Rezension zu »L’accabadora« von Enrico Pau

L’accabadora

von Enrico Pau


Eine Sardin versucht sich aus der ihr zugefallenen archaischen Rolle als eine Art Todesengel zu befreien.
Film · · 97 Min.
Sprache: it · Herkunft: it · Region: Sardinien

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DVD

Düstere Rätsel

Rezension vom 24.09.2022 · noch unbewertet · noch unkommentiert

Der Titel dieses Films ist nahezu identisch mit dem eines Buches, das gleich bei seinem Erschei­nen im Jahr 2009 Aufsehen erregte, im Jahr darauf den Premio Campiello erhielt und in viele Sprachen übersetzt wurde: »Acca­badora«, geschrie­ben von der sardi­schen Autorin Michela Murgia [› Rezension]. Man könnte also leicht annehmen, der Film orien­tiere sich an diesem Best­seller. Das wäre aber ein Trug­schluss, und man wäre beim Ansehen des Films ziemlich sicher ent­täuscht.

Das Beste an Enrico Paus Werk ist seine Film­sprache. Er präsen­tiert wunder­schöne Bilder, deren Aufbau, Ruhe, Licht- und Farb­gestal­tung geradezu an klassi­sche Gemälde erinnern. Die Kamera ist weit­gehend statisch, Stimmung und Atmos­phäre verändern sich kaum, und es ist die Stille, die uns anspricht. Pau setzt mehr auf die geheimnis­vollen, myste­riösen Aspekte seiner zentralen Figur, die als eine Art Todes­engel unheilbar leidende Mit­menschen zu erlösen bereit ist, wenn man sie darum bittet – eine tief in der sardi­schen Kultur verwur­zelte, faszinie­rende Figur, die im Zentrum zahl­reicher gravie­render Wider­sprüche zwischen Christen­tum und heidni­schem Aber­glauben, Mensch­lichkeit und Recht, Archaik und Moderne, Nächsten­liebe und Gewalt leben muss. (Manche behaup­ten, solche Frauen habe es bis Mitte des 20. Jahr­hunderts tatsäch­lich als eine Art Geheim­institu­tion gegeben. Viele Anthropo­logen bestreiten das aller­dings.)

Während Michela Murgias Roman die problema­tische Rolle dieser Frauen einschließ­lich all der Konflikte, die aus ihrer Tätigkeit erwachsen, differen­ziert und überdies aus reiz­voller Perspek­tive darstellt, konzen­triert sich Enrico Pau auf einen Abschnitt im privaten Leben einer solchen Frau. Das Thema des Films ist damit enger, die Handlung bleibt im Wesent­lichen ein­sinnig, und statt Spannung zu erzeugen setzt der Film auf immer gleiche Andeu­tungen und verströmt eine Aura von Traurig­keit und Geheim­nis. Dazu passt, dass die etwa vierzig­jährige, meist schwarz gewan­dete Protago­nistin im gesamten Film nur einen einzigen Gesichts­ausdruck vorweist, was wohl die Last der Aufgabe spiegeln soll, die sie sich keines­wegs erwählt hat.

Die Handlung trägt sich im Frühjahr 1943 zu. Annetta hat ihr Heimat­dorf verlassen, um in Cagliari nach Tecla, der Tochter ihrer soeben verstor­benen Schwester zu suchen. Sie kommt als Haus­hälterin bei einer reichen Familie unter, die sich auf ihr Land­gut zurück­zieht, da die massi­ven Bom­bardie­rungen der Alliier­ten die Stadt in Schutt und Asche legen. Während Annetta die Nichte sucht, findet und ihr Hilfe anbietet, erfah­ren wir in vielen Rück­blenden die Vorge­schichte. Schon Annettas Mutter übte im Verbor­genen die Tätig­keit einer Acca­badora aus und führte das Kind behut­sam in die uralten Ge­pflogen­heiten dieser Aufgabe ein. Seither trägt Annetta schwer an ihrer Bestim­mung eines ein­samen Lebens in ständiger Nähe des Todes, kann sie aber nicht abschüt­teln. Durch Zufall kam die junge Tecla hinter das Geheim­nis und brach die Bezie­hung zur Tante entsetzt ab.

In Cagliari bemüht sich Annetta darum, Teclas Vertrauen zu gewinnen und ihr eine ehrbare Lebens­führung zu ermög­lichen, doch sie kann deren abwei­sende Haltung nicht über­winden. Die Begeg­nung mit einem jungen Arzt ver­spricht schließlich eine Wendung in ihrem tristen Leben.

Trotz der genannten Schwächen ist der Film sehens­wert, zumal er die zeitlose Atmos­phäre sardi­schen Land­lebens gut einfängt und die archa­ische Tätig­keit der Titel­figur aus gebüh­render Distanz beschreibt. Leider erschwert die Tonqualität uns Nicht-Italie­nern und Nicht-Sarden das Ver­ständnis des Films. Es wird viel geflüs­tert, bis­weilen auch ge­nuschelt.)


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