Cat vegna un cancher!
In Capo di Ponte in der norditalienischen Region Emilia Romagna zieht bei Gluthitze ein Leichenzug durchs Dorf. Keiner hat es sich nehmen lassen, dem 84-jährigen Pietro Caramaschi die letzte Ehre zu erweisen. Angeführt wird der Tross vom Bürgermeister, dahinter folgen Pietros treue Kameraden, die Veteranen der roten Brigade. Am Rande steht Dorfpfarrer Don Lino, der als Schwarzrock der natürliche Feind und Horror des Kommunisten und Partisanen Pietro war (eine deutliche literarische Anspielung auf Giovannino Guareschis Don Camillo-Romane, die in der gleichen Region angesiedelt sind). Die Zeremonie bietet alles, was an Pomp geboten werden kann, vor allem einen von sechs Schimmeln gezogenen Leichenwagen; dabei war Pietro doch ein armer Mann, der immer mit seinem Handkarren durch die Straßen zog. Stille herrscht im Dorf; nur die Blaskapelle ist zu hören, wie sie "My Way" erklingen lässt.
Der übergewichtige Postbote Nello Ruini will einen Brief zustellen, da streckt sich ihm aus dem aufgebrochenen rostigen Metallkasten eine Hand entgegen. Das kann schon mal passieren, aber an dieser fehlt der Rest des Körpers. Sofort betätigt Nello die Hupe seines motorino, und gleich darauf ist er von mehr als dreißig Anwohnern umringt. Ehe man die carabinieri ruft, versucht man selbstverständlich, die Sache selber zu klären. So wie's ausieht, hat Giuseppe Davoli, der Obdachlose, der in dem leerstehenden, abbruchreifen Haus mit Briefkasten schläft, mit der Sache zu tun. Die meiste Zeit seines Lebens hat der Ärmste in Waisenhäusern und Irrenanstalten zugebracht. Allerdings ist er zurzeit nicht vor Ort, sondern wohnt vorübergehend in einer sozialtherapeutischen Einrichtung für Leute, die zu weit neben der Spur laufen. Schließlich werden doch noch die Ordnungshüter herbestellt. Comandante Giorgio Boskovic und Brigadiere Rizzitano erreichen den Tatort, wo mittlerweile eine Art Straßenfest in vollem Gange ist.
Herrlich, diese Leseprobe! Ich fühle mich in mein Lieblingsreiseland Italien gebeamt. Nicht wenige der bekannten Klischees entsprechen ja durchaus der Realität: In den einsamen Dörfern leben die Alten, zurückgelassen von ihren Kindern, die in der Stadt Arbeit und den modernen Zeitgeist suchen. Die Gegend der Bassa reggiana ist flach, gleichförmig und eintönig. Die Zeit ist stehengeblieben, und es stellt sich tatsächlich eine Stimmung ein wie in den uns allen vertrauten uralten Filmen von Don Camillo und Peppone.
Der Titel des Romans "Die linke Hand des Teufels" lenkt den Leser direkt zu unserem Dorftrottel Giuseppe Davoli, genannt "Dievel". Ihm wird manches Unglück angehängt, aber mit der abgeschlagenen Hand hat diese arme Seele bestimmt nichts zu tun. Doch immer noch bestimmt Aberglaube das Handeln der alten Menschen, und sie haben Angst vor dem Fluch "Cat vegna un cancher!" ("Dir wünsch' ich den Krebs an den Hals!")
Ein spannender Krimi köstlich wie tomatenrote pasta all'arrabiata: scharf und brennend wie die Sonne, und fatta in casa - also hausgemacht im echten, ursprünglichen Italien!