Rezension zu »Una voce di notte« von Andrea Camilleri

Una voce di notte

von Andrea Camilleri


Ein Supermarktleiter hängt sich auf, ein Wachmann wird erschossen, eine rassige junge Frau erstochen, und der Kommissar vergisst seinen Geburtstag.
Kriminalfilm · Teil der Serie »Il commissario Montalbano (Filme)« · RAI-Eri · · 106 Min.
Sprache: it · Herkunft: it

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Montalbano gegen die Korruption

Rezension vom 25.11.2013 · noch unbewertet · noch unkommentiert

Die Mafia beklauen – wer käme denn auf so eine Idee? Was im Einfluss­bereich der ›ehrenwerten‹ Familie Cuffaro liegt, ist so sicher, dass es nicht einmal einer Bewachung bedarf, und dazu gehört auch der supermercato in Cava d’Aliga. Trotzdem wurden in der Nacht die gesamten Tages­einnah­men aus dem Schreib­tisch des Markt­leiters Guido Nicotra (im Roman heißt er Borsellino) geklaut. Wer mag so dreist – oder töricht? – gewesen sein?

Als commissario Montalbano und sein Kollege Mimì Augello sich Nicotra vornehmen, ist er äußerst nervös und gereizt. Seine Geschichte vom defekten Nachttresor der Bank nehmen sie ihm nicht ab. Da es keine Aufbruchs­spuren gibt, muss der Dieb einen Schlüssel besitzen. Der Zweit­schlüs­sel liegt beim consiglio dell’amministrazione (der aus aus vier Cuffaro-Stroh­männern bestehenden Geschäfts­führung unter dem Vorsitz des onorevole Mongibello, Anwalt der Cuffaro), den anderen hat Nicotra selbst … Doch der weist jeden Tatvorwurf ungehalten von sich.

Am nächsten Morgen findet man Nicotra erhängt in seinem Büro. Selbstmord aus Einsicht, Reue, Verzweif­lung, Angst? Im Lokal­fern­sehen Televigàta polemisiert der Kommentator Pippo Ragonese, die Kommissare hätten den armen Marktleiter durch ihre ruppige Befragung in die Enge und in den Suizid getrieben. Gerichts­arzt dottor Pasquano hat Montalbano allerdings bereits über seinen Befund in Kenntnis gesetzt, demgemäß Nicotra eindeutig ermordet wurde. Das hieb- und stichfest nachzu­weisen, sagt er schadenfroh im Abgang, sei jedoch Montalbanos Problem …

Inzwischen beschäftigt die Polizei ein zweiter unnatür­licher Todesfall. Eine junge Frau wurde grausam erstochen. Ihr Lebens­gefährte Giovanni Strangio fand sie und fuhr sogleich zum Kom­missa­riat, um den Mord anzuzeigen. Trotz seines eigen­tümli­chen Verhaltens – warum hat er nicht einfach angerufen? – kommt er als Täter nicht in Betracht, denn sein Alibi überzeugt. Auch diese Unter­suchung wird in höheren Kreisen mit Argusaugen verfolgt, denn Giovannis Vater ist der presidente della Provincia di Montelusa, Michele Strangio.

Damit wird die Tentakelspitze einer Krake sichtbar, die, wie sich im Verlauf der Unter­suchun­gen heraus­stellt, eine Vielzahl von Aktivitäten fest im Griff hat und jeden kaltblütig und mitleidlos in den Würgegriff nimmt, der aus der Reihe zu tanzen droht. Das gut organi­sierte Verbrechen auf familiärer Basis wird gedeckt und gestützt von einer ganzen Reihe einfluss­reicher Herr­schaf­ten in führenden Positionen der Politik, bei den Medien und sogar der Justiz, die alle ihr eigenes Süppchen kochen und nichts als ihren höchst privaten Vorteil im Blick haben. Was dieses System des stillen Gebens und Nehmens (»sensibile alle lusinghe«) an wirt­schaft­lichen, politischen und moralischen Schäden verursacht, interes­siert sie ebenso wenig wie die Menschen­leben, die wie ›Kol­lateral­schäden‹ ihrer eiskalten Strategien ein­kalku­liert werden.

