film (produziert von den Gebrüdern Tornatore) dokumentiert die Recherchen von Tullios Sohn (der im Übrigen nur von hinten zu sehen ist und nicht spricht) in Dutzenden von kleinen Sequenzen: Szenen direkt aus Tullios Leben sind gekoppelt mit den Aussagen von Augenzeugen, die (Jahre später) direkt in die Kamera berichten. So entsteht für den Zuschauer ein mosaikartiges Bild des Mannes – und gleichzeitig eine bewegte, aufregende Geschichte Sardiniens, mit der »il figlio di Bakunin« aufs Engste verstrickt war.
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