Der tönende Junge
Zuanne Malune ist zwölf, als sein geliebter Vater 1938 das (fiktive) Heimatdorf Orgiadas verlassen muss. Er wurde für ein Verbrechen verurteilt, das er gar nicht begangen hat, und er wird in der Verbannung sterben. Seine Mutter zerbricht daran.
Der Großvater erzieht den Jungen nach den uralten einfachen Gesetzen der Hirten, und immer behält er die Pflicht vor Augen, das Unrecht zu rächen, das seinem Vater widerfahren ist.
»Sonetàula« (1960-1962/2000)
von Giuseppe Fiori
(1923-2003)
»Sonetàula« wird der Junge genannt, weil sein magerer Körper bei jedem Schlag, den er erhält, ein Geräusch abgibt, als sei er aus Holz (sardisch sonù | it. suono: Klang – sardisch tàula | it. tavola: Tisch). Aber das Leben mit der Schafherde auf den Weiden, bei Wind und Wetter in der rauen Felslandschaft des Gennargentu-Gebirges macht ihn hart. Der Umgang der Männer untereinander ist rau, ohne Umschweife und ohne Schonung; jede Freundlichkeit könnte als Schwäche ausgelegt werden.
Zuannes Weg ins Banditentum beginnt mit einer Ungerechtigkeit und führt ihn wie zwangsläufig ins Abseits der Gesetz- und der Sinnlosigkeit. Er muss sich in den Bergen vor den Carabinieri verstecken und dafür auch auf Maddalena verzichten, in die er sich schon als Junge verliebt hatte und die nun einen anderen heiraten wird. Am Ende ist er bereit, sich zu stellen, um ihr mit der hohen Belohnung, die auf seinen Kopf ausgesetzt ist, ein besseres Leben mit ihrer Familie zu ermöglichen. Doch Maddalena lehnt ab. Sein Untergang ist unausweichlich.
Regisseur Salvatore Mereu liefert mit seinem zweiten Spielfilm die x-te Variation des Themas, wie ein junger Sarde zum bandito wird, und tritt damit gegen starke Vorbilder an. Inhaltlich kann er nichts Neues hinzufügen, aber filmisch hat er einen neuen Maßstab gesetzt, kompromisslos in mehrfacher Hinsicht: ausführliche Einstellungen (daher zweieinhalb Stunden Gesamtdauer), komplett in Sardisch gedreht (für das nicht-sardische Publikum nur über die Untertitel verständlich), keine Musikuntermalung, keine Profischauspieler. Aber Mereus Filmsprache geht unter die Haut. Die Kamera ruht auf den Gesichtern der Menschen, oft im Halbschatten, und zeigt sie stoisch der Natur, dem Regen und ihren Krankheiten ausgeliefert. Wir sehen Porträts aus einer anderen Zeit, lederhäutige Männer in ihren Steinhütten, im Schlamm, eins mit ihren Tieren. Augen drücken mehr aus als die wenigen gesprochenen Worte. Szenen wie die am Anfang, als ein rasender, etwas älterer Junge Zuanne provoziert, demütigt, bedroht, mit Steinen bewirft und ununterbrochen kehlig schreiend bis in seine Schutzhütte verfolgt, vergisst man nicht mehr.
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