Da gibt es für Montalbano viele Nüsse zu knacken, um all den sorgsam verborgenen Ver­bindun­gen auf die Spur zu kommen und zwischen den Fronten des Eigennutzes seinen eigenen Kurs durchzu­halten. Von der Politik bekommt er Druck, in den Medien wird er vorgeführt, der Staats­anwalt favorisiert ganz andere Theorien als er, und der questore Bonetti-Alderighi jammert: »Lei mi ha fregato la carriera!« …

Wie Krakenarme tauchen mehrere Handlungsfäden aus der trüben Realität, tangieren einander, tauchen wieder ab, bis endlich zu ahnen ist, wer alles involviert ist, wo alles zusammen­läuft. Bis dahin sind drei Morde geschehen, es gibt gleich mehrere Geständige zur Auswahl, und schließlich freut sich sogar der questore Bonetti-Alderighi: »Abbiamo vinto!«

Dieser Film ist besonders dialogintensiv. Polizisten und Verhörte liefern Informa­tionen, Montalbano erläutert seine Schluss­folgerun­gen, und der Zuschauer muss gut zuhören und mitdenken, um am Ende das komplexe Gesamtbild aus Realität und Täu­schungs­manö­vern erfassen zu können. Zum Glück für uns stranieri ist die Dialekt­schwelle sehr niedrig; man spricht zumeist Italienisch, nicht Sizilia­nisch.

Montalbano findet dieses Mal kaum Muße, sich melancholischen Grübeleien über das Altern hinzugeben. Dafür stimmen ihn die Resultate seiner Nach­forschun­gen pes­simis­tisch. Jahrzehnte seines Lebens hat er Verbrechern gewidmet, um der Ge­rechtig­keit auf die Sprünge zu helfen, und was hat er bewirkt? Mit Mimì Augello sinniert er über das Große und Ganze: »Che paese è diventato il nostro? … un paese in cui un ministro della Repubblica, poco tempo fa, … ha detto che con la mafia bisogna convivere … sono preoccupato per il mio paese …« Camilleri selbst beklagt (in »Camilleri racconta«, einem zwei­minüti­gen Monolog, der den Aus­strah­lungen auf Rai Uno neuerdings vorausgeht), wie die Korruption in Italien fort­schrei­tet, auch nach mani pulite, ihrer offiziellen kon­zertier­ten Bekämpfung in den Neunzigern, und er resümiert, »Una voce di notte« sei »un romanzo contro la corruzione … un romanzo che vince i corrotti … ma forse perché è solo un romanzo.« Dies ist ein politischer Kriminal­roman.

Bemerkenswert:

Ispettore Fazio erweist sich als wahre rechte Hand des commissario. Er steht nicht nur mit seinen Notiz­zetteln bereit, um pingelig zu berichten, was er fleißig recher­chiert hat, sondern liefert seinem Chef witziger­weise Auskünfte, ehe der ihn überhaupt mit den Nach­forschun­gen beauftragt hat (»Già fatto.«). Montalbano staunt ungläubig über diesen Beweis von Kongenia­lität, aber er bügelt die Sonder­leistung lieber mit einem Sarkasmus weg, statt seinen Assistenten einmal kräftig zu loben.

• Dass Montalbano Geburtstag hat (58 wird er), hat er natürlich vergessen (oder vielleicht verdrängt). Catarella erinnert ihn daran, indem er ihn herzlich umarmt (gut gemeint, aber dem Chef deutlich unangenehm), und der Anruf von Livia bewirkt (wie so oft) nur Miss­stim­mung …

• Catarella darf über die gewohnte Rolle des Tolpatschs und Wortver­drehers (avvocato Nullo Manenti wird zu »Nulla Facenti«) hinaus wieder einmal als Computer­experte glänzen. Das gibt ihm die seltene Chance, seinem meist ruppigen Chef mal etwas zu erklären (»Ha capito?« …).

• Der Film enthält viele ruhige Szenen, die Kamera konzen­triert sich oft auf das feine Mienenspiel der Protago­nisten.

Ausgaben:

• Der Film im italienischen Original: »Una voce di notte« DVD »Una voce di notte« bei Amazon

• Der Film in deutscher Synchronisation: DVD »Eine Stimme in der Nacht« bei Amazon
»Eine Stimme in der Nacht« DVD »Eine Stimme in der Nacht« bei Amazon

in »Commissario Montalbano – Volume VII« (4 DVDs)

• Informationen zu den Textgrundlagen des Films finden Sie in der Übersicht aller Fernsehfilme.

• Außerdem bietet Ihnen Bücher Rezensionen vollständige Übersichten aller Fernsehfilme, aller Romane und aller Erzählungen über den commissario Montalbano.


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