Dantes Licht unterm Scheffel versteckt
Eine gute Idee: Dante Alighieri höchstselbst in Florenz auf die Spur zeitgemäßer Verbrechen zu setzen. Das ist keine Blasphemie, denn der Gründungsvater italienischer Sprache und Kultur und Inbegriff des Poeta Laureatus war ja kein abgehobener Dichter und Philosoph im Elfenbeinturm, sondern mischte kräftig mit im rauen Zeitgeschehen um 1300. In den Städten lieferten sich rivalisierende Bürgerfamilien bittere Auseinandersetzungen (in Florenz die Cerchi und Donati auf Seiten der Guelfen bzw. Ghibellinen), und zwischen den aufstrebenden Stadtstaaten (Florenz, Siena, Pisa ...) tobten immer wieder brutale Schlachten um die Vorherrschaft und den Einfluss auf kleinere, aber wohlhabende Städte wie San Gimignano. Ein weiterer starker Spieler auf dem Feld war Papst Bonifatius VIII., der über den ausgedehnten Kirchenstaat seine weltliche Macht sichern und erweitern wollte.
In diesen turbulenten Schauplätzen agierte Dante in Florenz als Capitano del Popolo (»Stadthauptmann«), Mitglied in diversen Räten und als diplomatischer Gesandter und Vermittler. Als Karl von Valois 1301 Florenz für den Papst einnahm, war es vorbei mit Dantes politischen Funktionen. Er wurde nicht nur aller Ämter enthoben und mit einer Geldstrafe belegt, sondern zum Tod durch Verbrennung verurteilt. Doch da war er längst ins Exil entflohen.
Wenn das nicht die Stoffe sind, aus denen man historische Thriller macht und dem Leser zugleich wertvolle Einblicke in die Geschichte vermittelt! Dazu sind der dichterischen Freiheit kaum Grenzen gesetzt, denn allzu viel ist gar nicht belegt über das Leben dieses bedeutenden Mannes.
Doch Giulio Leoni ignoriert die Steilvorlagen. In »I delitti del mosaico« (»Dante und das Mosaik des Todes« ) ermittelt der feine Herr Alighieri in einem Mordfall. Ein Mosaikkünstler wurde grausam umgebracht. Die Handlung führt an allerlei dunkle und verrufene Orte in Florenz, wo der Dichter obskure Intellektuelle, die Mächtigen der Stadt und aufreizende Damen trifft. Hört sich vielversprechend an, geht aber nicht unter die Haut. Würde der Autor den Mann nicht als Dante Alighieri bezeichnen, könnte er auch Francesco Petrarca oder Giovanni Boccaccio oder ebensogut Tizio Tal dei Tali heißen; über Dante Alighieri, sein Werk und Wirken erfährt man jedenfalls nichts Nennenswertes.
Wenn Dante durch die Stadt wandelt, sich mit seinen Kollegen in Kneipen, palazzi, alten Ruinen, Klöstern, in Kellern und Gärten vor der Stadtmauer trifft, isst und trinkt und plaudert, wenn er klug ermittelt und allen Verbrechern auf die Schliche kommt, wie raffiniert sie sie auch begangen haben mögen, dann schafft Giulio Leoni eine ganz nette Mittelalter-Stimmung, aber die Dialoge sind ebenso seicht wie die Handlung.
Der hier vorgestellte preiswerte Sammelband vereint vier Dante-Krimis: »I delitti del mosaico« – »I delitti della medusa« – »I delitti della luce« – »La crociata delle tenebre«. Einige wurden auch ins Deutsche übersetzt, aber die Ausgaben sind vergriffen. Im Internet findet man jedoch immer wieder antiquarische oder gebrauchte Exemplare.
Fazit: Passable Unterhaltung in nicht alltäglichem Ambiente, aber schade um die vergebenen Chancen.