Hass und Liebe – zwei Seiten einer Medaille
In Oslo sucht die Polizei einen Serienmörder, der zwei Frauen bestialisch getötet hat. Harry Hole ist ihr bester Ermittler, der sich mit dieser Art Serientätern auskennt. Aber er ist abgetaucht, nachdem ihm sein letzter Fall jegliche Lebensorientierung genommen hat: Dabei waren seine Ex-Lebensgefährtin Rakel und ihr Sohn Oleg in die Fänge des "Schneemanns", eines verrückten Mörders, geraten. Abhängig von Drogen und Alkohol, belastet von Wettschulden und bedroht durch die Mafia, lebt er als Underdog in den Slums von Hongkong. Dorthin fliegt die Mordermittlerin Kaja Solness, besorgt ihm einen neuen Pass und das Ticket. Erst als sie ihm von der tödlichen Erkrankung seines Vaters erzählt, ist er willens, nach Oslo zurückzufliegen.
Einen kleinen Vorgeschmack auf die kriminelle Phantasie des Mörders erhält der Leser direkt zu Beginn des Romans. Dazu benutzt er perfide Mordwerkzeuge, die mit einem Draht versehen sind. Wenn der Gefangene die Qual nicht mehr aushält, zieht er an der Schlinge. Und was dann folgt, ist, in der hier beschriebenen Grausamkeit, das pure Entsetzen. Alle Opfer verbindet ein gemeinsamer Aufenthalt in einer Schneehütte in den Bergen. Wer waren diese Personen? Warum treffen sie sich ausgerechnet in dieser Nacht an diesem Ort?
Auf der Suche nach den Tötungsmaschinen fliegt Hole in den Kongo. Hier trifft er eine Person, die noch wenige davon hat. Es ist fast anzunehmen, dass der Täter hier seine Folterinstrumente gekauft hat.
Ohne Harry Hole wäre dieser Krimi gar nicht vorstellbar. Er ist die Zentralfigur – ein Charakter mit Schwächen und Stärken, der kompromisslos agiert. Dabei kommt es ihm nicht darauf an, sein Prestige zu verbessern und Karriere zu machen. Er meistert lebensbedrohliche, ausweglose Situationen und schindet seinen Körper so sehr, dass man sich manchmal fragt, wie das überhaupt möglich ist. Er steckt voller Gefühle. Seinen todkranken Vater besucht er, so oft er kann. Nur seinen Wunsch, ihm Sterbehilfe zu leisten, kann er nicht erfüllen. Im Nachhinein bereut er das, denn Töten ist sein Alltagsgeschäft.
Jo Nesbø beherrscht sein Genre, wie er bereits in sieben vorangegangen Harry-Hole-Krimis bewiesen hat. Geschickt legt er falsche Fährten. Oft denkt der Leser, dem Täter nahe zu sein – und schon wendet sich das Blatt wieder. Viele Handlungsfäden, Schauplätze, Haupt- und Nebenfiguren fügt der Autor peu à peu zu einem großen runden Roman: Alles ist stimmig und plausibel.
Absolut lesenswert!
P.S.: Mein einziger Einwand: Etwas kompakter (um 10 oder 20% abgespeckt) wäre der Roman sicher ebenso qualitätsvoll – wenn nicht noch besser ...