Totentanz
Max Broll, ursprünglich Journalist, hat sich nach dem Tod seines Vaters Bert dafür entschieden, in dessen Fußstapfen zu steigen und seine lebenslange Arbeit im Dorf fortzusetzen: Er war der Totengräber. Max übt die Tätigkeit mit Leidenschaft aus – schließlich verbrachte er seine Kindheit auf diesem artifiziellen Spielplatz, zwischen ausgehobenen Gräbern, trauernden Angehörigen und Bestattungsritualen. Er brauchte weder Töpfe noch Kochlöffel noch Matchbox-Autos: Ihm genügten die Knochen ausgehobener Leichen, um seine Phantasien auszuleben.
An einem lauen Abend sitzt Max mit seinem besten Freund Baroni, einem ehemaligen Fußball-Superstar mit dickem Vermögen, auf der Dachterrasse seines Friedhofswärterhäuschens. Bei ein paar Flascherln Bier genießen sie die Aussicht auf die Großleinwand, die von den Europameisterschaften übriggeblieben ist, und schauen sich einen blutrünstigen Zombiefilm an. Wenn die Untoten Menschen zerfetzen und Köpfe über den Bildschirm rollen, schallt ihr Gelächter über den Friedhof, und sie kommentieren fachkundig: – Ein schöner ruhiger Film, Baroni. – Ganz großes Gefühlskino.
Derweil schnürt Pfarrer Stein sein Ränzlein, denn er wird das Dorf für immer verlassen. Was er sich hier jahrelang anschauen musste, hat ihn zu einem Nervenbündel werden lassen: Max' Sauna auf dem Friedhof, nackerte Manns- und Weibsleute, und das sogar während des sonntäglichen Gottesdienstes ...
Max und Baroni denken an nichts Böses, als ein Handy klingelt. Am Apparat ist seine geliebte Stiefmutter Tilda, die im Stockwerk drunter wohnt. Jetzt befindet sie sich in einer beengten Holzkiste, eingegraben in einem Erdloch, versehen mit etwas Wasser, einer dürftigen Sauerstoffzufuhr und dem Handy, dessen Akkuzeit nun bald abläuft. "Hol mich hier raus! Leopold Wagner hat mich aus der Wohnung entführt, er will sich an mir rächen!" Umgehend benachrichtigt Max Polizeiinspektor Paul Köber, und schon bald begibt sich eine Korona von Polizisten mit Spürhunden auf die Suche. Alle wissen, dass es ein Wettlauf gegen die Zeit ist. Tildas Tipp, Leopold Wagner, scheidet als Tatverdächtiger nach Pauls Meinung allerdings aus, denn er sitzt, seit ihn Tilda, eine erfahrene Polizistin und Pauls Kollegin, vor 18 Jahren verhaftet hatte, in Österreichs Vorzeigegefängnis ein, und Freigang gab's für ihn noch nie. Somit hat er ein wasserdichtes Alibi.
Max dagegen glaubt fest an Tildas Behauptung, sie habe in dem Mann, bevor er sie betäubt und entführt hat, selbst nach den vielen Jahren Leopold Wagner wiedererkannt. Also macht Max mit Wagner und dem Gefängnisdirektor einen Besuchstermin aus. Kein Zweifel: Auch hier wird es – wie überall – korrupte Angestellte geben, die Wagner eine Tür geöffnet haben könnten ...
Ohne seinen loyalen Freund Baroni, der ihn immer begleitet, neue Ideen einbringt (wie zum Beispiel einen Bombenalarm auf dem Flughafen) und sein Geld einsetzt, ginge Max wohl rettungslos unter. Aber gemeinsam begehen sie jede Sauerei, um Tilda zu retten. Als Max seine Geliebte, Hanni, tot im Bett neben sich liegen sieht, schreckt der sonst zartfühlende, sensible, liebesbedürftige Mann voller Hass vor keiner kriminellen Straftat mehr zurück.
"Für immer tot" ist der zweite Max-Broll-Krimi des Autors Bernhard Aichner. Seinen markanten, außergewöhnlichen Sprachstil, der in seinem ersten Werk zunächst gewöhnungsbedürftig war, hat er beibehalten, und so fühlt sich der Leser sofort heimisch und genießt das Altbekannte. Erzähltexte wechseln mit minimalistischen Dialogpartien. Kein einführender Satz, kein Name der Sprechenden, nur ein Gedankenstrich signalisiert dem Leser die Gesprächsführung. Die Sätze sind knapp und bündig, ohne Adjektive, teils unvollständig, teils aus einem Wort bestehend. Die Worte "wie" und "weil" scheint Aichner besonders zu lieben und betreibt mit ihnen Sprachspiele bis zum Exzess; er nutzt sie, um Sätze zu beginnen, nimmt sie dann immer wieder neu auf und verkettet auf diese Weise fortlaufende Aussagen (S. 215, 235).
Aichners temporeicher Stil gefällt mir. Hinzu kommen die morbide, manchmal surreale Stimmung und sein süffisanter Humor. Ein ungewöhnlicher Plot bringt immer wieder unerwartete Wendungen. Und noch ein ganz großes Plus (nach meinem Lesegeschmack) : endlich mal wieder ein Krimi ohne monströse Blutszenen. Da ist es kein Wunder, dass die Protagonisten Max und Baroni bei mir längst einen Stein im Brett haben!
Bernhard Aichner ist ein österreichischer Autor, der schon mit mehreren Literaturpreisen ausgezeichnet wurde. Doch in deutschen Buchhandlungen muss man ihn noch suchen. Leider!