Die Liebe Geld
von Daniel Glattauer
Gehobenes Boulevardtheater über das neue Image der Banken und einen Kunden, der nichts will als sein Geld abzuheben.
Die Bank, dein Freund und Helfer
Daniel Glattauer, 1960 in Wien geboren, kommt aus dem Journalismus, wurde mit humoristischen Kolumnen populär und durch unterhaltsame Romane und Theaterstücke international bekannt. Seine neueste Komödie wurde am 24. September 2020 im Theater in der Josefstadt in Wien uraufgeführt. Drei Tage zuvor hatte sie bereits in den Buchläden zum Verkauf gestanden.
Der Titel des Stücks verrätselt dessen Inhalt erfolgreich. Geht es um (die) Liebe und auch um (das) Geld, wie sie irgendwie zusammenhängen, oder geht es um das liebe Geld? Der verquere Artikel gibt kein Geheimnis preis.
Der Plot des Vier-Personen-Kammerspiels ist mager. Ein Herr mittleren Alters benötigt Bargeld, um seiner Gemahlin ein Geschenk zu kaufen. Doch der Geldautomat verweigert standhaft die Auszahlung. Der Bankkunde sucht die Schuld zunächst bei seiner eigenen technischen Insuffizienz, bevor er sich Rat suchend in die heiligen Hallen des Geldinstituts wagt. Dort bindet man ihm gewaltige Bären auf, um die kalten Eigeninteressen der Geschäftspolitik zu verschleiern und dem Kunden stattdessen mit blumenreichem Wortgeklingel ein absurd verlogenes Image der Philanthropie unterzujubeln. Die starken Übertreibungen und dass der Bittsteller einschließlich seiner Ehefrau auf die dreiste Phrasendrescherei hereinfallen, machen das komödiantische Bühnenstück zur Groteske.
In Zeiten von Null- und Negativzinsen, in denen Sparguthaben dahinschmelzen, spekulative Anlagemodelle verbrannt sind und Banken nach innovativen Einnahmequellen Ausschau halten müssen, rufen die Themen Geld und Geldinstitute nicht nur Psychologen und Analysten als Berater auf den Plan, sondern sind auch ein gefundenes Fressen für Satiriker. Wer kennt nicht die teuren Werbespots zur besten Sendezeit, in denen optimistische junge Frauen von schön bebilderten Lebenszielen säuseln (»Freunde finden«), um die Zuschauer am Ende in einen Hort der Menschenfreundlichkeit zu lotsen: eine Bankfiliale! Solche Zwanzig-Sekunden-Poesie kann man problemlos als realsatirische Lachnummer rezipieren.
Ein schönes Thema also auch für einen amüsanten Sketch auf der Bühne. Daniel Glattauers Komödie währt freilich länger als zwanzig Sekunden, nämlich etwa eineinhalb Stunden, und ich frage mich, ob ihr Konzept so lange ermüdungsfrei zu unterhalten vermag. Jedenfalls kommt der satirische Esprit in der mir vorliegenden Druckausgabe nicht ganz so überzeugend rüber wie dem Wiener Theaterkritiker vom »Kurier« (»bitterböse Bankengroteske … wunderbar irrwitziger, grotesker Spießrutenlauf eines ›kleinen Mannes‹ im Kampf um sein Geld und seine Rechte«). Was man auf der Bühne live mit-erlebt, erzeugt in gedruckter Form freilich nicht unbedingt die selben Effekte. Das eigene Kopfkino produziert trotz Regieanweisungen einen eigenen Film. Doch Höhenflüge in »kafkaeske Ausweglosigkeit«, wie sie die »Wiener Zeitung« lobpreist, kann ich nicht nachvollziehen.
Was das Stück bietet, ist angenehme Unterhaltung. Wir finden allerlei Seitenhiebe gegen Tücken unseres Alltags wie technische Unzulänglichkeiten, telefonische Warteschleifen, fehlende menschliche Betreuung (»Frau Magister Drobesch ist gerade in einer Zoom-Konferenz.«). Wir schmunzeln über die zugespitzte Diskrepanz zwischen dem banalen Anliegen, an das eigene Geld zu kommen, und der arroganten Anmaßung der Finanzverwalter, die es für eigene Zwecke entführen. Witzig ist, wie hilflos der Kunde dem mehr oder weniger geschickten Jonglieren mit Worthülsen und Allgemeinplätzen ausgeliefert ist (»Ihr Geld ist derzeit nicht da … es ist … unterwegs … sozusagen auf Geschäftsreise.«). Hübsch sind die phantasievollen Exkurse über Anlageformen (»jedenfalls nicht in den Sand gesetzt«), über Aktienkurse (»Kniebeugen in den USA … Auf und Ab«). Satire glitzert auf bei der Dreistigkeit, mit der die Manager den Spieß umdrehen, dem Kunden Schuldgefühle einflüstern, ihn mit einem haltlosen, aber kreativen Narrativ überrumpeln. Und natürlich sind wir gespannt, wie die Sache wohl ausgehen mag. Für die notgedrungen ausbleibende Theateratmosphäre entschädigen uns manche Formulierungsschätzchen in den Regieanweisungen (»Henrich verlässt mit gesenkten Schultern den Ort seines stillen Scheiterns.«).
»Die Liebe Geld« ist ein nettes Spielchen um moderne Alltagsprobleme und Zeitphänomene. Es berührt aktuelle Themen (auch die Stichwörter Trump und Corona fallen), bleibt aber heiter an der Oberfläche. Schließlich erwartet hier auch niemand bedeutsame Erkenntnisse. Handlung und Dialoge sind keine humoristischen Knaller, aber durchaus spaßiger als der merkwürdig konstruierte, widerspenstige Titel.
Und wo es schon ums liebe Geld geht: Achtzehn Euro für 105 Dialogseiten sind kein Schnäppchen.