Rezension zu »Una lama di luce« von Andrea Camilleri

Una lama di luce

von Andrea Camilleri


Kriminalfilm · Teil der Serie »Il commissario Montalbano (Filme)« · RAI-Eri · · 106 Min.
Sprache: it · Herkunft: it

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O me miserum! O me infelicem!

Rezension vom 30.11.2013 · noch unbewertet · noch unkommentiert

Was ist das Gegenteil von ›Einbrecher‹? Was Gaspare Intelisano eines Tages im Kommis­sariat von Vigàta meldet, lässt diese Frage aufkommen. Als er des Morgens sein von Trocken­mauern gesäumtes Weideland inspiziert, stellt er nämlich fest, dass ›Aussperrer‹ eine seiner baufälligen flachen Hütten mit einer soliden Holztür versehen und ver­schlos­sen sowie die Fenster­höhlen verbarri­kadiert haben. Und es kommt noch merkwür­diger: Beim poli­zeili­chen Ortstermin ist alles wieder abgebaut, der Eigentümer hat wieder freien Zugang. Weggenommen wurde nichts. Aber Montalbano findet Spuren, dass schwere Gegenstände verschoben und mit Waffen hantiert wurde. Ins Fadenkreuz der Ermitt­lungen geraten als erste zwei tunesische Arbeiter, die das Land bewirt­schaf­ten. Mit Hut und Sonnen­brille getarnt und von Intelisano begleitet, täuscht ihnen der commissario am nächsten Tag vor, das Land kaufen zu wollen, und sieht sich um …

Die Angelegenheit wird jedoch schnell von der antiterrorismo-Einheit übernommen, da Waffen­schiebe­rei nach Nordafrika dahinter­stecken könnte, wo gerade die Freiheits­kämpfe ihren Lauf nehmen. Dass ihm der Fall aus­drück­lich entzogen wird, hält den starr­köpfi­gen und miss­traui­schen, aber stets aufmerk­samen Montalbano freilich nicht davon ab, für sich weiter zu ermitteln, zumal die beiden tunisini sich kurz nach seinem Besuch davon­gemacht haben. Wie konnten sie erkennen, dass der harmlose ›Immo­bilien­käufer‹ ihnen auf der Spur war?

Wie fast immer entwickelt sich parallel ein zweiter Fall, und auch der ist seltsam. Signor Salvatore Di Marta zeigt an, dass am Abend zuvor seine junge Frau Loredana beraubt worden sei, während sie um Mitternacht die Tages­einnah­men seines Super­marktes (30.000 Euro) zum Bank­schließ­fach bringen wollte. Der Ganove habe sich seinem Opfer darüber hinaus unsittlich genähert.

Wenige Tage später scheint der Fall schon gelöst. Loredanas früherer Verlobter Carmelo Savastano wird tot aufgefunden. Nachdem der Klein­krimi­nelle Loredana schon öfter bedrängt und jetzt auch noch beraubt und verge­waltigt hatte, hat Salvatore Di Marta wohl die Schändung seiner Gattin gerächt und den lästigen Rivalen ein für allemal beseitigt. Staats­anwalt Tommaseo lässt Di Marta verhaften und schließt erfreut die Akten.

Wirklich alles klar? Bei näherem Hinsehen fallen Salvo Montalbano diverse Unstimmig­keiten auf. Warum zum Beispiel hat Loredana den hohen Geldbetrag nicht gleich nach Geschäfts­schluss zur Bank gebracht, sondern zu ihrer guten Freundin Valeria Bonifacio mitgenommen? Wie lange waren die beiden zusammen, ehe Loredana zur Bank fuhr? Warum hat der Räuber, als er floh, den wertvollen Schmuck seines Opfers nicht mitgehen lassen? Haben die beiden Freundinnen gemeinsam etwas ausgeheckt, um die Verge­walti­gung zu vertuschen? Oder hat der Zwischen­fall womöglich gar nicht stattge­funden?

Wer ist in der Lage, Valeria Bonifacio auf den Pelz zu rücken, ihr Vertrauen zu gewinnen und ihr Geheimnis zu knacken, sofern sie denn eines hütet? Wieder einmal kommt die verführe­rischste Geheimwaffe des Kommis­sariats zum Einsatz: Mimì Augello, der Latin lover par excellence. Auch wenn er inzwischen ziemlich angegraut ist und dafür Salvos Häme über sich ergehen lassen muss, gelingt es ihm, sich bei Valeria als hilfs­bereiter avvocato Diego Croma für juristische und private Gefällig­keiten anzudienen.

