L’arbitro
von Paolo Zucca
Die Fußballmannschaft eines Dorfes voller Enthusiasten hat keine Aufstiegschancen, trotz ihres charismatischen blinden (!) Trainers. Erst ein talentierter Neuzugang sorgt für Furore. Der ehrgeizige Provinz-Schiedsrichter macht ebenfalls Karriere, lässt sich aber korrumpieren. Das Ganze ist atemberaubend in Szene gesetzt: komödiantisch, choreografisch, musikalisch.
Aberwitziges Fußball-Ballett
Pabarile ist ein (fiktives) Kaff im Nordwesten Sardiniens. Nur Fußball peppt das Leben dort auf, auch das der schweigsamen Hirten und Käuze und der alten Frauen mit schwarzen Kopftüchern. Atletico, die Lokalmannschaft, hat den letzten Platz in der dritten sardischen Liga abonniert. Allwöchentlich erleiden sie eine neuerliche Demütigung, wenn die Erzfeinde aus Montecrastu, von ihrem Trainer, dem Großgrundbesitzer Brai, wie Leibeigene traktiert, sie genüsslich niedermachen. Dem hat Atletico-Trainer Prospero außer der Magie seiner Worte wenig entgegenzusetzen, zumal er blind ist.
Alles ändert sich, als Matzutzi, als Kind mit seinen Eltern nach Argentinien ausgewandert, heimkehrt und Pabarile von Sieg zu Sieg schießt. Gleichzeitig kämpft er sich einen Weg in das Herz von Miranda, Prosperos rassiger, heißblütiger und dickschädeliger Tochter.
Einen rasanten Aufstieg erlebt auch der ehrgeizige Schiedsrichter Cruciani. Je näher er seinem Traum kommt, in der Champions League mitzumischen, desto mehr lässt er sich korrumpieren und erniedrigen. Als er mit einer Einkaufstüte voller Geldscheine erwischt wird, ist es vorbei mit ihm. Seine Strafe: Fortan muss er in der dritten sardischen Liga pfeifen, z.B. die Partie Atletico Pabarile gegen Montecrastu.
In einem dritten Handlungsfaden geht es um die Fehde (faida) zwischen zwei Montecrastu-Spielern, die den archaischen Gesetzen der Hirtengesellschaft ausgeliefert sind.
All dies inszeniert Paolo Zucca als grandiose schwarze Komödie über menschliche Schwächen. Der Film (schwarz-weiß) ist hochgradig stilisiert und brilliert mehr durch Kreativität, Witz und Anspielungen als durch die Handlung selbst. Großartig und einfach zum Lachen, wie Spieler und Schiri rassige Choreografien hinlegen, wie der Soundtrack mit Tango, slide-guitar, Vorkriegsschlager und Trommeln Atmosphäre schafft. Ins Auge springt die Western-Ästhetik weiter Landschaftspanoramen, von Reitern auf staubigen Dorfstraßen (und in der Bar), von Showdown-Szenen zwischen unnachgiebigen Männern, von Großaufnahmen markiger Gesichter, von Perspektiven aus der über den Boden kriechenden Kamera. Zitate aus der Bibel bzw. religiöser Kunst – etwa eine Abendmahlszene – spielen mit der Doppelbödigkeit von Pathos und Ironie. Schließlich stellt sich der Film in die Tradition sardischer Filmkultur: Der Verzicht auf Farbe, die Rache-Thematik, Szenen aus dem Hirtenleben, Schauplätze auf kargen Berggipfeln und in einsamen Wäldern, dazu knorrige Laiendarsteller und gelegentlich sardischer Dialekt (brav untertitelt) knüpfen an Klassiker aus den Fünfzigerjahren an und zeichnen das – freilich grotesk zugespitzte – Porträt einer noch immer geheimnisvollen, wilden, archetypischen Insel.
Dies ist Paolo Zuccas erster Spielfilm. Er basiert auf seinem Kurzfilm gleichen Titels, der bereits wesentliche Stilelemente enthielt und 2009 mit dem David di Donatello ausgezeichnet wurde. Viele Szenen aus dem Kurzfilm wurden neu gedreht, um jetzt den Schlussteil des Spielfilms zu bilden.
»L’arbitro« auf YouTube suchen