Rezension zu »Cristo si è fermato a Eboli« von Carlo Levi

Cristo si è fermato a Eboli

von


Autobiographie · Einaudi · · 242 S. · ISBN 9788806204716
Sprache: it · Herkunft: it · Region: Kalabrien und Basilicata

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Ungeschönt und anrührend

Rezension vom 18.02.2012 · 1 x als hilfreich bewertet · noch unkommentiert

Diesen Klassiker – 1945 veröffentlicht – muss man gelesen haben (oder lesen), wenn man vom Golf von Sa­lerno durch die wilden Berge hinüber zur Küste des Golfs von Taranto fährt – es ist heute noch eine atemberaubende Zeitreise. Das war nicht anders, als der feinsinnige junge Mediziner Carlo Levi (1902-1975) aus dem Norden 1935 bis 1937 hierher in die Basilicata (damals Lucania genannt) verbannt wurde, weil er gegen die Faschisten ge­sprochen hatte. Dieses Schicksal der »Exilierung« in entlegene Regionen (confino) teilte er mit einigen Tau­send weiterer Dissidenten.

»Christus kam nur bis Eboli« Carlo Levi: »Christus kam nur bis Eboli« bei Amazon ist ein dokumentarischer Roman, eine chronologische Folge nüch­ter­ner Beschreibungen und Erfahrungsberichte darüber, was der Exilant im Bergdorf Aliano (das er Gaglia­no nennt) vorfindet: eine vollständig isolierte, bitterarme, archaische Bauernwelt, dominiert von harter Arbeit, tiefer Naturmystik und Aberglauben: quell'altro mondo, serrato nel dolore e negli usi, negato alla Storia e allo Stato, eternamente paziente (»jene andere, in Schmerz und Brauchtum verstrickte, unendlich geduldige Welt, die abseits von Geschichte und Staat liegt«) ... quella mia terra senza conforto e dolcezza, dove il contadino vive, nella miseria e nella lontananza, la sua immobile civiltà, su un suolo arido, nella presenza della morte. (»dieses herbe, trostlose Land, wo der Bauer in Elend und Verlassenheit auf karger Scholle im Angesicht des Todes seiner starren Sitte lebt«)

Die Bewohner empfinden sich selbst als von Gott und ihrem Land Verlassene: Noi ... non siamo uomini, non siamo considerati come uomini, ma bestie ... e ancora meno che le bestie. (»Wir ... sind keine Men­schen, wir gelten nicht als Menschen, sondern als Tiere ... ja weniger als Tiere.«)

Ihr Alltag ist bestimmt von unglaublichen Härten und Entbehrungen. Um zu ihrem Stückchen Land zu ge­lan­gen, müssen sie oft stundenlange Fußwege bewältigen, Krankheiten setzen ihnen zu, und der Staat tritt in ihr Leben, indem er sie zum Militärdienst verschleppt oder ihnen widersinnige Abgaben abpresst. Eine neu verordnete Steuer auf Ziegen konnten viele nicht aufbringen, so dass sie die Tiere schlachten mussten und danach nicht einmal mehr Milch und Käse hatten.

Nach Jahrhunderten schlechter Erfahrungen tragen die einfachen Menschen Misstrauen gegen jeden Frem­den und jede Herr­schaft im Blut: Nessuno ha toccato questa terra se non come un conquistatore o un nemico o un visitatore incomprensivo. (»Niemand hat diese Erde berührt, es sei denn als Eroberer oder als Feind oder als verständnisloser Besucher.«) Auch die gegenwärtigen Verhältnisse können sie in dieser Skepsis nur bestärken, denn alle, die Verantwortung tragen und Erleichterung im Elend bringen könnten, sind unfähig: zwei verlotterte, ar­rogante, hartherzige und geldgierige Ärzte; ein untätiger Lehrer; ein hohl­köpfiger, aufgeblasener Faschist als Bürgermeister; selbst der Priester ist verkommen, dem Alkohol und anderen Lastern verfallen.

Trotz des beschwerlichen Kampfes ums tägliche nackte Überleben bringen die Bewohner bisweilen noch die Kraft auf, sich gegen Unterdrücker und Ausbeuter zu erheben; manche setzen sich als Briganten in die Berge ab.

Heimlich (weil illegal) als Arzt arbeitend, hilft Levi den Menschen (z.B. gegen die Malaria) und gewinnt dadurch ihr Vertrauen und ihre Zuneigung, auch weil er Tatkraft zeigt und sich mit den »Autoritäten« nicht zu arrangieren bereit ist.

Levis Stil ist sachlich, gänzlich unromantisch und rührt den Leser dennoch stark durch die Unmittelbarkeit des Berichts und natürlich durch die Unerhörtheit dessen, was er schildert. Der Titel drückt metaphorisch aus, dass diese Gegend im gebirgigen Inland von Gott verlassen ist, ja dass ihr seine Gnade gar nicht erst zuteil wurde. (Eboli liegt bei Salerno, also noch in der Zivilisation.)

Das Buch wurde 1978 von Francesco Rosi verfilmt.


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