Während die Rätsel um Di Marta und die beiden jungen Frauen mit dieser Strategie übersicht­lich gelöst werden können, entwickeln die Vorgänge um den Waffen­schmug­gel erheblich stärkere Dynamik. Ein dritter Nord­afrikaner muss zugegen gewesen sein und den Kommissar trotz Verkleidung identi­fiziert haben. Montalbano selber war ein reflek­tierter Sonnen­strahl aufgefallen, der aus dem Dachfenster des Schuppens grell hervor­blitzte, und es ist diese »lama di luce«, die ihn auf den Pfad der Erkennt­nisse führt, um auch diesen Fall aufzuklären. Von seinem Kollegen bei der antiterrorismo-Einheit erfährt er, dass es zu einer Schießerei mit den nord­afrikani­schen Freiheits­kämp­fern gekommen sei, die aber entwischen konnten. Er ahnt noch nicht, was das bedeutet …

Livia überrascht ihn mir ihrem Besuch. Daheim in Boccadasse hatten sie plötzlich aufkeimende Verlust­ängste und böse Vorahnungen gequält, die ihr noch jetzt in Marinella so stark körperlich zusetzen, dass sie auf Salvos Drängen einwilligt, einen Arzt zu konsul­tieren. Auch der Zuschauer ist beunruhigt, so intensiv und zugleich unbestimmt leidet sie. Aber mit Salvo, versichert sie ihm, habe das alles nichts zu tun. So erleben wir beide im Umgang miteinander ungewohnt sanft, geduldig, liebens­würdig, Salvo gar heiter und gelöst mit ihr.

Das Drehbuch von »Una lama di luce« ist besonders kunstvoll und stimmig durch­kompo­niert. Die Handlung wartet mit über­raschen­den Wendungen auf; mehr als einmal glaubt man, nun sei alles zum Guten gewendet, da bricht sich neues Unheil Bahn. Überzeugend werden gewisse Motivfäden am Ende zu einer sehr kurzen, ungeheuer dramati­schen Abschluss­szene zusam­menge­führt. Mit einem Mal wird klar – und erst jetzt verständ­lich –, was für ein tragisches Schicksal sich während der gesamten Handlung im Hintergrund vollzogen hat. Es hat nicht nur mit dem Krimiplot zu tun, sondern trifft auch schmerzhaft Livias und Salvos privatesten Lebensnerv …

Bemerkenswert:

• Obgleich dieser Film in einen erschütternden Schluss mündet, gibt es genügend amüsante Szenen aus Camilleris spitzer Feder. Bemerkens­wert gleich die hinter­grün­dige Anfangs­sequenz, in der Catarella Cicero im Original zitiert

• Das im Film »Una voce di notte« eingeführte Motiv, dass ispettore Fazios Tüchtigkeit seinen choleri­schen Chef zu sar­kasti­schen Wutanfällen treibt, wird zu einem running gag ausgebaut. Kaum hat Montalbano die nächsten Schritte der Unter­suchung formuliert, kann Fazio schon erste Ergebnisse vorweisen: »Già fatto.«

• Der Fernsehfilm weicht stärker als sonst üblich von der Roman­vorlage ab. Es fehlen zwei Handlungs­stränge zur aktuellen Lampedusa-Flüchtlings­proble­matik und zu illegalem Kunsthandel ein­schließ­lich der damit verbundenen Haupt­perso­nen. Die Kon­zentra­tion tut dem Film gut; der Plot um Waffen­schiebe­rei nach Nordafrika, den ›arabischen Frühling‹ und die privaten Machen­schaften einiger Frauen und Männer wirkt über­sicht­licher als manch anderer der Reihe.

Ausgaben:

• Der Film im italienischen Original: »Una lama di luce« DVD »Una lama di luce« bei Amazon

• Der Film in deutscher Synchronisation: DVD »Düstere Vorahnung« bei Amazon
»Düstere Vorahnung« DVD »Düstere Vorahnung« bei Amazon

in »Commissario Montalbano – Volume VII« (4 DVDs)

• Informationen zu den Textgrundlagen des Films finden Sie in der Übersicht aller Fernsehfilme.

• Außerdem bietet Ihnen Bücher Rezensionen vollständige Übersichten aller Fernsehfilme, aller Romane und aller Erzählungen über den commissario Montalbano.


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