Rezension zu »Assandira« von Salvatore Mereu und Giulio Angioni

Assandira

von Salvatore Mereu und Giulio Angioni


Costantino Saru hatte zugelassen, dass sein Sohn Mario mit seiner deutschen Frau sein altes Bauernhaus in einen Agriturismo umbaut. Die Gäste aus dem Norden sollten hier das traditionelle Leben der sardischen Hirten hautnah erleben können. So erfolgreich sich das Unternehmen entwickelt, so unwohl fühlt sich Costantino dabei, wie unterschiedlich sich die Kulturen und Gepflogenheiten entwickeln.
Film · · 126 Min.
Sprache: it · Herkunft: it · Region: Sardinien

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Verantwortung für das Erbe

Rezension vom 28.02.2023 · noch unbewertet · noch unkommentiert
Textgrundlage:
»Assandira«
(2004, Verlag Sellerio)
Giulio Angioni: »Assandira« auf Bücher Rezensionen
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Salvatore Mereus fünftem Spielfilm liegt ein gleichnamiger Roman von 2004 zugrunde, den Giulio Angioni (1939-2017) geschrie­ben hatte. [Auf unserer Seite finden Sie Rezen­sionen zweier weiterer Romane dieses bedeu­tenden sardi­schen Anthro­pologen und Schrift­stellers, der in Deutsch­land studiert hat: »Doppio cielo« (2010) und »Sulla faccia della terra« (2015).] In Mereus Film wie in Angionis Roman geht es um die ur-sardische Proble­matik, wie einer­seits die Jahr­tau­sende alte Kultur der Insel bewahrt und anderer­seits in die Moderne überführt werden kann.

Der Konflikt zwischen notwen­diger, berech­tigter Aktuali­sierung des Lebens bei gleich­zeitiger Re­spek­tie­rung der Werte der Ver­gangen­heit mani­festiert sich in der Familie Saru und zerstört sie letzt­endlich. Schon die Handlung des Romans ist aller­dings nicht ganz lückenlos, denn auf eine derartig essen­zielle Frage­stellung kann es keine einfachen Antworten geben.

Im Mittelpunkt des Plots steht der alte Schäfer Costan­tino. Im Film wird er ein­drucks­voll darge­stellt von Gavino Ledda, dem 1938 geborenen Autor des bahn­brechen­den auto­bio­grafi­schen Romans »Padre padrone« (1975) [› Rezension]. Im Gegensatz zu ihm ist sein Sohn Mario auch jenseits des Meeres herum­gekom­men und hat sich als Kellner und Koch bewährt. Er kehrt mit seiner attrak­tiven deutschen Frau Grete in seine Heimat zurück, und beide drängen Costan­tino, ihnen seinen leer­stehen­den ovile (Schaf­stall) zu über­lassen. Sie haben erlebt, wie gern sich Touristen aus Nord­europa für die Ur­sprüng­lich­keit, Naturnähe und Authen­tizität Sardi­niens und insbe­sondere für den Reiz der archa­ischen Lebens­weise der Hirten begeis­tern lassen. So wandeln sie das Gebäude in einen agri­turismo um, den sie »Assandira« (»Gruß an die Sonne«) nennen. Das Konzept funktio­niert ausge­zeichnet: Grete begleitet die auslän­dischen Klein­gruppen bei Ausflügen im Gelände­wagen, führt sie aber auch in den Stall, wo sie etwa beim Melken der Schafe ganz genau hin­schauen können. Während Mario sich als zottiger Hirte gibt, vermag die sprach­gewandte Grete die Touristen durch ihre lebhaften Erklä­rungen zu faszi­nieren und zu verzau­bern. Schließ­lich ist auch Costan­tino überzeugt und trägt mit seinen Kennt­nissen zum Erfolg des Unter­nehmens bei.

Doch dann kommt es immer häufiger und inten­siver zu Aus­einan­derset­zungen zwischen den Akteuren. Wie weit soll die Schau­spielerei getrieben werden? Sollen sich die Einhei­mischen an alte Tradi­tionen und Werte halten oder den An­sprüchen und Neigungen der Gäste unter­ordnen? Wer ist der Herr im Haus? Zwischen Mario, Grete und Costan­tino sorgt außerdem für Span­nun­gen, dass Nachwuchs ausbleibt – man trifft hier eine unge­wöhn­liche Entschei­dung von geradezu symboli­scher Strahl­kraft.

Streit und Entfremdung kulminieren, als Costan­tino heraus­bekommt, in welchem Ausmaß die im agri­turismo zusam­men­ge­führten Welten aus­einander­klaffen. Grete und Mario hatten offenbar keine Einwände dagegen, dass eine Tou­risten­gruppe eine frei­zügige nächt­liche Party mit billigen Mysti­zismen in einer Nuraghe feiert. In der nächsten Nacht bricht ein Feuer aus, das »Assandira« zerstört und in dem Mario umkommt.

Was hier chronologisch aufbereitet ist, präsentiert Mereu vom Ende her zurück­blickend in kurzen Bruch­stücken aus verschie­denen Phasen der Plot-Entwick­lung. Der Film beginnt mit den Unter­suchun­gen eines Richters und der Cara­binieri am Brandort. Costan­tino erinnert sich nach und nach an die vergan­genen Episoden, glaubt dabei, seine Verant­wortung für das Gesche­hene zu erkennen, und gesteht den Ermitt­lern, das Feuer selbst gelegt zu haben. Denn ihn quält sein Versagen: Weder konnte er der Würde seines kultu­rellen Erbes gerecht werden noch seinen Sohn aus den Flammen retten. Er muss sich einge­stehen, dass seine frühere Welt un­wieder­bring­lich vergangen ist. Den Richter jedoch über­zeugen die Selbst­bezich­tigun­gen des Alten nicht.

Neben Gavino Ledda (Costantino) und Marco Zucca (Mario) spielt die Deutsche Anna König die weib­liche Haupt­rolle (Grete). Der Film ist auf weiten Strecken italie­nisch unter­titelt, da viel Sardisch, auch Deutsch und Englisch gespro­chen wird. Gedreht wurde in der Barbagia bei Foresta Burgos.


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