Rezension zu »La chimera | Die Hexe aus Novara« von Sebastiano Vassalli

La chimera | Die Hexe aus Novara

von


Historischer Roman · Einaudi · · 308 S. · ISBN 9788806172749
Sprache: it · Herkunft: it · Region: Piemont

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Gut und Böse in Antonias kurzem Leben

Rezension vom 08.12.2011 · 6 x als hilfreich bewertet mit 1 Kommentaren

Das Findelkind Antonia wächst im Kloster San Michele in Novara auf, wo man sie streng und fromm er­zieht, aber auch immer wieder erniedrigt. Die etwas ältere Rosalina verrät ihr manche geheimen Machen- und Liebschaften, die sie im Konvent beobachtet hat.

Mit zehn Jahren wird das Mädchen, wie es üblich war, als eine Art Sklavin an Bauern aus der Umgebung verkauft. Bartolo und Francesca Nidasio aus dem Dorf Zardino nehmen Antonia jedoch wie eine eigene Tochter bei sich auf. Gemeinsam mit ihr erfahren wir nun viel über das einfache Leben jener Zeit im Reis­an­bau­ge­biet der »Bassa«, der Ebene um Novara. Armut, eine schlichte Religion, starre Traditionen und Aberglauben beherrschen die Menschen.

Jedes Frühjahr kommen die risaroli, bitterarme Taglöhner, die man mit falschen Versprechungen aus ihren Heimatdörfern gelockt hat und die nun, wie Gefangene gehalten, Schwerstarbeit auf den Feldern leisten müssen, ohne angemessen entlohnt zu werden. Antonia ist erschüttert über das Schicksal dieser bedau­ernswerten Kreaturen, aber zu machtlos, um ihnen helfen zu können.

Antonias wichtigste Informanten sind ihre Freundin Teresina und der Vorarbeiter Maffiolo, der als Soldat in spanischen Diensten weit herumgekommen ist. Seine Aufgabe ist die Bewachung der risaroli.

Im Herbst 1601 ändert sich alles in Zardino. An die Stelle des nachsichtigen Don Michele, der nie wirklich die Priesterweihe erhalten hatte, tritt, vom neuen Bischof Bascapè in Novara gesandt, der junge Eiferer Don Teresio, der seine Gemeinde in die Messe zwingt, ungeachtet anderer lebenswichtiger Arbeiten, die sie zu erledigen hätten, und ihnen immer mehr Gaben abverlangt. Auch die immer dreisteren Übergriffe des brutalen Großgrundbesitzers Caccetta und seiner räuberischen Knechte bedrohen die einfachen Men­schen, ihr weniges Gut und ihr Leben.

Ein weiterer Handlungsstrang entwickelt sich – auf höherer Ebene – um den florierenden Handel mit Reli­quien. Auch der ehrgeizige Bischof Bascapè möchte in seiner armseligen, von ihm verachteten Diözese wundertätige Gegenstände vorzeigen können und schickt seine Gesandten zum Einkaufen nach Rom. Die werden jedoch kräftig übers Ohr gehauen, der Betrug wird ruchbar, und Bascapè ist blamiert.

Je älter die aufgeschlossene, wissbegierige und unkomplizierte Antonia wird, je mehr sie lernt, desto häu­figer zieht sie Argwohn und Feindschaft auf sich. Eine Wende tritt in ihrem Leben ein, als der Maler Ber­tolino in Zardino eintrifft, um die Kirche für die bald folgende Reliquie zu verschönern. Von der Anmut Antonias beeindruckt, gibt er der Madonna in seinem Fresko ihre Züge. Die missgünstigen Dorfbewohnern sind ungehalten, und Don Teresio straft die Blasphemie, indem er dem Kunstwerk die Weihe verweigert. Als das Mädchen auch noch mit einem ketzerischen protestantischen Landsknecht auf Durchreise tanzt, ver­bannt Don Teresio sie endgültig aus der Kirche.

Jetzt ist ihr Schicksal besiegelt. Die abergläubische, ungebildete Dorfgemeinschaft schiebt jedes unerklär­liche Ungemach Antonia in die Schuhe. Ihre Liebschaft mit einem risarolo verschärft die Kampagne gegen sie, denn sie trifft sich mit dem jungen Mann, der mit ihr von einem freien Leben in Genua träumt, unter dem alten Baum, den die Dörfler als Ort des Hexensabbath ansehen. Schließlich denunziert Don Teresio sie bei Bascapè, sie wird in den Kerker der Inquisition in Novara verfrachtet, verhört, gefoltert und schließ­lich vor das kirchliche Gericht gestellt. Weder die entlastenden Aussagen Teresinas noch ihrer El­tern können sie vor dem Scheiterhaufen bewahren. Sie war die letzte Frau, die in Novara als Hexe ver­brannt wurde.

Dieser Roman besticht nicht nur durch die erschütternde Handlung, die sich auf historische Begebenheiten stützt, sondern ebenso durch die realistische Darstellung des All­tags der Zeit und der kläglichen Le­bens­be­din­gun­gen bei den Reisbauern in der Provinz Novara. Die eindringlichen Episoden gehen einher mit deut­li­cher Kritik an Unterdrückung und Aus­beu­tung durch die Kirche. Mit seinem prägnanten, bild­reichen Stil gestaltet Sebastiano Vassalli eine Vielzahl markanter ländlicher Szenen, die an Thomas Hardy erinnern.

Die großartige, literarisch rundum überzeugende Schilderung des ergreifenden Lebens- und Leidensweges eines intelligenten jungen Mädchens zu Beginn des 17. Jahrhunderts gewann 1990, im Jahr ihres Erschei­nens, den »Premio Strega« und war in der Auswahlliste zum »Premio Campiello«. Von der deutsch­spra­chi­gen Ausgabe finden sich leider nur antiquarische Restbestände.


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Kommentare

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Zu »La chimera | Die Hexe aus Novara« von Sebastiano Vassalli wurden 1 Kommentare verfasst:

Katrin schrieb am 07.09.2021:

Ich weis nicht was der Autor mit diesem Buch wirklich erzählen will. Einen Reisebericht aus dem 16 Jahrhundert oder die Geschichte des Findelkinds Antonia. Es ließt sich so zäh, weil der Autor ständig von der eigentlichen Geschichte abtriftet und dann Seitenlang von der Landschaft, der Bäumen, Blumen, Steinen usw. erzählt. Ab und zu dann in die Gegenwart abtriftet und somit ständig die Geschichte der Hexe Antonia verfehlt. Von Spannung oder Lesefluß kann da nicht die Rede sein. Man quält sich von Seite zu Seite und hofft vergebens zum Ziel zu kommen. Ich lese sehr viele Bücher im Jahr aber nur sehr selten so langweilige. Schade um die verlorene Zeit

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